Bundesliga:Schalke steht kurz vor dem großen Crash

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Zwei von vielen Schalker Problemen: die Stürmer Klaas-Jan Huntelaar (l) und Franco di Santo. (Foto: dpa)
  • Vor dem 170. Derby gegen Borussia Dortmund (ab 15.30 Uhr im SZ-Liveticker) steht bei Schalke 04 Trainer André Breitenreiter in der Kritik.
  • Seine Mannschaft wirkt in vielen Spielen nicht stabil genug, das liegt auch daran, dass die erfahrenen Akteure schwächeln.
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Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

André Breitenreiter wählte einen vielsagenden Vergleich, als er jetzt im kicker über den Stand seines Verhältnisses zu Schalke 04 sprach. Der Trainer verglich das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber mit einer Beziehung zwischen Mann und Frau: "Da ist anfangs auch oft alles toll, und es herrscht Euphorie - dann kommt der Alltag."

Breitenreiter wird in Gelsenkirchen oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er dazu neige, die Situation zu beschönigen oder, wenn dies nicht mehr gelingen kann, zu seinen persönlichen Gunsten zu interpretieren. Laut Bild ist er der Mann, "bei dem immer nur die anderen schuld sind". Aus der von Breitenreiter gewählten Beziehungs-Analogie geht nun aber immerhin hervor, dass er seine Verantwortung anerkennt. Es gehören ja im Allgemeinen zwei dazu, um eine Ehe am Alltag scheitern zu lassen.

Das Wort Scheitern kommt bei Breitenreiter allerdings nicht vor. Nach wie vor befinde er sich mit Schalke in einem Liebesverhältnis, sagte er. Diese Mitteilung klang aber nicht nach Offenbarung und Leidenschaft, sondern nach Pflichtschuldigkeit. Was man so sagt, wenn man den großen Crash vor sich herschiebt.

Die Stabilität des Schalker Teams hat merklich nachgelassen

Breitenreiter und Schalke befinden sich nun an einem Punkt, an dem es nicht mehr viel Platz gibt, um den harten Tatsachen aus dem Weg zu gehen. Am Sonntag kommt zum 170. Derby Borussia Dortmund in die Schalker Arena (ab 15.30 Uhr im SZ-Liveticker). Für Breitenreiter ist dieses Spiel der Start in ein Unheil verheißendes Triple: Auf Dortmund folgen die Gegner Bayern München und Bayer Leverkusen.

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Ungute Ahnungen drängen sich auf, da hinter den Schalkern bereits ein unheilvolles Triple liegt: Beim 0:2 in Berlin und beim 0:3 in Ingolstadt und auch beim 2:1-Sieg gegen Mönchengladbach, dem wahrscheinlich größten Dusel-Sieg in den bald 112 Jahren Vereinsgeschichte, entstand der Eindruck, dass die Stabilität der Mannschaft stetig ein Stück nachlässt.

Eine Erklärung dafür lautet, dass der Kern der Mannschaft - Goretzka, Geis, Meyer, Höjbjerg, Schöpf, Sané - noch etwas grün hinter den Ohren ist. Die andere Erklärung lautet, dass die wenigen Routiniers im Team ihren jungen Mitspielern keine Sicherheit vermitteln können. In Ingolstadt trugen die Verteidiger Dennis Aogo, 28, und Roman Neustädter, 27, mehr oder weniger aktiv zu den Gegentoren bei. Den Angreifer Klaas-Jan Huntelaar, 32, traf hingegen in diesem Fall keine Schuld, denn er betrat das Spielfeld erst, als die Partie schon verloren war. Breitenreiter verschaffte ihm lediglich noch etwas Auslauf.

Die Transformation des international geachteten Torjägers und Spitzenspielers Huntelaar zur Reservekraft hat sich schleichend, aber unaufhaltsam vollzogen. In Schalke gehörte er im Laufe der Saison zwar vorwiegend zum Stammpersonal, aber auch als Mitwirkender geriet er immer weiter an den Rand des Geschehens, teils bis hin zur Unkenntlichkeit. Der Verdacht drängte sich auf, dass die schrecklichste und schlimmste aller menschlichen Eigenheiten nun auch ihn ereilt hätte: Oft sah es so aus, als sei Huntelaar plötzlich alt geworden.

Der Schnellste war er noch nie, im Sprintduell mit den Verteidigern gab er schon häufig eine traurige Erscheinung ab, aber nun scheint er noch ein entscheidendes Stück langsamer geworden zu sein. Jetzt ist er im Strafraum selbst jenen Schritt nicht mehr voraus, den ihm all die Jahre sein gottgegebener Torjägerinstinkt gewährt hatte.

Vor dem Verlust seines Stammplatzes schützte ihn vor allem die Tatsache, dass sich sein mutmaßlicher Stellvertreter Franco di Santo, 27, nicht als Alternative zu empfehlen vermochte. Wenn man in Schalke eine Wahl veranstalten würde, welcher Angreifer die größere Enttäuschung sei - Huntelaar oder di Santo -, dann wäre das ein wirklich spannendes Rennen.

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Zuletzt hatte Breitenreiter den niederländischen Torjäger zweimal auf die Bank gesetzt. Diese Entscheidung war nicht mutig oder umstritten, sie erfolgte zwangsläufig. Der Bondscoach Danny Blind hat sich an seinem Schalker Kollegen ein Beispiel genommen, Huntelaar erwägt nun offenbar den Rücktritt aus der Nationalelf.

Seinen Wertverlust im Verein beließ er hingegen unkommentiert, es gab kein Aufbegehren. Fast passiv nahm er die Degradierung hin. Ohnehin hat man wenig von ihm gehört in diesen Monaten, obwohl Huntelaar eigentlich ein mitteilsamer und offener Mensch ist. Aus dem öffentlichen Diskurs hat sich der stellvertretende Kapitän weitgehend verabschiedet.

Geht der Stürmer zurück zu Ajax Amsterdam?

Die Frage ist, ob der Mittelstürmer womöglich noch früher aus Gelsenkirchen verschwindet als der Trainer Breitenreiter. Seit sechs Jahren trägt er königsblau, in 152 Bundesligaspielen schoss er 76 Tore, längst hat er seinen Platz in der Schalker Heldengalerie. Nun könnte es passieren, dass er unauffällig und still zu den Ursprüngen zurückkehrt, wo 2008 seine Wanderschaft durch die Ligen begann: von Real Madrid über AC Mailand zu Schalke 04.

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Ajax Amsterdam möchte ihn wieder aufnehmen, Trainer Ronald Koeman hatte schon im Winter um Huntelaar geworben, damals sagte Schalke nein. Im Sommer könnte das anders sein, manches spricht für eine Trennung, aber auf den amtlichen Beschluss werden die Beteiligten noch etwas warten müssen - entscheiden wird nicht mehr der Manager Horst Heldt, sondern dessen Nachfolger Christian Heidel, der aber noch ausreichend mit den Amtsgeschäften in Mainz zu tun hat. Ajax kann Huntelaar zwar nicht die Gage bezahlen, die er in Schalke bekommt, aber dafür ließe sich eine Lösung finden.

Dass Huntelaar das Toreschießen nicht verlernt hat, das hat er am 8. November vorigen Jahres bewiesen: Bei Schalkes 2:3-Niederlage in Dortmund schoss er beide Tore. Das ist ja das Schöne am Mittelstürmerdasein: Mitten im vermeintlich ewigen Alltag ist plötzlich Platz für die größte Begeisterung. Am Sonntag gegen den BVB wird er wieder zurück im Dienst erwartet.

© SZ vom 10.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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