Borussia Mönchengladbach:Vernunftehe mit verbesserter Perspektive

Borussia Moenchengladbach v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Gladbachs Trainer André Schubert.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

André Schubert galt bei Gladbach als Übergangstrainer. Nun profitiert er davon, dass er sein altes Image ablegen konnte.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

André Schubert hat einen schönen Aphorismus gefunden. "Früher wollte ich das Maximale, heute das Optimale", hat der 45-jährige Trainer von Borussia Mönchengladbach diesen Sommer gern gesagt, wenn er in Interviews erklären wollte, wie er sich verändert und seine Ansprüche relativiert hat. Früher hat Schubert die Zweitligisten Paderborn und St. Pauli trainiert und galt als angestrengt überambitioniert.

Mittlerweile ist er seit elf Monaten der erfolgreiche Trainer des Champions-League-Teilnehmers Borussia Mönchengladbach, kämpft aber immer noch ein bisschen gegen den Ruf von damals. Der Erfolg am Niederrhein hilft dem gebürtigen Kasseler. An diesem Mittwoch werden Schubert und die Borussia vermutlich zum zweiten Mal nacheinander in die Champions League einziehen. Gegen die Young Boys Bern gehen sie mit einem 3:1-Hinspielerfolg ins Qualifikations-Rückspiel (20.45 Uhr, ZDF).

"Im Fußball kann immer alles schiefgehen", sagt Schubert zwar warnend, klingt aber durchaus selbstbewusst, wenn er hinzufügt: "Wir wollen alles dafür tun, um die Wahrscheinlichkeit darauf zu minimieren."

Schubert beklagt sein Image

Der Trainer Schubert und der Verein Borussia Mönchengladbach haben eines gemeinsam: Sie haben schwere Zeiten hinter sich - wenn auch nicht gemeinsam. Gladbach steckte jahrelang in der Krise und wäre 2011 beinahe zum wiederholten Mal in die zweite Liga abgestiegen. Dann kam der Trainer Lucien Favre und führte die Borussia stattdessen in die Spitze des deutschen Fußballs. Als Favre im September 2015 nach einem miserablen Saisonstart das Gefühl hatte, dass er der Mannschaft nichts mehr geben kann, übernahm Gladbachs Amateurtrainer das Amt.

Schubert war 2012 bei St. Pauli entlassen worden und trug seither das Image limitierter Sensibilität mit sich. "Dinge, die vier Jahre zurückliegen, wurden immer wieder aus der Schublade geholt", beklagte er sich einmal.

In Mönchengladbach aber erholt er sich von diesen Dingen, es ist eine Erholung durch harte und erfolgreiche Arbeit. "Wir haben als Verein über den sportlichen Erfolg hinaus die Qualität entwickelt, Ruhe zu bewahren", sagt der Sportdirektor Max Eberl, "und dadurch haben wir es geschafft, für jeden Trainer ein Rückhalt zu sein." Eberl hat viereinhalb Jahre von Favre geschwärmt und nach jener Nacht im September, als der Schweizer nach fünf Auftaktniederlagen Hals über Kopf geflüchtet war, recht zermürbt ausgesehen.

Bester Punkteschnitt aller Trainer

Die Ära Schubert wirkt weniger romantisch, eher wie eine Vernunftehe, was aber auch daran liegen dürfte, dass Schubert zunächst als Übergangslösung gedacht war. Weil Markus Weinzierl kurzfristig jedoch nicht aus Augsburg loszueisen war, führte Schubert Gladbach aus einer Ergebniskrise sowie im Mai 2016 auf den vierten Platz der Bundesliga. "Wir wollten ursprünglich schon erst einmal sehen, was passiert, aber unsere Überzeugung ist dann gewachsen", sagt Eberl heute und freut sich, dass er sich des Favre-Schrecks nicht als Wendepunkt in der Gladbacher Entwicklung erinnern muss. "Wir haben die Chance dieses Schocks genutzt und bewiesen, dass wir aus so einer kritischen Situation gestärkt hervorgehen können - André ist für uns ein Glücksfall geworden."

Das Fachmagazin Kicker hat soeben ausgerechnet, dass Schubert unter allen derzeit tätigen Bundesligatrainern mit 1,9 Punkten pro Spiel den besten Schnitt hat. Von den 29 Liga-Spielen unter seiner Regie hat Gladbach 17 gewonnen und acht verloren. Die Mannschaft ist im Vergleich zu ihren Auftritten unter Favre aggressiver und offensiver geworden -, aber defensiv auch anfälliger.

Dieses Defizit bei Ballverlusten im Spielaufbau versucht Schubert zunehmend mit einer Dreierkette zu beheben, weil drei Abwehrspieler eine bessere Absicherung darstellen als zwei Innenverteidiger. Beim Hinspiel in Bern hat sich jedoch gezeigt, dass die Borussia defensiv anfällig ist. Sie hatte Glück, dass die Schweizer ihre Chancen nicht genutzt haben.

Wird sein Vertrag bald verlängert?

Schubert will, um seine in der Breite jetzt besser aufgestellte Mannschaft weiterzuentwickeln, ihren "offensiven Enthusiasmus", wie er das nennt, auch um einen Enthusiasmus nach hinten erweitern. Das betrifft Außenspieler wie Ibrahima Traoré, Fabian Johnson oder Oscar Wendt. Sie besitzen alle Verbesserungsoptionen für die Rückwärtsbewegung - und weil die Gladbacher offensiv wirklich stark sind, wird viel abhängen von dieser "Balance", wie das im Fußball jetzt alle nennen: die Ausgewogenheit von Offensive und Defensive.

Dafür, dass Schubert vor fast einem Jahr als Übergangslösung galt, hat er sich gut etabliert. Doch die Prüfungen werden weder weniger noch einfacher. Sein Vertrag gilt bis zum Ende der Saison, und in jedem Spiel wird es fortan auch ein bisschen darum gehen, ob und wie bald sein Vertrag verlängert wird. Die Spiele gegen Bern und am Samstag gegen Leverkusen sind da nur ein neuer Anfang.

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