BVB gegen Löw im Fall Hummels:Unverheilte Wunden reißen auf

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Fand sich bei der Nationalmannschaft zuletzt auf der Bank wieder: Verteidiger Mats Hummels. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Borussia Dortmund hadert mit der Entscheidung des Bundestrainers, Abwehrchef Mats Hummels auf die Bank zu setzen. Der BVB meint, Joachim Löw habe grundsätzlich ein Problem mit Dortmunder Spielern. Und speziell mit Hummels, der wie kein anderer das System Klopp personifiziert.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Jürgen Klopp foppt gerne Journalisten, aber in der vergangenen Woche gelang ihm eine für seine Verhältnisse fast schon staatstragende Zurückhaltung. Die unangenehme Frage, was er von der Nichtaufstellung von Mats Hummels bei den beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Österreich (3:0) und gegen die Färöer-Inseln (3:0) halte, parierte der Trainer von Borussia Dortmund erstaunlich gutwillig.

Ein sicheres Zeichen dafür, dass Klopp ein Gelände für vermint hält, wenn er sich allzu frecher Rhetorik erkennbar enthält. Ein süffisantes "So weit waren die Österreicher ja gar nicht vorne, dass man über die Leistung der deutschen Verteidigung etwas sagen könnte" gönnte sich Klopp dann aber doch. Und noch ein vergiftetes Lob: dass er froh sei, dass die deutsche Innenverteidigung gegen die Färöer "so gut gestanden" habe.

Der Stellenwert von Mats Hummels in Dortmund und im deutschen Fußball scheint inzwischen immerhin so hoch zu sein, dass zweimaliges Bankdrücken in der DFB-Auswahl zu einer mittleren bundesweiten Debatte anschwillt. Mats Hummels selbst weigert sich verbissen, die Lage irgendwie zu kommentieren, Jürgen Klopp verkneift sich lästerliche Kommentare zu den Vorgängen weitgehend, und selbst Dortmunds Vorstands-Chef Hans-Joachim Watzke mag über das Thema am liebsten außerhalb des Protokolls sprechen. Irgendwie scheint jeder das Gefühl zu haben: bloß nicht offen irgendetwas sagen, was den Bundestrainer Joachim Löw provozieren könnte.

Eigentlich, könnte man meinen, ist nicht viel passiert. Gegen zwei Gegner, gegen die man zur Not auch ohne gelernte Innenverteidiger klargekommen wäre, hatte der Bundestrainer den seit Monaten starken Jérôme Boateng vom FC Bayern nachvollziehbar nominiert. Neben ihm allerdings den schon länger in die zweite Reihe verdrängten Per Mertesacker vom FC Arsenal in London. "Wenn ich lese", sagt BVB-Chef Watzke, "dass dann nach zwei solchen Spielen mit so schwachen Gegnern von ,neuer Stabilität' in der Defensive die Rede ist, dann ist das lächerlich."

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Thomas Müller ärgert sich erst fürchterlich und ist dann unentbehrlich, Per Mertesacker gibt sich als Kommunikationsexperte. Sami Khedira spielt so träge, als hätte er zu viel Lachs gegessen. Die DFB-Elf beim 3:0 gegen die Färöer in der Einzelkritik.

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Die These von der neuen Stabilität trifft dabei vor allem den auf die Bank befohlenen Hummels. In Dortmund wird, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, Kalkül bei Löw vermutet: gegen harmlose Gegner wie Österreich und die Färöer Hummels aus der Mannschaft nehmen und anschließend die Einschätzung lancieren, dass es doch jetzt super laufe in dieser zuletzt wackelnden Innenverteidigung.

Beim BVB reißt diese Einzel-Abstrafung von Hummels, den zumindest dort viele für einen der drei, vier besten Innenverteidiger Europas halten, unverheilte Wunden auf. Bundestrainer Löw hatte nach dem verlorenen EM-Halbfinale gegen Italien (1:2) schon einmal Hummels zum Sündenbock stempeln wollen; er hatte bei einem Tor in der Tat nicht gut ausgesehen, aber die Fachwelt glaubte die Ursachen eher in Löws eigenwilligen taktischen Maßnahmen zu erkennen. Im vorigen Herbst arbeitete sich Löw dann mit missglückter Rhetorik an Dortmunds Marcel Schmelzer ab, der jetzt gegen die Färöer der letztverbliebene Borusse in der Nationalelf war.

Nach dem vogelwilden Auftritt der DFB-Truppe im Testspiel gegen Paraguay (3:3) schoss sich Löw erneut auf Hummels ein, dem er öffentlich zwei der drei Gegentore ankreidete. Bei dem Debakel machte allerdings Mertesacker einen ebenso indisponierten Eindruck - ohne sich offenbar Löws dauerhaften Zorn einzuhandeln. Dass Löw zudem den Dortmunder Torwart Roman Weidenfeller ignoriert, wird beim Champions-League-Finalisten als weiteres Indiz dafür betrachtet, dass der Bundestrainer sich mit Spielern aus Dortmund auffällig oft auffällig schwer tue.

Dass Hummels derzeit nicht in Bestform sei, bestreitet sein Trainer Jürgen Klopp. Zwar hatte auch er Hummels jüngst im Bundesliga-Spiel bei Eintracht Frankfurt (2:1) zur Halbzeit ausgewechselt, und zwar mit einer formal ähnlichen Begründung, wie sie auch Löw ins Feld führte; der 24-Jährige habe derzeit nicht die "letzte Sicherheit". Aber abgesehen von diesen schwachen 45 Minuten präsentiere sich Hummels beim BVB in der noch jungen Saison jedoch in sehr guter Form.

Als der Bundestrainer zuletzt die Frage verneinte, ob Hummels ein "Führungsspieler" bei ihm sei, war das Wasser auf die Mühlen aller Verschwörungs-Theoretiker. Löw hatte sinngemäß gesagt, dass Hummels zwar beim BVB ein Führungsspieler sei, nicht aber in der Nationalmannschaft: "Da sind das andere. Mats Hummels ist ja auch noch nicht so lange dabei", meinte Löw. Sollte aber wohl heißen: Hummels stellt zwar den Anspruch, ein Führungsspieler zu sein - aber bei uns führe nur ich, und wenn noch jemand anderes, dann am ehesten Phillip Lahm, der Kapitän, oder der Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger oder auch der Real-Profi Sami Khedira.

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Hummels' offensive Art des Auftretens ist beim DFB durchaus umstritten, auch das offensive, gestaltende Element im Repertoire von Dortmunds Defensiv-Boss hat Löw oft kritisiert. Löw passen dessen lange Pässe eher weniger ins Konzept. Und wer Hummels kennt, weiß, dass er widersprochen haben dürfte. Und Joachim Löw hat das wohl nicht vergessen.

Mats Hummels personifiziert zugleich das System Klopp wie kein anderer BVB-Profi. Dass Jürgen Klopp, der Ambitionen auf den Bundestrainer-Posten jüngst dementierte, bei vielen Fußball-Fans dennoch als Löws legitimer Nachfolger gehandelt wird - eine solche Einschätzung von der Tribüne dürfte dem sehr selbstbewussten Hummels nicht unbedingt gut tun, wenn es um Löws Gunst geht. So zumindest erklären sich manche in Dortmund die Degradierung des heimlichen Borussen-Kapitäns. "Wenn man Spieler stärken will", sagt Hans-Joachim Watzke, "muss man ihnen Zuspruch geben und auch mal ein schwaches Spiel zugestehen. So halten wir das beim BVB."

© SZ vom 14.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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