Bundesliga-Relegation:Vieirinha verhindert Wolfsburgs Desaster

Eintracht Braunschweig - VfL Wolfsburg

Wolfsburgs Vieirinha feiert seinen Treffer zum 0:1 mit Mannschaftskollege Philipp Wollscheid.

(Foto: dpa)

Braunschweig hat Chancen, Wolfsburg macht das Tor: Im Rückspiel der Relegation quält sich der VfL zu einem 1:0 und schafft den Klassenerhalt. Einige Fans benehmen sich daneben - Wolfsburgs Trainer Jonker behält seinen Job.

Von Javier Cáceres , Braunschweig

Ein fabulöses Tor des portugiesischen Europameisters Vieirinha (49.) hat den VfL Wolfsburg vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit bewahrt. Im Rückspiel der Relegation bei der tapfer kämpfenden Braunschweiger Eintracht erzielte der VfL am Montagabend einen 1:0-Sieg (0:0), der den umstrittenen 1:0-Hinspielerfolg vom Donnerstag in Gold ummünzte. Der VfL kann damit in wenigen Wochen seine nun schon 20 Jahre währende, ununterbrochene Erstligazugehörigkeit feiern, ohne komplett rot zu werden.

Wobei Wolfsburgs Trainer Andries Jonker, der nach der Partie seinen Verbleib beim VfL vermeldete, kaum in Feierlaune war: "Ich bin froh und erleichtert. Ich verstehe auch die Erleichterung bei Spielern und Fans", sagte er, "aber das war das absolute Minimum, was wir erreichen mussten. Ich sehe keinen Grund zum Feiern."

Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass die Wolfsburger bis zum Tor Vieirinhas von Glück reden konnten, dass die Braunschweiger sich in den ersten 45 Minuten vor dem gegnerischen Tor als völlig ineffektiv erwiesen hatten. Gleichwohl steht dem VfL nach einer desaströsen Saison ein Umbruch bevor, der eine Reihe von bisherigen Stammkräften aus der Stadt spülen dürfte - unter ihnen womöglich auch der umjubelte Vieirinha, dessen Treffer die Partie ein Stück weit auf den Kopf stellte.

Die Braunschweiger hatten nämlich in der ersten Hälfte die besseren Chancen gehabt. Sie hatten von Beginn an versucht, die elektrisierende Stimmung auf den Rängen des Stadions an der Hamburger Straße in Leidenschaft, Härte und Wagemut auf den Platz zu übertragen. Mit einigem Erfolg. Sie legten eine deutlich offensivere Mentalität und größere Kombinationsfreude an den Tag als noch am Donnerstag - und kamen auch zur ersten guten Chance einer weitgehend umkämpften wie unstrukturierten Begegnung voller erbitterter Zweikämpfe und Fehlpässen.

Es geschah, als es den Braunschweigern gelang, drei Pässe aneinanderzureihen. Salim Khelifi setzte sich auf der rechten Außenbahn durch und steckte den Ball auf Maximilian Sauer durch, der den schwedischen Angreifer Christoffer Nyman bediente. Dessen Schuss aus sieben Metern parierte Wolfsburgs belgischer Tormann Koen Casteels mit einem Reflex.

Wolfsburg wiederum tat sich schwer, dem Braunschweiger Gesang an den rüden Arbeiterethos Fußball entgegenzusetzen. Der VfL setzte vor allem auf lange Bälle auf Mario Gomez, mit fatalen Folgen für den Spielaufbau. Yunus Malli und Daniel Didavi, die potenziellen Spielmacher der Werkself, waren nahezu inexistent. Es dauerte bis zur 34. Minute, ehe sich die Wolfsburger eine nennenswerte Torgelegenheit erspielen konnten, dank Vieirinha, der da noch nicht wusste, dass er zum Hauptdarsteller des Abends werden würde.

Der Portugiese hatte erspäht, dass Yannick Gerhardt sich in den Rücken der Braunschweiger Abwehr schlich und bediente ihn mit einem feinen Außenristpass. Gerhardt aber scheiterte aus kurzer Distanz an Torwart Jasmin Fejzic. Kurz vor der Halbzeit hatte dann Braunschweig eine weitere Großchance, der sie noch einige Jahre hinterhertrauern werden: Ken Reichel erhielt auf der linken Seite einen Pass von Stürmer Nyman, konnte sich vor Casteels positionieren - schoss aber unkonzentriert über das Tor. "Wir sind auch an der eigenen Chancenverwertung gescheitert", sagte Trainer Torsten Lieberknecht später, "aber ich bin irgendwie auch stolz."

Die Stimmung kippt, Bengalos zünden

Unmittelbar nach der Pause kippte die Stimmung im Braunschweiger Stadion: Erst durch die Ultras in Block 7, die bengalische Feuer und Knallkörper zündeten und dabei offenbar einen Ordner verletzten, sie ernteten dafür gellende Pfiffe und Schmährufe des überwiegenden Teils der 23 000 Zuschauer im ausverkauften Stadion. Dann vor allem durch Vieirinha.

Malli erhielt im Strafraum den Ball und bewahrte kühlen Kopf. Er tänzelte drei Wolfsburger Verteidiger aus, hatte bei seinem Schuss das Pech, dass Torwart Fejzic noch den Fuß an den Ball bekam. Der Abpraller landete vor den Füßen Vieirinhas, der ihn ohne zu Zögern aus 15 Metern von rechts quer in den linken Winkel schoss. Was folgte, waren Jubelstürme, die man in dieser Emotionalität kaum für möglich gehalten hätte: Die gesamte Bank sprang auf und rannte den elf Wolfsburgern hinterher, die über die Werbebande sprangen, um mit den 2300 Wolfsburger Fans zu feiern.

Derweil sackten die Braunschweiger fast in sich zusammen. Sie wussten, dass dieser Treffer ein Genickschlag war. Sie hätten nun drei Tore erzielen müssen, um den Nachbarn aus dem 25 Kilometer entfernten Wolfsburg den Abend zu verderben. Sie versuchten auch, zumindest den Anschein zu erwecken, dass sie an das Unmögliche noch glauben. Sie kämpften, liefen, doch ohne Erfolg. Stattdessen mussten sie der enormen physischen Anstrengung der ersten Hälfte Tribut zollen. Sie verloren auch noch Maximilian Sauer durch eine gelb-rote Karte (82.). Doch da stand längst die Nachricht des Abends fest: Wolfsburg bleibt erstklassig. Sie mussten noch flüchten, als Braunschweiger Ultras den Platz stürmten, Polizisten mit Pyroraketen beschossen. Und für ein weiteres überflüssiges Kapitel des Abends sorgten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: