Vettel verpasst WM-Titel in Austin, Texas:Vertagte Feier im Wilden Westen

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Sebastian Vettel führt beim Großen Preis der USA lange, muss sich schließlich aber doch Lewis Hamilton geschlagen geben. Weil Fernando Alonso Dritter wird, fällt die Entscheidung in der Weltmeisterschaft der Formel 1 erst kommende Woche in São Paulo - dort geht der Deutsche mit 13 Punkten Vorsprung ins Rennen.

Michael Neudecker

Podiumsbesuch mit Cowboyhüten: Vettel und Hamilton bei der Siegerehrung.  (Foto: AFP)

Sebastian Vettel fuhr an Lewis Hamilton vorbei, er blickte nach links, und dann applaudierte er. Was sonst hätte er auch tun sollen? Vettel war ein gutes Rennen gefahren in Austin, aber Hamilton war besser. Der Brite gewann den Grand Prix von Austin vor Vettel, und weil Fernando Alonso Dritter wurde, wird die Weltmeisterschaft in der Formel 1 also nun erst im letzten Rennen entschieden, am kommenden Sonntag in São Paulo. Den Vorsprung auf Alonso konnte Vettel immerhin ein wenig vergrößern, es sind jetzt 13 Punkte.

Vettel war von Platz eins gestartet, er schien gute Chancen zu haben, den Titel schon in Austin zum dritten Mal in Serie zu gewinnen. Alonso hätte bei einem Sieg Vettels höchstens Fünfter werden dürfen, so war die Ausgangslage. "Ich hab's versucht", sagte Vettel danach, "aber Lewis hatte eine Chance, und die hat er genutzt." Vettel, Hamilton und Alonso trugen Cowboyhüte, als sie auf dem Podium standen, lustig sah das aus.

Die Texaner lieben Cowboyhüte, und als Amerikaner lieben sie die Show, weshalb die Rückkehr der Formel 1 in die USA natürlich sehr amerikanisch begann: Cheerleader, Fahnenträger, uniformierte Trommler, Fallschirmspringer, Fliegerstaffel. Auch das Rennen selbst leistete seinen Beitrag, es gab ja schon vor dem Start Diskussionen, es ging um Alonso und Felipe Massa und ein gebrochenes Prüfsiegel, was für eine Aufregung.

Im Qualifying am Samstag hatte ja Sebastian Vettel so weitergemacht, wie er im Training begonnen hatte: Er hatte dominiert. Vettel war der Schnellste in allen Trainings in Austin gewesen, er war dann auch der Schnellste im Qualifying, sicherte sich damit die 36. Pole Position seiner Karriere. Fernando Alonso schaffte es nur auf Startplatz neun, sein Teamkollege Felipe Massa aber auf Startplatz sieben, weshalb sich Ferrari zu der Siegel-Sache entschied. Die Formel 1 hat ein strenges Regelwerk, unter anderem besagt es: Wer vor dem Rennen das Getriebe wechselt oder am Getriebe herumschraubt, wird in der Startaufstellung um fünf Positionen nach hinten gesetzt.

Um das zu kontrollieren, gibt es ein Prüfsiegel auf dem Getriebe, und Ferrari brach Massas Siegel, absichtlich, wie Teamchef Stefano Domenicali bestätigte. "Es entspricht den Regeln", sagte Domenicali. Weil auch Lotus-Fahrer Romain Grosjean sein Getriebe wechseln musste, rückte Alonso vor auf Position sieben und zudem auf die vermeintlich bessere Seite der Strecke, nämlich die, auf der der Asphalt angeblich mehr Grip bot.

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Die Siegel-Sache war ein großes Thema am Sonntag in Austin, die Regeln ließen so etwas nun einmal zu, sagte auch Christian Horner, der Chef von Vettels Team Red Bull. In der Tat war alles regelkonform abgelaufen, es blieb aber noch die moralische Frage: Ist es nicht schäbig, durch einen Trick eine bessere Position einzunehmen als im Qualifying herausgefahren? Gerade für eine auf Eleganz und Edelmut ausgelegte Marke wie Ferrari? Er wolle dazu "nix" sagen, ließ Sebastian Vettel vor dem Rennen wissen, das sei "nicht unsere Sache". Er stieg bald darauf in seinen Wagen, ein paar Reihen hinter ihm streckte Alonso seinen Rücken durch, dann stieg auch er ein.

Der Start beim Circuit of The Americas ist besonders anspruchsvoll, es geht bergauf und dann in Kurve eins, eine steile und enge Linkskurve, gleich danach folgt eine Rechtskurve, die man, wie Vettel nach den ersten Trainingsfahrten feststellte, "fast blind" anfährt. Der Start ist der wichtigste Teil eines Formel-1-Rennens, natürlich war das auch jetzt so. Als das Feld in Kurve eins einbog, führte Vettel, ihm folgte sein Teamkollege Mark Webber, der beim Start von Rang drei auf Rang zwei vorgefahren war, dann kam Lewis Hamilton, und dann: Fernando Alonso. Der Spanier hatte beim Start drei Autos überholt, Kimi Räikkönen, Michael Schumacher und Nico Hülkenberg, er war danach Vierter. Es ging gut los für Fernando Alonso, es ging los, wie es losgehen musste, wenn er die Entscheidung um den WM-Titel verzögern wollte.

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Dass es gut losging, das war von Michael Schumacher dagegen eher nicht zu behaupten: Als die Fahrer zur Vorstellung alte amerikanische Autos bestiegen, gab es bei Schumacher Probleme - sein Mustang sprang nicht an. Im silbergrauen Mercedes lief es kaum besser, trotz Startplatz fünf wurde Schumacher von Beginn an durchgereicht. Nach sieben Runden war er Neunter, nach 13 Runden war er 16., das blieb so bis zum Schluss. Er landete sogar hinter Teamkollege Nico Rosberg, der wegen eines verpatzten Qualifyings von Rang 17 losgefahren war und 13. wurde. Dass er mit jetzt 80 367 gefahrenen Rennkilometern einen weiteren Rekord zu seinem Rekordbuch hinzufügte: geschenkt.

Und Vettel? Ihn ging das alles zunächst nichts an. Er fuhr vorne weg, nach vier Runden hatte Alonso schon sechs Sekunden Rückstand, nach zwölf Runden waren es bereits elf Sekunden, und nach dem ersten (und einzigen) Boxenstopp in Runde 22 waren es mehr als 20 Sekunden. Ein wenig Zeit verlor Alonso allerdings auch beim Boxenstopp, der seinem Team nicht gelang: Am hinteren rechten Reifen wurde noch geschraubt, als Alonso losfahren wollte. Später aber profitierte Alonso vom Ausfall des Red-Bull-Piloten Mark Webber, der wegen einer defekten Lichtmaschine seinen Wagen im Gras abstellen musste, und als Jenson Button in der 35. Runde als letzter zum Reifenwechsel abbog, war Alonso Dritter.

Alonso gegen Vettel aber, das war an diesem Tag nur ein Duell im Gesamtstand. Auf der Strecke war nicht Alonso Vettels Gegner, sondern eben: Lewis Hamilton. Der Brite war der einzige, der mit Vettel von Beginn an mithalten konnte, er blieb dran, während alle anderen Fahrer zurückfielen. Und schließlich, in der 42. von 56 Runden, fuhr Hamilton auf der Gegengeraden an Vettel vorbei. Vettel war davor im Überrundungsverkehr vom Inder Narain Karthikeyan aufgehalten worden, er beschwerte sich danach am Funk ("unglaublich!") - "konzentrier dich auf das, was zu tun ist", antwortete sein Renningenieur. Auch nach dem Rennen aber ärgerte sich Vettel noch: Es sei "Fakt", dass Karthikeyan "einen großen Teil dazu beigetragen" habe, dass er nicht gewann.

Hätte er gewonnen, wäre sein Vorsprung auf Alonso auf 20 Punkte angewachsen. So aber wird es nun noch ein einigermaßen enges Saisonfinale, 13 Punkte Rückstand aufzuholen ist schließlich durchaus möglich. In Brasilien, sagte Vettel, "kann alles passieren".

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Gefeiert wurde bei Red Bull am Sonntagabend dann aber trotzdem: Durch Vettels zweiten Platz sicherte sich das Team bereits den WM-Titel in der Konstrukteurswertung vor Ferrari - obwohl Felipe Massa es noch auf Platz vier schaffte. Vettel und das Team feierten in der Innenstadt von Austin, es war bestimmt eine nette Party. Das geplante rauschende Fest aber wird noch einmal vertagt.

Am Dienstag fliegt Sebastian Vettel weiter nach São Paulo.

© SZ vom 19.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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