Berlin unterliegt in der Relegation:Düsseldorf reichen sieben Minuten zum Sieg

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Lange sieht alles nach einem ungefährdeten Erfolg der Berliner aus - dann verliert die Hertha im Relegationshinspiel gegen Fortuna Düsseldorf innerhalb kürzester Zeit die Kontrolle über eine einseitige Partie und ist dem Abstieg plötzlich ganz nah. In nur wenigen Minuten dreht der Gast aus Düsseldorf mit zwei Toren zum 2:1 ein denkwürdiges Spiel.

Boris Herrmann, Berlin

Das Wort Relegation leitet sich von dem lateinischen Begriff relegatio ab - Verbannung. Und es deutet einiges darauf hin, als müsse der Bundesligist Hertha BSC diesen Begriff wörtlich nehmen. Im ersten Relegationsspiel unterlagen die Berliner am Donnerstag zu Hause dem Zweitligisten Fortuna Düsseldorf 1:2. Im Rückspiel am kommenden Dienstag braucht die Hertha jetzt schon ein Wunder größeren Ausmaßes, um die zweite Erstliga-Verbannung binnen zwei Jahren abzuwenden.

Entscheidender Mann auf dem Platz: Torschütze Thomas Bröker (Foto: dpa)

"Jetzt sind die Jungs alle sehr, sehr enttäuscht. Aber wir haben noch eine kleine Chance", sagte Hertha-Trainer Otto Rehhagel und versprach: "Wir werden mit frischem Mut nach Düsseldorf fahren." Sein Düsseldorfer Kollege Norbert Meier warnte: "Das ist und war nur das erste Etappenziel."

Das Olympiastadion verbrachte einen besseren Abend als sein Hauptmieter. Es konnte in festlicher Runde schon einmal für das Pokalfinale am Samstag üben. Ganz voll war es aber nicht bei der Generalprobe. Darüber hat sich manch einer gewundert, weil für die Hertha und ihre zugehörige Region ja doch einiges auf dem Spiel stand.

Andererseits sind rund 70.000 Besucher (Fehlbetrag 4000) auch nicht übel, gemessen an dem, was die Hauptstädter in der jüngeren Vergangenheit an diesem Ort zu ertragen hatten. In den vergangenen zwei Erstligaspielzeiten waren ganze vier Heimsiege dabei.

Auch diesmal lag bald Unbill in der Berliner Luft. Düsseldorfs Kapitän Andreas Lambertz tauchte bereits nach zehn Minuten frei vor dem Tor von Hertha-Keeper Thomas Kraft auf. Der einzige Berliner, der in der kompletten Saison auf Erstliganiveau spielte, klärte mit einer seiner berühmten Tintenfisch-Paraden. Es hat nicht viel gefehlt, dann wäre die Devise von Trainer Otto Rehhagel bereits zu diesem Zeitpunkt hinfällig gewesen. Sie lautete: "Wir dürfen hier auf keinen Fall ein Tor kriegen."

Tore schießen hat der Altmeister aber erlaubt. Und es war der tschechische Innenverteidiger Roman Hubnik, hauptamtlich für Rehhagels Zu-Null-Gebot zuständig, der den ersten Berliner Offensivakzent setzte. Es war sogar einer jener Akzente, die auf der Anzeigetafel aufleuchten. Änis Ben-Hatira, der die Berliner am vergangenen Wochenende überhaupt erst in diese Relegation geschossen hatte, zirkelte einen Eckstoß direkt auf Hubniks Halbglatze.

Nach 19 Minuten stand es 1:0 für die Hertha. Spätestens ab diesem Zeitpunkt zeigte das Berliner Publikum, dass es neben Kraft, ebenfalls zwingend in die erste Bundesliga gehört. Den Lautstärkepegel der Ostkurve müssen die Pokalgäste aus Dortmund und München am Samstag jedenfalls erst einmal überbieten. Und die Mannschaft, die weitgehend leblos durch diese Saison getaumelt war, ließ sich mitreißen. Allen voran der Dribbeltänzer Raffael, aber auch Herthas Leblosester des Jahres, der Kolumbianer Adrian Ramos, ließ plötzlich wieder etwas von seiner so schmerzlich vermissten Torgefahr erahnen.

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Ramos, der zuletzt vom eigenen Anhang verwunschen worden war, rückte überhaupt erst als Notlösung für den am Knie verletzten Angreifer Pierre-Michel Lasogga in die Startelf. Seine Anwesenheit tat den Berlinern schon deshalb gut, weil er sich auch mühte, Raffael bei der Spieleröffnung zu unterstützen. Das Kreativzentrum der Berliner war so etwas wie die Dauerbaustelle dieses Hertha-Jahres gewesen. Und dass der ehemalige Bayern-Spieler Andreas Ottl am Donnerstag nicht einmal auf der Bank saß, hatte offenbar auch damit zu tun, dass er diese Baugrube zu keiner Zeit aufzufüllen vermochte.

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Carsten Eberts, Berlin

Eine gute Stunde lang war Hertha diesmal auf einem sehr guten Weg. Ein Weg, der in Richtung des Klassenziels wies. Dann aber zeigte sich, aus heiterer Nacht heraus, dass sich die Berliner in diesem Jahr eben doch keines Weges sicher sein können. Zunächst dribbelte sich der Düsseldorfer Mittelfeldmann Thomas Bröker ungestört durch die bis dahin sorgenfreie Hertha-Abwehr und nahm dabei ausgerechnet dem gefeierten Torschützen Hubnik mit fünf Schritten vier Meter ab. Auf einmal stand er frei vor Kraft - und das Spiel 1:1.

Otto Rehhagels Spieler waren noch damit beschäftigt, sich von dem verbotenen Gegentor zu erholen, da schlug der Ball schon wieder im Netz von Kraft ein. Und wieder gehörte ein herzhaftes "ausgerechnet" zu diesem Treffer.

Der wiederbelebte Ramos hatte kurz vor der Kehrtwende dieses Spiel noch die große Gelegenheit ausgelassen, weitere Sympathiepunkte zurückzuerobern. Sein Kopfball war knapp am Pfosten des Düsseldorfer Tores vorbeigestrichen. In der 71. Minuten zielte er genauer. Diesmal allerdings auf der falschen Seite.

Wollte man eine Chronik der unpassendsten Eigentore der Geschichte schreiben, dann müsste man diesen Herthanern das halbe Buch widmen.

© SZ vom 11.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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