Champions League:Bayern stürzt sich ins Höllengebrüll

Lesezeit: 3 min

  • Der FC Bayern muss am Abend bei Real Madrid gewinnen, um doch noch ins Halbfinale der Champions League einzuziehen.
  • Fragezeichen stehen hinter den Einsätzen von Hummels und Boateng.
  • Hier geht es zu den Viertelfinals der Champions League.

Von Jonas Beckenkamp, Madrid

Natürlich ist Carlo Ancelotti ein Mann von Welt, aber dieses verflixte spanische Wort für Freistoß wollte dem Bayern-Trainer nicht einfallen. Seine Rückkehr an seine alte Arbeitsstätte ist auch eine Rückkehr ins Sprachengewirr und so flogen beim letzten Pressegespräch vor dem Champions-League-Rückspiel in Madrid die Wörter durch das Unterholz des Bernabeu-Stadions.

Deutsch, Spanisch, Englisch - alles kein Problem für den Mister. Aber free kick? Da musste schon ein Spanier aus dem Auditorium helfen. Na klar, man habe selbstverständlich auch tiros libres trainiert, betonte Ancelotti. Standards also, auf diese Weise hat es auch im Hinspiel geklappt, als Arturo Vidal das 1:0 mit einem Torpedo-Kopfball besorgte.

Das Problem ist: Diese Partie ging 1:2 aus und ein solches Ergebnis in Madrid aufzuholen, dafür brauche man schon "das perfekte Spiel", wie der Coach ausführte: "Mit Mut, Intensität und all unserem Können." Wenn es vor dem Gang durchs Höllengebrüll des Bernabéu eine gute Nachricht gibt, dann diese: Die Bayern glauben noch daran, die Sache umzubiegen - auch wenn die Götter dafür schon in Geberlaune sein müssen.

Ein frühes Tor muss her

Auf die kleinen Dinge komme es an, das sagten sowohl Ancelotti als auch Xabi Alonso, der kurz vor seinem Trainer eine ganze Lebensladung Fragen beantworten musste. Details wie dieses: Einen gewissen Ronaldo dürfe man halt nicht so frei stehen lassen wie in der Vorwoche in München. Und natürlich wäre ein frühes Tor von Vorteil, um das Stadion zu beruhigen. Alonso und Ancelotti, diese beiden kennen sich als Ex-Königliche ja bestens aus in Madrid - besonders Alonso war es anzumerken, wie speziell die Angelegenheit für ihn ist. "Das war mein Stadion hier, ich hatte eine super Zeit und habe die allerbesten Erinnerungen", erklärte er, "aber auf dem Platz zählen solche Gefühle nicht. Da ist 'back to business' angesagt."

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Ein frühes Tor würde dem FC Bayern in Madrid sehr helfen. Manchmal fällt so eines ja aus heiterem Himmel.

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Zu diesem Geschäft zählt auch die Frage, mit welcher Verteidigung man Ronaldo und all den anderen Höllenhunden begegnen will. Eine große Auswahl steht nicht zur Verfügung. Wie sich in der Auftaktviertelstunde des Abschlusstrainings zeigte, dürfte Mats Hummels nach seinen Sprunggelenks-Wehwehchen kaum eine Option sein. Der Nationalspieler schlurfte nur, während der Rest sprintete. Er konnte seine Beine kaum voll belasten und zog sich schließlich mit einem Fitness-Betreuer zurück.

Etwas agiler wirkte Jérôme Boateng, dessen Adduktoren offenbar nicht mehr ganz so zwicken. Beide hätten die Möglichkeit zu spielen hatte Ancelotti am frühen Abend gesagt, "a lot of opportunities to play", aber beim Blick auf die letzte Übungseinheit wird er sich seine Gedanken gemacht haben. Als Ersatzlösung sieht er Joshua Kimmich, der "auf dieser Position ja schon gespielt" habe. Dass er es aber seit knapp einem Jahr nicht mehr tat, könnte ein Problem sein, das auch David Alaba in die Verlosung bringt. Vielleicht schwebt dem Italiener aber ohnehin die "Aus-Erfahrung-gut"-Innovation mit Alonso im Deckungszentrum durch den Hinterkopf. Wobei grundsätzlich gilt, dass Ancelotti positionsgetreue Lösungen bevorzugt - und eher keine Umschulungen.

Über all diesen Fragen wabert indes die entscheidende Herausforderung an diesem Abend: Wie um alles in der Welt sollen diese Wankel-Bayern gegen Real wieder auferstehen? Gegen die gnadenlose Präzision des Mittelfelds um Toni Kroos und Luka Modric? Den Stahlarbeiter Sergio Ramos hinten drin? Den Wusler Isco, der wohl den verletzten Gareth Bale ersetzen wird? "Wir starten geschwächt, aber wir sind noch am Leben", sagte Alonso mit gedämpfter Schlachtenrhetorik, "wir wollen das hier noch korrigieren."

Den Willen haben die Münchner - und sie haben Robert Lewandowski, der nach seiner Schulterverletzung "okay" ist (Ancelotti) und dessen Einsatzbereitschaft den Berichterstattern in Spaniens Hauptstadt hektische Telefonate mit ihren Redaktionen bescherte. Und noch etwas begleitet die Bayern in diesen Showdown: Die alte Weisheit der Real-Ikone Juanito, dass "90 minuti en el Bernabeu molto longos" sind.

Mit diesem Spruch auf Italo-Spanisch erschreckte Juanito 1986 Inter Mailands Profis so sehr, dass diese in Madrid prompt einen 3:1-Vorsprung aus dem Hinspiel verspielten. Die Partie endete damals 2:0, Real zog ins Finale des Uefa Cup ein. Diesmal variierte den Satz Alonso, übrigens in einwandfreiem Spanisch: "Es sind 90 Minuten, in denen alles passieren kann." Vielleicht diesmal zugunsten des FC Bayern.

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