Bundesliga-Relegation:Zwischen Jagdszenen und geplatzten Träumen

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Nach dem Abpfiff stürmen Braunschweiger Fans den Platz. (Foto: dpa)
  • Der VfL Wolfsburg gewinnt auch im Relegations-Rückspiel gegen Braunschweig und bleibt in der Bundesliga.
  • Ein Platzsturm der Braunschweiger Fans überschattet den Abend.

Von Carsten Scheele, Braunschweig

Als der Schlusspfiff ertönt, beginnen die Wolfsburger Spieler zu rennen. Runter vom Platz, rein in den Kabinengang, bevor sie der Mob zu fassen kriegt. Einige Hundert Braunschweiger Chaoten veranstalten einen Platzsturm, sie klettern über Zäune, manche von ihnen vermummt, machen Jagd auf Wolfsburger Angestellte. Interviewtafeln der Fernsehsender werden umgetreten, Feuerwerk fliegt in Richtung der Polizisten. Wilde Szenen, die keiner sehen will, bei denen zum Glück niemand verletzt wird.

Für den Zweitligisten Eintracht Braunschweig ist es das doppelt bittere Ende der Relegationsspiele zur Fußball-Bundesliga. Zum einen, weil die Serie der Erstligisten bestand hält, der Zweitliga-Dritte zum fünften Mal seit 2013 in der Extrarunde nicht aufsteigen kann. Zum anderen, weil die eigenen Fans ihren Frust ungefiltert rauslassen und das positive Bild des Vereins beschmutzen.

"Ein Traum ist geplatzt"

Zweimal 0:1, so lautet die niederschmetternde Bilanz aus den Duellen mit dem viel reicheren und zuletzt viel erfolgreicheren Nachbarn aus Wolfsburg. Kritiker werden sich bestätigt fühlen, dass die Relegation in dieser Form dem Fußball nicht gerade dient. Da spielt der Erstligist eine schauerliche Saison, der Zweitligist eine herausragende - und am Ende jubelt doch wieder der ranghöhere Verein, weil er in zwei Spielen voller Dramatik den kühleren Kopf bewahrt. "Ein Traum ist geplatzt", konstatierte Braunschweigs betrübter Trainer Torsten Lieberknecht.

Es waren zwei fußballerisch eher arme, aber hitzige Duelle beider Vereine, die im Osten Niedersachsens gerade einmal 40 Kilometer trennen. Die Wolfsburger, die vor der Saison nicht im Ansatz daran gedacht hatten, in dieser Situation zu landen, waren ernstlich in Schwierigkeiten geraten. Nicht nur beim glücklichen Hinspielerfolg vor eigenem Publikum am Donnerstag, als ein geschenkter Handelfmeter den 1:0-Sieg ermöglichte. Auch im Rückspiel brachten die Braunschweiger den Favoriten zum Wanken.

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In den ersten 25 Minuten regierte bei Wolfsburg die pure Angst, wie die Spieler hinterher zugaben. Bei mehr als 30 Grad, die zum Anpfiff noch herrschten, erspielte sich der Zweitligist drei dicke Gelegenheiten, durch Christoffer Nyman (13.), Gustav Valsvik (25.) und später auch Ken Reichel (41.), der Rückstand aus dem Hinspiel wäre leicht egalisiert gewesen. Eine "überragende erste Halbzeit", hatte Kapitän Reichel gesehen, "wir hätten in Führung gehen können". Nein, eigentlich sogar: müssen.

In der zweiten Halbzeit dann die ersten unschönen Szenen der Fans; aus dem berüchtigten Block 9 flogen Knallkörper, wobei ein Ordner verletzt wurde und im Krankenwagen behandelt werden musste. Die übrige Kurve geißelte die Chaoten mit "Ihr seid so blöd"-Rufen. Als "unglaubliche Sauerei" bezeichnete Braunschweigs Präsident Sebastian Ebel die Vorfälle. "Das ist so was von bescheuert", der Böllerwurf auf den Ordner habe im Spiel "zu einem Bruch geführt". In der Tat: Mitten in die Hektik fiel das überraschende 0:1, nach feinem Solo von Yunus Malli, dessen Ball abgeblockt wurde, nahm Vierinha das Spielgerät auf und verwandelte wunderschön aus 15 Metern (49.).

Braunschweig spielte trotzdem weiter nach vorne, versuchte alles, obwohl nun drei eigene Tore nötig gewesen wären. "Gegen eine übermächtige Mannschaft haben wir uns nicht ergeben", sagte Lieberknecht voller Stolz: "Ganz Deutschland hat gesehen, welch fantastischer Klub wir sind."

Er hätte noch länger über seine aufopferungsvoll fightende Mannschaft sprechen können, die durch den Platzverweis gegen Maximilian Sauer (Gelb-Rot, 82.) auch noch dezimiert wurde, wären da nicht die Szenen auf den Rängen gewesen. Weite Teile der Fankurve überzogen Wolfsburgs Mario Gomez quasi über 90 Minuten mit Schmähgesängen, mit dem Platzsturm sorgten sie schließlich für das abrupte Ende des Relegationsabends. "Die Leute waren sehr emotionalisiert", versuchte Lieberknecht eine Entschuldigung. Er arbeitet seit 2008 in Braunschweig, weiß um die Stärken und Probleme des Vereins, stellte dann aber klar, dass so etwas "zum Fußball einfach nicht dazugehört".

Noch auf der Pressekonferenz verschwendete Lieberknecht, dem immer wieder Angebote aus der Bundesliga vorliegen, erste Gedanken an die neue Saison. Er wird dem Verein wohl erhalten bleiben und einen neuen Anlauf in Richtung erste Bundesliga nehmen. "Wenn einer wieder aufstehen kann, dann wir", rief er seinen enttäuschten Spielern zu. Am besten, es klappt dann mit dem direkten Aufstieg, ohne Relegation. Und vielleicht sind bis dahin auch die eigenen Fans erstligareif.

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