Bundesliga: Hamburg gegen Leverkusen:Die Frauen halten Kontakt

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Nach dem Zerwürfnis im Sommer trifft HSV-Trainer Bruno Labbadia nun im Topspiel auf seinen alten Klub Leverkusen - aus der Trennung haben beide Seiten gelernt.

Andreas Burkert

Die Frauen halten Kontakt, erzählt Wolfgang Holzhäuser, "da sind die Tage ein paar SMS hin- und hergegangen". Frau Holzhäuser und Frau Labbadia verstehen sich demnach weiterhin, überhaupt wird es wohl ein großes Hallo geben an diesem Samstagabend in Hamburg. Ein besonderes Spiel sei das natürlich, sagt der Leverkusener Klubgeschäftsführer Holzhäuser, sein Verein trifft im Topspiel der Liga ja nicht nur auf den punktgleichen HSV. Sondern auch auf Frau Labbadias Gatten.

Traf zuvor in Leverkusen wunde Punkte: HSV-Trainer Bruno Labbadia. (Foto: Foto: dpa)

Ungeschminkte Regierungserklärung

Bruno Labbadia, 43, ist im Sommer gewechselt, bei Bayer ging es nicht mehr. "Aber es ist schön, dass wir uns als gemeinsame Tabellenführer wiedersehen", sagt Holzhäuser. Er hört sich nicht an, als heuchele er. Trotzdem, Labbadia und Leverkusen, das ist eine ungewöhnliche Trennung gewesen im Juni. Mit seinem neuen Trainer war Bayer zunächst Tabellenführer, nach dem 13. Spieltag. Es folgte ein sportlicher Niedergang. "Der Knackpunkt", findet Holzhäuser, sei ein unglückliches 1:2 daheim gewesen. 21.Spieltag. Gegen den HSV. Das Pokalfinale sollte die Bilanz retten, doch den Cup holte Bremen (1:0). Zum Berliner Finaltag hatte Labbadia zudem ein explosives Interview (SZ 30.5.) gegeben. Der Coach, nach Rang neun in der Kritik und "nach vielen internen Gesprächen" zermürbt, verstand es als ungeschminkte Regierungserklärung, weshalb er und der junge Kader die Ziele verpasst hatten.

Der Klub verstand es allerdings als Affront, als Ungeheuerlichkeit. "Über die Inhalte kann man streiten", sagt Holzhäuser heute: "Aber so etwas offen zu sagen vor dem Endspiel, war unglücklich."

Bruno Labbadia hat Gespräche zu diesem Thema lange abgeblockt. Er braucht keine Schlagzeilen. Und er ist jetzt beim HSV. Den Hamburgern ist er dankbar, dass sie sich nur kurzzeitig irritieren ließen von dem Tabubruch, den seine veröffentlichte Meinung zu mutmaßlichen Missständen fraglos darstellte für eine Hochglanzbranche, die sich Fundamentalkritik meist grundsätzlich verbietet. Von einer "Komfortzone", in der sich Spieler und auch der Werksklub eingerichtet hätten, hatte Labbadia gewagt zu reden. Er traf damit in Leverkusen wunde Punkte, einen wahren Kern. Mancher war sogar dankbar für die Analyse des ehrgeizigen Trainers. Etwa Werner Wenning, der Vorstand des Sponsors. Er lud Labbadia in die Konzernzentrale ein. "Er hat sich sehr um mich bemüht", berichtet Labbadia.

Er spricht ganz ruhig

Doch die Stimmung bei Bayer prägte eben doch mehr die Kritik aus der Mannschaft und dem Verein. Zumal Labbadia, gesteuert von seinem Medienberater, den Abschied doch nur forciert habe, hieß es. "Dabei war das kein Kalkül", sagt Labbadia fast fünf Monate später. "Und mich kann auch niemand fernsteuern, nullkommanull, totaler Quatsch!" Das Interview hat er selbst autorisiert.

Das Thema ist durch, "auch bei uns", betont Holzhäuser. Und die Frage ist nun, was bei beiden zurückgeblieben ist von diesem erstaunlichen Vorgang. Holzhäuser sagt amüsiert: "Wir haben ja unsere Komfortzone mit dem neuen Stadion eher ausgebaut - und sind Erster!" Er lacht. Labbadia sagt, er verlange doch auch von seinen Spielern, "dass sie sich weiterentwickeln und permanent hinterfragen - und das will ich selbst auch". Er spricht ganz ruhig. Der Eindruck ist: Fehler gibt niemand gerne zu. Aber beide Seiten versuchen, aus ihnen zu lernen.

"Vielleicht war die Erwartungshaltung an die junge Mannschaft zu hoch", sagt Bruno Labbadia im Rückblick. Leverkusen lockte ja auch deshalb Sami Hyypiä, 36, aus Liverpool, der Finne hält bisher die Abwehr zusammen. Und der weit gereiste Trainer Jupp Heynckes, findet Holzhäuser, treffe "bis jetzt immer den richtigen Ton". Michael Reschke, der bisherige Sportchef, mit dem Labbadia schwer über Kreuz lag, wurde derweil aus der Öffentlichkeit entfernt; er sei für "die langfristige Kaderplanung zuständig, ab der B-Jugend aufwärts".

Die Stadt hat er rasch erobert

Und Labbadia? Fordere zu viel im Training, hatten Bayer-Profis gemault, als die Erfolge ausblieben. Eine ermüdende Willensschulung; auch habe er zu oft mit derselben Elf gespielt. Nun, in Hamburg, lässt Labbadia ebenfalls ausdauernd trainieren. Doch vermutlich sind die Spieler dort eher daran gewöhnt, weil es Vorgänger Martin Jol ähnlich hielt. Labbadia rotiert und probiert, wenn es geht. Auch wenn dann mal ein Heimspiel in der Europa League verloren geht wie gegen Randers FC (0:1).

Die HSV-Spieler schätzen offenbar "den Plan", den der Trainer habe, "und das abwechslungsreiche Training", wie Zé Roberto versichert. Und auch die Stadt hat der Neue rasch erobert. Als zweitklassige Lösung wurde Labbadia ja nach seiner Verpflichtung (bis 2012) in den Leserbriefspalten verwünscht. Doch jetzt sieht das Publikum, welchen Stilwandel der HSV in kurzer Zeit hinbekommen hat: Kein Betonfußball mehr wie unter Huub Stevens; auch Jol tendierte im Zweifel zur Sicherheit.

Beide Seiten sind vorangekommen, so sieht es aus, Labbadia und auch die oftmals selbstlos offensiven Leverkusener, denen Heynckes etwas Ökonomie verordnet hat. "Aber der Bruno hat hier auf jeden Fall seine Spuren hinterlassen", sagt Holzhäuser. Spuren, auf denen man fortfahre. Holzhäuser sagt dann noch, er sei "davon überzeugt, dass Bruno nicht nur ein richtig guter Trainer ist - sondern dass er sogar ein richtig großer Trainer werden kann. Und das meine ich ernst". Etwas Glück benötige er. "Und vielleicht etwas mehr Flexibilität in der Durchsetzung seiner Vorstellungen."

"Für den nächsten Schritt"

Zwei Sturköpfe sehen sich da also wieder. Der bisweilen verbeamtet anmutende Werksklub, der die Dinge eben immer so gemacht hat wie vor Labbadia. Und der einstige Heißsporn und Strafraum-Egoist, bei dem es "auch künftig keinen doppelten Boden geben" werde, wie er betont. Probleme, sagt der frühere Stürmer Labbadia, die gehörten "immer auf den Tisch". Für die Zukunft wünsche er jedoch allen eine erfreuliche Kontinuität, Bayer04, dem HSV und auch sich selbst: "Für den nächsten Schritt."

Am Samstag könnte das schwer werden, einer verliert ja vielleicht. Doch auf dieses Spiel, sagt Labbadia, "da freue ich mich riesig".

© SZ vom 17.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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