Jetzt, wo auch der große Dante Bonfim Costa Santos Deutschland verlässt, fallen einem wieder all die zitternden Zuckerhutmenschen ein. Die Carlos Albertos, die Mazinhos und Bernados - und natürlich Lucio. Brasilianer durchleben im arktischen Mitteleuropa Todesqualen, fand der frühere Leverkusener und Münchner. "Wie Häftlinge der tiefen Temperaturen" sei man dem Klima ausgeliefert. Gezeichnet vom Leben im ewigen Packeis formulierte Lucio in letzter Konsequenz: "Wir sind Sklaven der Kälte".
Es muss die verdammte Oberhärte sein, im Winter bei Minus drei Grad pünktlich auf dem Trainingsplatz zu erscheinen. Aber für Dante war es das nie. Dante hat sich nie beschwert. Er hatte seine Haare, sie dienten ihm von oben herab als warmer Mantel. Die Bundesliga sollte ihrem "Dantsch" allein schon wegen dieser Frisur dankbar sein, dieses Wollknäuelhafte, dieser wunderbare Wuschelkopf - wo gibt es sowas heute noch in Zeiten des Haargels, der Undercuts und der Hahnenkämme?
Nach sieben Jahren in Alemanha sagt Dante nun "Adeus", er verlässt die Arbeiterstadt Wolfsburg, für die er ohnehin zu fröhlich, zu weltmännisch war. Und seien wir ehrlich: Ein bissl traurig ist's schon, dass er geht. Dante war eine Schau, ein cooler Typ, ein Fußballer mit Haar und Herz. Er war, das galt besonders seit dem Karriereende von Gerald Asamoah im Jahr 2013, der bestgelaunte Mensch der Bundesliga. Wer das nicht glaubt, hat noch nie DAS emblematische Dante-Video im Internet gesehen, in dem er singt: "Wir holen Meisterschaft - und Pokal aaaauuuuuch."
Mit 32 Jahren zieht es diesen unverwüstlichen Verteidiger noch einmal nach Frankreich. Dort begann 2004 sein Abenteuer durch Europa, als er in Lille nordfranzösische Luft von der Bank aus schnuppern durfte (nur zwölf Einsätze im zwei Jahren). Sein nächster und vielleicht letzter Stopp ist nun der OGC Nizza, wo sein alter Förderer Lucien Favre den Dante aus gemeinsamen Gladbacher Tagen wieder beleben will. Ein 5-3-2-System soll beim Tabellenvierten der Vorsaison Stabilität schaffen - und Dante ist fürs Aufräumen eingeplant, so wie damals in Mönchengladbach.
Erste Gerüchte über einen Rückzug zum Ziehvater Favre gab es schon vor einem Monat, danach spielten die Nachrichtenagenturen die ganze Klaviatur des modernen Transferzirkus rauf und runter: "Dante vor Wechsel", "Dante-Wechsel geplatzt", "Dante will doch nach Nizza", "Dante beim Medizincheck". Und jetzt eben: "Dante-Transfer perfekt, über die Transfermodalitäten wurde Stillschweigen vereinbart" (wobei der Kicker über eine Ablösesumme von 2,5 Millionen Euro berichtet).
Und wie das im Geschäft so ist, bespielte die Medienabteilung des OGC Nizza sogleich ihre Homepage mit einem Willkommensvideo. Zu sehen ist Dantes Ankunft an der Côte d'Azur, ein erstes Frühstück mit Rührei, sowie diese vielsagende Erzählung des Brasilianers: "Mein Sohn fragte mich: 'Papa, ist das Stadion in Nizza so wie das in Wolfsburg?' - Ich sagte: 'Nein, es ist viel besser. Es ist in etwa so wie das in München.' - 'Oh, dann muss es aber sehr groß sein.'"
"Dantsch" und die Bayern, das war unter Jupp Heynckes eine durchaus erfolgreiche Beziehung: In seinem ersten Jahr beim Rekordmeister überraschte der vermeintliche Ergänzungseinkauf viele. Dante spielte fast immer, er schoss sogar Tore und gewann schließlich als Teil des Stammpersonals das Triple. Wer ihm nach Spielen beim Gespräch in der Mixed-Zone begegnete, merkte schnell: Dieser Kerl ist eine Persönlichkeit. Selten fungierte ein Ausländer im Bayern-Kosmos so sehr als Integrator wie dieser sonnige Kosmopolit.