15. Etappe der Tour de France:Chris Froome entwischt am Hang

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Als es steil wurde, war er auf und davon: Chris Froome am Mont Ventoux.  (Foto: REUTERS)

Der Mann in Gelb ist wieder einmal nicht aufzuhalten: Der Brite Christopher Froome deklassiert auf der ersten Königsetappe der Tour de France die Konkurrenz. Er hat nun mehr als vier Minuten Vorsprung auf den Rest des Feldes - und fährt dem sicheren Gesamtsieg entgegen.

Von Andreas Burkert, Mont Ventoux

Irgendwann hatte Christopher Froome sich das lange genug angesehen. Er fuhr los. Für die sonderbare Landschaft des Mont Ventoux interessierte sich der 28-Jährige sowieso nicht, auch ein Austausch mit den vielen Tausend Zuschauern, die das Spektakel an der glühend heißen Strecke verfolgten, lag ihm naturgemäß nicht am Herzen.

Nur mit Nairo Quintana, seinem letzten Begleiter, unterhielt er sich einmal ein Weilchen, gut drei Kilometer vor dem Ziel war das. Froome habe ihm angeboten, die Etappe zu gewinnen, berichtete der kleine Kolumbianer später hoch oben auf dem Plateau in 1912 Metern. Was man halt so macht, wenn man in einem der härtesten Berge des Radsports unterwegs ist. "Aber ich konnte ihm dann einfach nicht mehr folgen."

Der Tour-Neuling Quintana, 23, wird nicht der einzige sein, der Froome bis Paris aus den Augen verliert. Im Grunde ist Froome nun ja auch schon allen enteilt, und wer ihn jetzt wieder am Sonntag beobachtete, auf der mythischen Rampe der Provence, der mag nicht annehmen, dass Christopher Froome beim schweren, 32 Kilometer langen Einzelzeitfahren am Mittwoch nach Chorges oder tags darauf bei der Doublette nach Alpe d'Huez noch jemand wirklich gefährden kann.

Der große Favorit auf den Gesamtsieg verfügt nun zwar doch nicht über eine beängstigend dominante Mannschaft, wie es vor einer Woche im Pyrenäen-Anstieg von Ax-3-Domaines den Anschein gehabt hatte. Die Sky-Reihen sind sogar ausgedünnt, im Ventoux konnte sich Froome in der entscheidenden Phase nur noch auf seinen australischen Gefährten Richie Porte verlassen. Aber das kann ihm einerlei sein. Denn Froome fährt in einer eigener Liga, sozusagen beängstigend dominant.

Mehr als vier Minuten liegt er nach zwei der drei Wochen vor denjenigen, die nicht mehr wirklich seine Verfolger sind im Tableau. Froome fährt dem sicheren Toursieg entgegen. Notfalls auch ganz allein.

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Wenn die Fahrer der Tour den Teufelsberg Mont Ventoux besuchen, werden sie keinen Blick haben für die Gedenktafel kurz vor dem Gipfel. Der Brite Tom Simpson starb hier 1967 - aufgeputscht mit einem Drogencocktail. Aus der Tragödie hat der Sport sehr wenig gelernt.

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Der britische Wunderknabe im Gelben Trikot, im Herbst 2011 als Vuelta-Zweiter auf einmal auf der Bildfläche erschienen, macht seit dem Start auf Korsika den Eindruck, als müsse ihn die Direktion in seinem Sky-Teamwagen zügeln; auch am Sonntag, auf der mit 245 Kilometern längsten Etappe der 100. Tour, nestelte er immerzu an seinem Funkknopf im Ohr - als warte er auf ein "Go!". Rund sieben Kilometer vor dem Ziel war es dann offenbar so weit: Froome, 28, setzte sich ab vom vermeintlichem Gegenspieler um den Sieg in Paris, dem Spanier Alberto Contador, auch Kumpan Porte konnte dem Kapitän nun nicht mehr folgen.

Denn Froome schaltete kurz - und sprintete dann geradezu am gefürchteten Bergriesen; es erinnerte, man muss das anmerken, an die einstigen Gipfelduelle, die der ähnlich wie Froome gebaute, aber etwas leichtere Michael Rasmussen 2007 unter anderem mit Contador aufführte. Der Däne musste später im Gelben Trikot die Tour verlassen, heute ist er Doping-Kronzeuge, und Contador ist offenkundig nach seiner Dopingsperre ein anderer Fahrer.

Christopher Froome hat bisher grünes Licht. Im 20,8 Kilometer langen Anstieg des Ventoux hielt sich seine Mannschaft so lange es ging im heißen Gegenwind. Das Feld riss rasch auseinander, 2011-Gewinner Cadel Evans, der am Freitag vom Wind verwehte Spanier Alejandro Valverde, sie alle mussten abreißen lassen. Der Luxemburger Andy Schleck fuhr sogar unten am Fuß des Ventoux , wo noch ein paar Bäume etwas Schatten spenden, Schlangenlinien. Er verlor fast elf Minuten.

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Froome dagegen übernahm, als sich die karge Steinlandschaft offenbarte. Mit seiner ersten Tempoverschärfung fuhr er binnen 500 Metern zu Quintana auf - um sich rund 1500 Meter vor der Ankunft endgültig zu verabschieden vom Kolumbianer.

1500 Meter vor dem Gipfel, dort ist die Gedenktafel aus Granit für Tom Simpson zu finden, der 1967 am Ventoux den Drogentod starb. Ob das womöglich ein Tribut an den Engländer gewesen sei, wurde Froome am Sonntagabend gefragt. Nein, eher nicht, entgegnete Froome, der Landsmann Simpsons, sondern ein Zufall.

"Mein Ziel war es nur, möglichst viel Zeit auf die Konkurrenz um den Gesamtsieg herauszuholen. An den Etappensieg habe ich gar nicht gedacht." Als er sich jedoch Quintana genau angeschaut habe, erzählte er weiter, "da habe ich gemerkt, dass ich noch etwas Energie übrig hatte".

Oben im Ziel ließ sich Froome allerdings Sauerstoff zuführen, das erste Mal überhaupt . Er sei dann doch etwas außer Atem gewesen, erklärte Froome, er werde den Ruhetag am Montag genießen.

4:14 Minuten liegt er nun vor der zähen Überraschung Bauke Mollema aus Holland (der Achter am Mont Ventoux wurde mit 1:46 Rückstand) und 4:25 vor dem neuen Dritten Contador, der Tagessechster wurde (1:40). Bis zum Gesamtsechsten Quintana (+ 5:47), der jetzt wieder im Weißen Nachwuchstrikot fährt, werden die Ehrenränge hinter Froome ausgemacht. Platz eins ist vergeben.

© SZ vom 15. Juli 2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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