Bayern in der Champions League:Peps bemerkenswerter Mut

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Umarmung unter Freunden und Kollegen: Pep Guardiola und Luis Enrique (Foto: AP)

Die Fußballwelt muss Guardiola und seinem Kollegen Luis Enrique dankbar sein für dieses Spiel im Nou Camp. Weil der Bayern-Coach aus Überzeugung an sein System glaubt, entstand ein Spektakel voller Finesse, Leidenschaft und Spielkunst.

Kommentar von Thomas Hummel, Barcelona

Wer verstehen will, wie außergewöhnlich das Fußballspiel des FC Barcelona gegen den FC Bayern war, der sollte nach England blicken. In Deutschland ist man seit einigen Jahren diese Art des Spiels fast gewohnt, mit den Fußballlehrern Löw, Klopp oder Tuchel. In Spanien sowieso, wo auf Basis der holländischen Schule vor allem Barça seit Jahren ein Vorbild ist. Aber jetzt nach England.

Dort schreibt das Boulevardblatt The Sun: "Guardiola kehrte auf den Platz zurück, an dem sie ihn für immer verehren werden - und versuchte, fußballerischen Selbstmord zu begehen." Auch aus Italien gibt es solche Stimmen. Fußballerischer Selbstmord? Diese Einschätzung gibt einen Einblick, warum diese beiden großen Fußballnationen derzeit den Anschluss verloren haben.

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Eigentlich hätte es für die Bayern schon am Anfang schiefgehen können: Pep Guardiola wollte Barcelona in Einzelaktionen Mann-gegen-Mann schlagen. Ein Strategiewechsel bringt nur kurzzeitig Besserung. Die Taktikanalyse.

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Pep Guardiola spricht oft von seiner Idee von Fußball. Er will den Ball haben, er will ihn dem Gegner wegnehmen. Dafür platziert er so viele Spieler wie nötig in der Mitte des Platzes. Und er lässt so weit vorne wie möglich attackieren, damit wird der Gegner vom eigenen Tor weggehalten und seine Spieler haben es nach Ballgewinn nicht mehr so weit. Er setzt diese Idee bisweilen radikal um, für manche zu radikal. Aber eine Idee bleibt eine Idee - und man kann sagen, dass er damit ziemlich weit gekommen ist.

Nach dem 0:3 in Barcelona ist diesmal wohl wieder im Halbfinale der Champions League Schluss. Doch die Fußballwelt muss Guardiola und auch seinem Kollegen Luis Enrique dankbar sein für ein Spektakel, dass sie in ihren Bann zog. Es entstand ein Fußballspiel voller Mut, voller Leidenschaft, voller Spielkunst. Und warum? Weil sich eben keine Mannschaft hinten reinstellte und versuchte, die Kunst des anderen zu zerstören. Um irgendwann aus einer Ecke ein schmuckloses Kopfballtor zu erzielen. Sondern weil beide spielen wollten. Weil es beide darauf ankommen ließen. Auch Guardiola. Obwohl er gute Gründe gehabt hätte, sich zu verschanzen.

Die Mannschaft des FC Bayern ist nicht auf der Höhe ihrer Schaffenskraft. Ohne Arjen Robben, Franck Ribéry und David Alaba fehlen ihr Dynamik, Schnelligkeit und Präzision im Abschluss. Thiago und Philipp Lahm waren lange verletzt und spüren nun, dass man eben nicht einfach so zurückkommt und gleich wieder mit den Allerbesten mithält. Bastian Schweinsteiger und Xabi Alonso spüren ihr Alter. Und Mario Götze? Nun ja.

Die höchste Schaffenskraft wäre gegen diesen FC Barcelona allerdings notwendig gewesen, allein Manuel Neuer hielt die Münchner mit sagenhaften Paraden und furchteinflößender Ausstrahlung lange im Rennen.

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Guardiola ging am Ende mit seinen Bayern unter. Selten aber war der Ausdruck "mit fliegenden Fahnen" so treffend. Oder, wie Sportchef Matthias Sammer sagte: "Barcelona hat nicht damit gerechnet, dass wir fast über das ganze Spielfeld Mann gegen Mann agieren." Wer konnte schon damit rechnen? Barcelona stellt den fulminanten 108-Tore-Sturm mit Neymar, Suárez und Messi. Bayern stellte ihnen genau drei Abwehrspieler entgegen. Zwar korrigierte sich Guardiola nach einer Viertelstunde, weil er sah, dass das doch des Guten zu viel war. Doch der Mut, so zu beginnen, so an seine Idee des Spiels zu glauben, ist bemerkenswert.

Die Bayern werden sich nun "schütteln und das Ergebnis verdauen" (Sammer). Und sich dann auf das Rückspiel vorbereiten. Es steht 3:0, die Sache ist nach menschlichem Ermessen entschieden. Doch verschanzen? Auf eine Ecke hoffen? Nie im Leben.

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