Borussia Dortmund:Tuchel eröffnet die "entscheidende Phase" für den BVB

RB Leipzig - Borussia Dortmund

Im Hinspiel setzt sich RB Leipzig um Marcel Sabitzer (M.) mit 1:0 gegen den BVB durch.

(Foto: dpa)

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Die Adi-Preißler-Allee ist eine Sackgasse. Ganz am Ende trainieren die Fußballer von Borussia Dortmund täglich für ihre Sehnsüchte. Auf dem "Brackeler Feld" spielen Männer mit Millionen-Marktwerten miteinander Ball - oder ist sich hier gerade jeder selbst der Nächste? Die Dortmunder Idylle im Osten der Stadt scheint dieser Tage zu trügen. Es brodelt.

Der Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang kokettiert mit seinem Fortgang, für den Flügelflitzer Marco Reus kratzt der FC Arsenal aus London angeblich schon 50 Millionen Pfund zusammen - und der WM-Siegtorschütze Mario Götze sitzt bei den Spielen oft nur auf der Ersatzbank. Sogar der Trainer Thomas Tuchel gilt als fraglicher Faktor. Spekuliert wird, ob sein bis 2018 gültiger Vertrag vom BVB verlängert wird. Am Freitag, vor dem wegweisenden Ligaspiel gegen RB Leipzig, setzte sich Tuchel vor ein Dutzend Kameras und sagte: "Ich empfinde die Situation im Moment als eine Prüfung, in der wir Gelassenheit zeigen und Stärke entwickeln müssen."

Die allgemein hohen Erwartungen - also auch die klare Vorgabe des Geschäftsführers Hans-Joachim Watzke, der BVB müsse die Champions League erreichen - umschreibt Tuchel als "eine Dunstglocke, die latent über uns hängt". Es sei wichtig, "dass daraus kein negativer Druck entsteht, dass wir uns davon frei machen". Tuchel will sich nur auf "Etappen" konzentrieren, auf einzelne Spiele. Zwei wegweisende Heimspiele stehen bevor: erst gegen Leipzig, am Mittwoch im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Hertha BSC. Es sind zwei Signalspiele. "Das Spiel gegen Leipzig ist eines, auf dem Druck lastet", gesteht Tuchel, fügt aber an: "In solchen Spielen waren wir bisher sehr, sehr gut."

Die Qualifikation zur Champions League ist gefährdet

Borussia Dortmunds 50. Bundesliga-Saison ist nach Punkten bislang die zweitschlechteste der vergangenen acht Jahre. Schlechter war der BVB nur in der Abschiedssaison von Jürgen Klopp 2015, da war man nach dem 18. Spieltag sogar Letzter. So schmerzhaft ist es momentan natürlich nicht, doch die direkte Qualifikation für die Champions League gerät in Gefahr. Das sorgt für nervöse Debatten.

Die Dortmunder waren vor dem Spiel gegen Leipzig sechs Ligaspiele unbesiegt, hatten angesichts von vier Unentschieden aus diesen Spielen aber bloß zehn Punkte gesammelt. Dadurch haben sie auf Leipzig weitere zwei Punkte verloren und auf Bayern München acht. Auf die Frage, ob dem BVB die "Killermentalität" fehle, sagt Tuchel erstaunlich freimütig: ja. "Es ist vielleicht ein bisschen plakativ formuliert", findet er, "aber es ist schon etwas dran." Dortmund muss die Kurve kriegen.

Dem BVB drohen Enttäuschungen

Das Spiel gegen Leipzig ist dazu geeignet. Es eröffne, so Tuchel, "die entscheidende Phase in der Liga, der Champions League, dem Pokal". Deshalb ist es auch so gefährlich. Es drohen Enttäuschungen, die am Saisonende den Verbleib relevanter Spieler noch fragwürdiger erscheinen lassen. Das wäre ein neuerlicher Schnitt, nachdem der BVB im Sommer 2016 bereits Mats Hummels (FC Bayern), Ilkay Gündogan (Manchester City) und Henrikh Mkhitaryan (Manchester United) verlor.

Auf Aubameyang lässt Tuchel aber nichts kommen. "Seine Äußerungen über seine Zukunft helfen uns nicht, wir messen ihnen aber auch nicht die allergrößte Bedeutung bei", sagt der Coach. Für Tuchel zählt, dass "Auba immer alles gibt, und dass er mit seiner Ausstrahlung einen positiven Einfluss auf die jungen Spieler hat". Aubameyang sei trotz gelegentlicher Eskapaden und der jüngsten Äußerungen der entscheidende Spieler im Kader: "Ohne Auba", betont Tuchel, "werden wir keines unserer Saisonziele erreichen."

Mario Götze machte den BVB zuletzt nicht stärker

Diese maßgebliche Rolle hatte man vor der Saison eigentlich dem Rückkehrer Götze zugedacht, aber es kam anders. In 18 Ligaspielen stand Götze 16 Mal im Kader, hat elf Mal gespielt, neun Mal von Beginn an -, aber von den elf Spielen mit seiner Beteiligung gewann der BVB nur drei.

Von den sieben Liga-Spielen ohne seine Beteiligung (fünf Mal auf der Bank, zwei Mal nicht im Kader) gewann Dortmund fünf. Götze macht den BVB zurzeit also nicht stärker. In der Regiezentrale haben andere die Nase vorn: Gonzalo Castro, Shinji Kagawa, der wiedergenesene Raphael Guerreiro. Wenn Tuchel mit Dreierkette spielt, bleiben gar nur vier Offensivpositionen, von denen Aubameyang, Reus und Dembelé drei besetzen. "Wir haben viele gesunde Spieler, die Konkurrenzsituation ist hoch", sagt Tuchel. Aus diesem Umstand schöpft er die Zuversicht, dass sich die Dunstglocke über der Preißler-Allee bald verflüchtigt.

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