Bundesliga: FC Bayern - Gladbach:Wut gegen Hoeneß

Lesezeit: 3 min

Der Sprung auf Tabellenplatz drei kann den nächsten großen Ärger beim FC Bayern nicht verdecken: Die Fans in der Südkurve kritisieren Präsident Uli Hoeneß scharf - wegen dessen Hilfe für den Lokalrivalen 1860.

Carsten Eberts, Fröttmaning

Es wurde viel gebastelt in München. Tagelang, womöglich nächtelang, mit viel Bedarf aus dem Bastelladen oder gleich aus dem Großhandel, wo der Meter Stoff deutlich billiger ist. Die Bayern-Fans in der Südkurve hatten sich für den Samstagnachmittag ein beachtliches Repertoire erarbeitet, konnten gegen Borussia Mönchengladbach alle 10 bis 15 Minuten ein neues Spruchband auspacken.

FC Bayern: Einzelkritik
:Münchner Stehparty

Lahm ist beim 1:0 gegen Gladbach auf Abschiedstournee, Robben hat Motivationsprobleme, Kroos ist unauffindbar - und Gomez darf einfach nicht mehr für die Nationalmannschaft auflaufen. Die Bayern in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Fröttmaning

Ihr Grund zum Ärgernis: die Rettungsversuche für den Lokalrivalen 1860 München und dabei die Rolle von Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Der hatte den Sechzigern wiederholt unter die Arme gegriffen, Mietzahlungen für die Arena gestundet, sogar an Krisengesprächen mit der 1860-Führung und Politikern teilgenommen. Das haben ihm die Fans in der Südkurve krumm genommen - sehr krumm sogar.

"Blaue Schweine schlachtet man und rettet sie nicht. Du willst Metzger sein, Uli?", war noch eine der netteren Zeilen, die Hoeneß lesen musste. Weniger nett: "Wer den Blauen Millionen zuschiebt, hat unser Vertrauen nicht verdient." Zu guter Letzt: "Zum x-ten Mal werden wir verarscht. Hoeneß, du Lügner." Noch nie wurde der Präsident in der eigenen Arena derart offen angegangen.

Hoeneß müssen diese Worte getroffen haben. Versteinert saß er auf der Tribüne, jubelte auch beim Siegtor von Arjen Robben verhalten. Er hat es sich nicht leicht gemacht mit der Hilfe für die klammen Sechziger, musste abwägen zwischen der enormen Rivalität beider Vereine und der Verantwortung, die der FC Bayern irgendwie auch für den Standort München hat. Er entschied sich fürs Helfen - zum großen Unverständnis der Südkurve. Was Hoeneß zu den Plakaten zu sagen hatte, blieb am Samstagnachmittag unbeantwortet. Er schwieg, zeigte sich nicht, nahm lieber den Hinterausgang, verschwand unerkannt. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge tat es ihm gleich.

Kurz nach dem Spiel schwieg auch Sportdirektor Christian Nerlinger. Später diktierte er jedoch der Bild am Sonntag: "Eine Schande für den FC Bayern, wie sich Teile der Fans verhalten haben gegen einen Mann, der in den letzten 30 Jahren nichts anderes im Kopf und im Herzen gehabt hat als den FC Bayern. Diese Schärfe ist absolut unangebracht."

In den nächsten Tagen jedoch werden sich auch Hoeneß und Rummenigge äußern. Werden auch sie die Schärfe erwidern? Auf den Klub kommt die nächste Belastungsprobe zu.

Uli Hoeneß unter Beschuss: Dass der Bayern-Präsident dem Lokalrivalen TSV 1860 wiederholt unter die Arme gegriffen hat, nehmen ihm die eigenen Fans krumm. (Foto: ag.ddp)

Die Plakate in der Südkurve waren das beherrschende Thema, was bereits einiges darüber aussagt, welch mäßiges Spiel die Bayern zuvor geboten hatten. Gewiss, sie haben 1:0 gewonnen, rangieren dank der Hannoveraner Niederlage in Dortmund erstmals seit dem 23. Spieltag wieder auf Platz drei. Doch die Partie zwischen den Bayern (die nicht besser wollten) und den Gladbachern (die nicht besser konnten) wurde schnell zu einer der schlechtesten des Fußballjahres gekürt.

Das Erfrischendste war noch, dass niemand versuchte, die Partie schönzureden. "Das Spiel war nicht berauschend, aber in unserer Situation zählen nur drei Punkte", sagte Kapitän Philipp Lahm. "Einige waren heute einfach nicht gut genug", fand auch Arjen Robben, "das kann man ruhig einmal sagen".

Mario Gomez fasste den Arbeitstag schließlich treffend zusammen: "Wichtig war, jetzt Hannover mal zu überholen. Es sind noch sechs Spiele. Jetzt können wir Platz drei aus eigener Kraft schaffen."

Den Weg auf Platz drei ebnete ausgerechnet Robben. Der Niederländer hatte in den Tagen zuvor mit einem Vereinswechsel kokettiert, da er keine Lust auf die Europa League verspürt. Mit dem einzigen gelungenen Doppelpass des Spiels, den sich Robben nach 77 Minuten mit dem ebenfalls schwachen Franzosen Franck Ribéry lieferte, hievte er die Bayern jedoch quasi im Alleingang auf den Qualifikationsrang zur Champions League.

Der Widerstand der Gladbacher war damit gebrochen - und auch Robbens Laune hellte sich auf. Nach dem Spiel rang er sich sogar ein vorsichtiges Treuebekenntnis ab. Auf die Frage, ob er denn nun bei Bayern bleibe, sagte Robben: "Ja, ich denke schon." Für einen derart tristen Fußballnachmittag war das schon ziemlich viel.

Noch deprimierender verlief dieser für die Gladbacher. Der Tabellenletzte hatte die Bayern an einem höchst verwundbaren Tag erwischt, verlor jedoch trotzdem, kommt dem Abstieg immer näher. "Die taktischen Fehler in der zweiten Halbzeit waren sehr teuer", erklärte Trainer Lucien Favre, "doch wir müssen nicht alles negativ sehen. Die Leistung war ordentlich." Aufgeben will Favre gewiss nicht.

Die Gladbacher Fans sind offenbar einen Schritt weiter. In der rappelvollen U-Bahn in Richtung Münchner Innenstadt sangen sie voller Lakonie: "Wir fahren weit, wir zahlen viel und wir verlieren jedes Spiel." Die drolligeren Anhänger hatte an diesem Nachmittag eindeutig Borussia Mönchengladbach.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: