Bundestrainer Joachim Löw:Löw und seine Weltmeister - das passt

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Joachim Löw und Ilkay Gündogan - auch dieses Gespann hat Zukunft. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Start in die WM-Quali zeigt, dass Einwände gegen Löws Arbeit sich zwangsläufig im Kleinlichen verlieren. Die DFB-Elf entwickelt sich prächtig.

Kommentar von Philipp Selldorf

In der vorigen Woche erhielt die deutsche Fußballgemeinde Gelegenheit, über einen Vorfall bei der deutschen Nationalmannschaft nachzudenken. Der Vorfall bestand darin, dass der Bundestrainer seine Leute erst am frühen Mittwochnachmittag im Hotel an der Alster empfing, obwohl er sie bereits einen vollen Tag früher um sich hätte versammeln können. Die Vereine hatten die Profis ordnungsgemäß freigegeben, doch Joachim Löw verzichtete - offenbar vorsätzlich - auf 24 gemeinsame Stunden mit seinem Team, auf mindestens drei gemeinsame Mahlzeiten, mindestens ein gemeinsames Training und mindestens eine gemeinsame Gute-Nacht-Geschichte. Stattdessen gab Löw allen einen Tag Urlaub.

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Die Fußballgemeinde konnte nun also darüber diskutieren, ob Löw damit seine Amtspflichten verletzt hatte. Beklagt er denn nicht ständig, dass er die Spieler so selten sieht und so selten Zeit bekommt, mit ihnen die sogenannten Automatismen zu trainieren? Handelte es sich womöglich um den Ausdruck von Überheblichkeit? Lagen Selbstzufriedenheit und Faulheit der Sonderfreizeit zugrunde? Und wäre das nicht ein Thema für "Hart, aber fair" und die Elefantenrunde der Volksparteien?

Die Intensität der öffentlichen Debatte hielt sich dann aber in Grenzen. In Hamburg hat hier und da ein Reporter nachgefragt, und so kam heraus, dass Löw der Bitte seiner Spieler entsprochen hatte. "Er hat uns einen Riesengefallen getan", hat Sami Khedira verraten und darauf verwiesen, dass die Mannschaft diesen Gefallen mit besonders guter Trainingsarbeit erwidert habe. Am Samstag ließ sie ein Länderspiel folgen, das bloß minimalen Raum für strittige Diskussionen ließ.

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Löw und seine Weltmeister - neun Elftel der üblichen Startelf waren schon in Brasilien dabei - machen den Kritikern das Leben schwer. Was sollte man ihnen vorwerfen? Dass sie ohne Rücksicht auf die Gefühle der Gegner ihre Überlegenheit zum Ausdruck bringen? Einwände gegen Löws Arbeit verlieren sich zwangsläufig im Kleinlichen. Seine Strategien funktionieren; seine Personalwahl ist plausibel; dass er bloß mit Routine den Reichtum verwaltet, gibt er nicht zu erkennen.

Jenseits des aktuellen Geschehens stellt sich die Frage, ob das Nationalteam genügend Vorsorge trifft für jene Tage, an denen bessere Gegner als Norweger und Tschechen kommen. Erst bei der WM 2018 wird man wissen, ob manches nur schöner Schein war. Und womöglich wird auch erst dann Klarheit darüber herrschen, ob es die richtige Idee ist, den Vertrag mit Löw um weitere zwei Jahre zu verlängern. Abgeneigt scheint er nicht zu sein, und seine Spieler begrüßen den Gedanken - und nicht nur deshalb, weil er Verständnis für ihre Freizeitwünsche hat.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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