Basketball in der NBA:Nowitzkis letztes Halleluja

Basketball in der NBA: Exzellent werfen kann er auch mit fast 40 noch: Dirk Nowitzki (links).

Exzellent werfen kann er auch mit fast 40 noch: Dirk Nowitzki (links).

(Foto: Richard W. Rodriguez/AP)
  • Dirk Nowitzki überbietet als sechster Spieler in der NBA die Marke von 31 000 Punkten.
  • Der 39-Jährige würde gerne noch eine Saison weiterspielen bei den Dallas Mavericks.
  • Doch die Mannschaft spielt notorisch schlecht. Steht der Deutsche einem dringend erforderlichen Neuanfang im Weg?

Von Jonas Beckenkamp

Natürlich musste es dieser Wurf im Zurückfallen sein, diese Turnübung von allerhöchster Schwierigkeit, mit der Dirk Nowitzki jetzt wieder einen neuen Eintrag in die Rekordbücher geschafft hat. Per "Fade away jump shot", so nennen die Amerikaner Nowitzkis Lieblingsbewegung, ließ er den Ball vergangene Nacht im NBA-Spiel gegen Oklahoma hoch durch die Luft segeln, ehe wieder mal eine Bestmarke fällig war: Es war der Moment, als der deutsche Basketballer als sechster Spieler überhaupt die enorme Zahl von 31 000 Punkten knackte.

31 000 Zähler erzielt kein Basketballer mal schnell im Vorbeidribbeln, auch dann nicht, wenn man wie Nowitzki schon fast 20 Jahre dabei ist. Diese Ausbeute rückt seine ohnehin schon strahlende Karriere noch ein wenig mehr ins Glanzlicht, schließlich befindet sich der Würzburger in piekfeiner Gesellschaft. Weil bei der 110:111-Niederlage von Nowitzkis Dallas Mavericks gegen die Thunder nach dem Meilenstein-Wurf noch ein paar Punkte dazukamen, steht er nun bei insgesamt 31 005 NBA-Zählern.

In der ewigen Bestenliste bedeutet das Platz sechs hinter Kareem Abdul-Jabbar (38 387), Karl Malone (36 928), Kobe Bryant (33 643), Michael Jordan (32 292) und Wilt Chamberlain (31 419). Nowitzkis Trainer Rick Carlisle holte deshalb zur großen Verneigung aus: "Er knackt hier eine scheinbar unerreichbare Marke nach der anderen. Und das mit solcher Leichtigkeit." Er könne kaum in Worte fassen, wie viel Arbeit hinter diesen Leistungen stecke, sagte der Coach, "er macht das jetzt seit 20 Jahren, aber eigentlich arbeitet er ja schon 30 dafür." Training, Übung, Disziplin, diese Attribute fallen häufig, wenn es um Nowitzki geht.

Auch er selbst hat schon oft darüber berichtet, welche Hingabe es braucht, um so treffsicher Bälle in Körbe zu werfen. Mit 39 Jahren zwickt es ihn jedes Mal ein bisschen mehr in den Muskeln, weshalb sie ihn in den USA längst "The Big Mummy" nennen, die alte Mumie, eingewickelt in Tapes und Knieschoner. Für einen älteren Herren spielt er aber immer noch sehr anständig Basketball. Zwar sind seine Punktewerte deutlich zurückgegangen, er kommt in dieser Saison nur noch auf 12,2 Zähler pro Spiel - aber das liegt hauptsächlich an seiner veränderten Rolle bei den verheerend schlechten Mavericks.

Dallas ist eines der miesesten Teams der NBA

Nowitzki ist nicht mehr derjenige, der die meisten Würfe nimmt, er hat sein Pensum zurückgeschraubt und gibt immer öfter den Verteiler im Angriff. Gegen Oklahoma gelangen ihm neben seinen zwölf Punkten (bei sehr guter Trefferquote) auch vier Korbvorlagen. In Dallas haben sie es seit der Meisterschaft im Jahr 2011 nicht geschafft, um ihren großen, blonden German eine Mannschaft mit Titelpotenzial aufzubauen. Im Gegenteil: Nach einer äußerst mäßigen vergangenen Saison läuft es jetzt noch viel schlechter. Mit 19 Siegen bei 43 Pleiten sind die Mavericks eines der miesesten Teams der Liga, die Playoffs waren zu keinem Zeitpunkt der Saison ernsthaft eine Option.

Dass er sich immer gegen einen Wechsel zu einem anderen Klub entschieden hat und seine Karriere nach der kommenden Spielzeit in Dallas beenden möchte, ist Nowitzki hoch anzurechnen. In der Bestenliste der treuen Seelen der NBA wäre er ohnehin die Nummer eins. Aber das bedeutet nicht, dass ihn die vielen Niederlagen (gegen Oklahoma ging es wieder mal bis in die Verlängerung) nicht bis ins Mark wurmen. Erst vor wenigen Tagen hatte er seinem Klubbesitzer Mark Cuban in Bezug auf die Strategie der Mavericks widersprochen.

Absichtlich verlieren? Nicht mit Nowitzki

"Man will hier wirklich keine Kultur haben, wo man aufgibt und nicht hart spielt", sagte Nowitzki bei ESPN: "Ich denke, das setzt das falsche Zeichen für die Zukunft." Cuban, ein etwas großmäuliger Vereinspatron, hatte wegen der besseren Chancen bei der kommenden Talenteverteilung im Draft das Verlieren zuletzt "als beste Option" bezeichnet und dafür von der NBA eine Strafe von 600 000 Dollar (etwa 488 000 Euro) bekommen. Dezent in Kauf genommene Niederlagen, um dann als erster Lotteriekandidat bessere Jungprofis abzukriegen, diese als "Tanking" bezeichnete Aufbaumaßnahme findet Nowitzki unwürdig.

Mittlerweile hat sich Cuban für seine Aussage entschuldigt, es gilt aber als sicher, dass die Mavericks intern genau überlegen, wie der Rest der Saison nun zu bewältigen ist. Bei mehr als 20 verbleibenden Saisonspielen wäre es durchaus noch möglich, Letzter zu werden, um dann den Nummer eins Pick (das erste Zugriffsrecht auf die besten Collegespieler und Profis aus Europa) zu erhalten. Die Rechnung ist einfach: Je schlechter die Bilanz am Ende Saison ist, desto größer ist die Chance, sich im Draft auf dem Papier ein besseres Talent zu sichern.

Auch Nowitzki fand seinen Weg 1999 auf diesem Weg in die NBA, auch damals war Dallas eine Mannschaft mit Loser-DNA. Die Jahre des Erfolgs, als meist über 60 Prozent der Spiele gewonnen wurden, kamen dann mit Nowitzki. In seiner 19-jährigen Vereinszugehörigkeit verhalf er Dallas mit seinem Engagement, Kämpferherz und seinen gebrochenen Rekorden zur besten Phase der Klubhistorie. Nowitzki ist Dallas, und die Mavs sind immer noch sein Team. Gleichzeitig ist seit mindestens zwei Jahren klar, dass die Franchise einen Neuanfang braucht.

Nowitzki will noch eine weitere Saison dranhängen

Das Problem ist, dass dieser bei voller Radikalität eigentlich ohne Nowitzki stattfinden müsste. Zwar hat er sein Spiel angepasst, er agiert vorne immer noch effektiv, selbst wenn er häufig als Center aushelfen muss. Aber er wird eben nicht mehr besser. Seine Athletik schwindet, seine Verteidigung ist nicht mehr state-of-the-art, manch junger NBA-Hüpfer gelangt längst mit einem Dribbling an ihm vorbei. Und so bringt seine Präsenz die Klubverantwortlichen in eine Zwickmühle: Entweder Nowitzki in Würde altern lassen und vermutlich nach der kommenden Saison in Rente schicken - oder jetzt schon den Umbau einleiten. Und zwar mit voller Fahrt ins "Tanking"-Halleluja.

Nowitzki selbst hat sich klar positioniert. Er würde gerne noch ein bisschen spielen, der Tank ist immer noch voll genug. Doch sein Sportlerethos verbietet es ihm, Spiele abzuschenken. "Es ist wichtig für unsere jungen Spieler, dass sie lernen, sich ständig dem Wettbewerb zu stellen und hart zu spielen", sagte er. "Das ist der einzige Weg, wie man in dieser Liga spielen sollte." Und eine Bestmarke kann auch er persönlich noch erreichen: Aktuell fehlen Nowitzki in der ewigen Scorerliste 414 Punkte auf den fünftplatzierten Wilt Chamberlain. Bei normalem Verlauf wäre der Rekordmann aus den 60er Jahren in der nächsten Spielzeit zu knacken.

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