Bundesliga: Deutsche Talente:Generation eins nach Müller

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Beispiel Hoffenheim: Der Verein kauft jetzt junge Deutsche statt Südamerikaner. Weil viele Talente in die Bundesliga drängen, ist das Konzept weit verbreitet - aber ziemlich teuer.

David Binnig

Müller, Badstuber, Schürrle, Gündogan. Sie sind jung, talentiert, deutsch - und sie waren alle schon Objekte der Hoffenheimer Begierde. "Deutsche Talente werden heute mit am höchsten gehandelt in der Welt", sagt Ernst Tanner. Er ist dazu da, sie zu finden und lange zu binden.

Zwei ehemalige Stuttgarter Jugendspieler in Hoffenheim: Sebastian Rudy (l.) und Andreas Beck. (Foto: imago sportfotodienst)

Tanner, Sportdirektor von 1899 Hoffenheim, beschreibt eine neue Entwicklung im Fußballgeschäft: Deutsche Vereine zahlen viel Geld, um sich die größten deutschen Talente möglichst früh zu sichern. Die sind zahlreich - auch im Jahr eins nach der Entdeckung des Thomas Müller. "Doch die Preise sind exorbitant hoch."

In der vergangenen Saison stand jener Müller ganz oben auf der Hoffenheimer Einkaufsliste. Der Transfer kam nicht zustande. Heute können die Badener aus nächster Nähe beobachten, was ihnen da entgangen ist: beim Heimspiel gegen den FC Bayern, der nach 4 Spieltagen halb so viele Punkte auf dem Konto hat wie die TSG.

In neue Regionen vorgedrungen

Hoffenheim hat vor dieser Saison seine Transferpolitik umgestellt. Man setzt wieder mehr auf Deutschland als auf Südamerika. Die Brasilianer Maicosuel und Carlos Eduardo wurden verkauft, Wellington und der Argentinier Franco Zuculini verliehen. Ernst Tanners Begründung: "Wir waren in Deutschland lange sehr weit hinter den Brasilianern, Argentiniern, Spaniern - heute sind die deutschen Talente in diese Regionen vorgedrungen."

Einige davon stehen jetzt sogar an der Tabellenspitze der Bundesliga. André Schürrle etwa. Hoffenheim war an dem Mainzer Stürmer äußerst interessiert. "Er hätte perfekt in unser Konzept gepasst", sagt Ernst Tanner, "wir hätten den Jungen gerne gehabt." Doch Schürrle entschied sich für Bayer Leverkusen. Die kolportierte Ablöse: acht Millionen Euro. André Schürrle ist damit der teuerste 19-Jährige der Bundesliga-Geschichte. Er und sein Mainzer Teamkollege Lewis Holtby verkörpern den neuen deutschen Stil: Sie sind schnell, wendig, technisch und taktisch geschult.

2010 gibt es mehr herausragende deutsche Talente als noch vor einigen Jahren. "Das ist Fakt", sagt Ernst Tanner, der einstige Jugendleiter der Talentschmiede 1860 München. Ob das Peniel Mlapa ist, den er für etwa 1,3 Millionen Euro von 1860 zu 1899 geholt hat - oder Mario Götze, Marco Reus, Patrick Herrmann, Konstantin Rausch. "Technisch sind die deutschen Talente alle super. Sie spielen nicht nur brasilianisch, sie sind auch noch taktisch gut ausgebildet."

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Das Ausbilden von Talenten gehört heute für jeden deutschen Profi-Klub zur Geschäftspolitik. Sie sind verpflichtet, eigene Fußball-Internate zu unterhalten. Seit 2002 gibt es zudem bundesweit 366 Leistungszentren, in denen rund 1000 DFB-Trainer Nachwuchsspielern modernen Fußball vermitteln. "Und das hat sich rentiert", sagt Tanner, "durch die vielen guten Talente profitiert der ganze deutsche Fußball: Die Bundesliga boomt, die Nationalmannschaft wird bestückt, im Ausland werden Begehrlichkeiten geweckt."

Zwei, die den neuen deutschen Stil verkörpern: die beiden 19-jährigen Mainzer André Schürrle (links, in der Defensive) und Lewis Holtby. (Foto: dpa)

In der Saison 2000/2001 wurden 36 deutsche Spieler unter 21 Jahren in der Bundesliga eingesetzt. In der zurückliegenden Spielzeit waren es 76. Die Nachwuchs-Förderung ist zwar teuer - doch sie ist auch Gold wert für die Bundesliga. Was die Transfers von Jérôme Boateng (13,5 Millionen Ablöse), Mesut Özil (18 Millionen) oder Sami Khedira (14 Millionen) zeigen.

Günstig oder nicht?

Hoffenheim zahlte angeblich vier Millionen Euro für den talentierten Sebastian Rudy. Der 20-jährige Mittelfeldspieler kam vom VfB Stuttgart und konnte die Erfahrung von 15 Bundesliga-Spielen vorweisen - fünf davon von Beginn an. Für Ernst Tanner zählen bei Talenten aber andere Maßstäbe: "Ich verweigere mich aktuellen Marktwerten. Für mich ist die Perspektive des Spielers sein wahrer Wert. Wir sehen in Sebastian einen sehr talentierten jungen Mann. Wenn er das bestätigt, dann war er günstig."

Vor zwei Jahren legten die Kraichgauer für einen ähnlich unerfahrenen VfB-Spieler etwa 3,2 Millionen Euro auf den Tisch. Heute ist Andreas Beck 23 Jahre alt, Nationalspieler und trägt die Hoffenheimer Kapitänsbinde. Sein Marktwert hat sich verdoppelt. In dieser Saison könnten Talente wie Sebastian Rudy oder Denis Thomalla der Durchbruch gelingen. Der 18-jährige Thomalla kam im Februar vom Karlsruher SC nach Hoffenheim - und drängte sich in der Vorbereitung auf. Gegen Werder Bremen machte der Stürmer sein erstes Bundesliga-Spiel.

Der Markt für Talente hat sich verschoben. Doch auch wenn die Preise immer höher steigen, gibt es einen, der sich um Ablösesummen keine Gedanken machen muss - und trotzdem von der aktuellen Entwicklung am meisten profitiert: Joachim Löw.

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