1. FC Köln:Stöger wollte Schmadtke "nicht nerven"

Lesezeit: 3 min

Peter Stöger (links) wollte Jörg Schmadtke "nicht nerven". (Foto: dpa)
  • Ein Gespräch zwischen Peter Stöger und Jörg Schmadtke habe es nicht gegeben. "Da wollte ich ihn auch nicht nerven", sagte Trainer Stöger.
  • Während beim 1. FC Köln nach dem Sieg im DFB-Pokal alle demonstrativ den Coach feiern, rätselt Hertha-Trainer Dardai über die Moral seiner Mannschaft.

Von Javier Cáceres, Berlin

Man kann Krisen abstellen wie einen Koffer. Zum Beispiel in Berlin.

Am Mittwochabend gastierte dort der 1. FC Köln im DFB-Pokal und damit der Verein, der aktuell zu einem Synonym für den Notstand geworden war. Als die Partie vorüber und der Effzeh, immerhin Tabellenletzter der Bundesliga, nach einem 3:1-Sieg ins Achtelfinale eingezogen war, feierten die Kölner vor ihren mitgereisten Fans in der - im Gegensatz zum restlichen Olympiastadion - üppig besuchten Westkurve. Und setzten damit den Gegenpol zur gegenüberliegenden Seite.

Denn in der Ostkurve brachen sich zeitgleich ein paar Dutzend erboste Hertha-Anhänger zürnend Bahn in den Innenraum. Ein gerade erst Zugereister, der ehemalige Salzburger Valentino Lazaro, und ein Urgestein, Hertha-Trainer Pal Dardai, stellten sich als Blitzableiter zur Verfügung. "Die machen sich Sorgen", berichtete Dardai nachher über die Unterredung, er sei "immer bereit für Diskussionen, ich habe vor denen keine Angst, sie gehören zu uns. Fakt ist: Wir müssen uns steigern."

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"Wir müssen tierisch aufpassen"

Das kann man wohl sagen. Hertha begrub nicht nur den Traum, endlich mal das DFB-Pokalfinale im Berliner Olympiastadion zu erreichen. Schwerer wog, dass die Symptome der Stagnation unverkennbar sind. Hertha hat nun sieben Pflichtspiele ohne Sieg aneinandergereiht, in der Liga befindet sich die Mannschaft in der unteren Hälfte der Tabelle (Platz elf), und der Sinn der Teilnahme an der Europa League erschließt sich niemandem mehr. Hertha steht dort in seiner Gruppe auf dem letzten Tabellenplatz hinter Östersund, Luhansk und Athletic Bilbao.

Der Boulevard der Hauptstadt veralbert die Hertha-Profis als "Schlaffis", die Fans disqualifizierten sich nicht nur mit dem Platzsturm, sondern auch mit einem sexistischen Plakat, das auf die Übergriffe gegen Frauen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht anspielte. "Wir müssen tierisch aufpassen", sagte Trainer Dardai, der angeschlagen wirkte. Und ratlos.

Das war nachvollziehbar. In Berlin war zunächst die Verunsicherung der Kölner spürbar, Hertha dominierte. Doch als sich der Gedanke aufdrängte, die überraschende Demission von Manager Jörg Schmadtke habe die Kölner zusätzlich destabilisiert, kam der Bundesliga-Letzte durch eine Karambolage zur Führung. Leonardo Bittencourt schoss eklatant daneben, der Ball landete am Kopf von Stürmer Sehrou Guirassy, und von dort prallte er Simon Zoller vor die Füße. Zoller konnte gar nicht anders, als den Ball über die Linie zu drücken (34.). Die Herthaner wirkten fortan, als hätten sie ihrem eigenen Requiem zugehört. Wieder mal, wie Lazaro erzählte: "Nach den Gegentoren habe ich das Gefühl, dass man den Genickbruch einfach so hinnimmt."

Die Folge: Köln baute die Führung durch Dominic Maroh und Christian Clemens aus (43. sowie 64.), und steckte gut weg, dass Herthas Niklas Stark (69.) ein Anschlusstor erzielte. Köln blieb "dynamischer und schneller" als Hertha, wie Dardai sagte: "Wir müssen uns Gedanken machen, ob es eine Blockade im Kopf ist, warum wir unter Druck so gelähmt sind." Körperlich, so sagte der Ungar am Donnerstag auf der Basis von GPS- und Blutwerten, sei die Mannschaft "fit". Und so bleibt die Frage, wer am Samstag (15.30 Uhr) den Aufbaugegner mimt. Denn in Berlin gastiert der Hamburger SV. "Ich spüre immer noch keinen Druck", versicherte Dardai, dafür sei im Team zu viel in Ordnung: "Ich sehe den Willen. Wenn ich den nicht mehr sehe, werde ich das dem Manager mitteilen und meine Konsequenzen ziehen."

In ähnlicher Form hatte sich am Vorabend Kölns österreichischer Coach Stöger geäußert. Dass er sich am Montag der Entlassung nahe wähnte, gestand er unumwunden ein. Er stellte aber mit seinem unnachahmlichen Schmäh klar: "I mach des, so lang alle des Gfühl ham, dass es okay, richtig und guat is." Das sind zurzeit viele: Nach dem 1:0 wurde Stöger an der Seitenlinie von seiner gesamten Elf geknuddelt, nach dem Spiel wurde er von den Fans gefeiert. "Es tat sehr gut", sagte Stöger, ehe er Vergangenheitsbewältigung betrieb.

Der Frage, ob er glaube, dass Schmadtke ihn entlassen wollte oder nicht, wollte er auch im Lichte des Dementis des ehemaligen Managers vom Mittwoch ("ich wollte ihn nicht feuern") nicht klar beantworten. Ein Gespräch mit Schmadtke habe es nicht gegeben, auch weil der Manager am Montag mehrere Chancen verstreichen ließ, den Coach in seinen Rücktrittsplan einzuweihen.

Es sei nicht so, dass es keine Gesprächsbasis mehr gebe, betonte Stöger: "Ich habe überlegt, ihn anzurufen. Aber dann dachte ich: Wenn es so viele Möglichkeiten gab, zu reden, wird es einen Grund geben, dass er mit mir nicht diskutieren wollte. Da wollte ich ihn auch nicht nerven." Es scheint so zu sein, dass Jörg Schmadtke und Peter Stöger schon mal ein besseres Verhältnis hatten.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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