1. FC Köln:Schmadtke tut Köln einen gefährlichen Gefallen

BATE Borissow - 1. FC Köln

Das Gefühl von Ohnmacht hat Kölns Sportchef Jörg Schmadtke offenbar zum Rückzug veranlasst.

(Foto: dpa)

Der "Ich mache den Weg frei"-Rückzug des Sportchefs ist für den Klub zwiespältig. Im schlimmsten Fall muss Köln im Winter doppelt improvisieren.

Kommentar von Philipp Selldorf

Über den 1. FC Köln werden zurzeit ziemlich viele Witze gemacht. Manche sind polemisch, manche tatsächlich lustig. Auch nachdem am Montagabend die Nachricht über die Scheidung zwischen dem Klub und seinem Sportmanager Jörg Schmadtke bekannt gemacht wurde, dauerte es nicht lang, bis der erste Scherz im Digitalfunk kursierte. Nämlich: "Der 1. FC Köln trennt sich von Jörg Schmadtke. Eigentlich sollte Peter Stöger entlassen werden, doch der Videoschiedsrichter korrigierte die Entscheidung des Vorstands." Oder war das gar kein Scherz? Die Entwicklung der vergangenen Monate, die wie böses Schicksal anmutet, hat im Kölner Klub durchaus ein Empfinden von Ohnmacht erzeugt - wozu auch die Urteile der DFB-Fernsehrichter beigetragen hatten.

Das Gefühl von Ohnmacht hat, so muss man das wohl sehen, Schmadtke zum Rückzug veranlasst. Der Sportchef hatte den Eindruck, nicht mehr die volle Handlungsfreiheit zu besitzen. Das lag einerseits an seinem demolierten Renommee, weil er wegen der Versäumnisse beim Transfergeschäft im Sommer vor allen anderen Verantwortlichen in der öffentlichen Kritik stand; und es lag andererseits daran, dass er glaubte, als Hauptbeschuldigter nicht mehr der starke Mann mit der nötigen Befehlsgewalt zu sein.

Die Organisation des Vereins ist intakt

In einer zunehmend schlimmen Lage, wie sie der FC durchleidet, kann ein Manager normalerweise aus zwei Möglichkeiten wählen: Entweder er stützt den Trainer - oder er setzt, um dem Trend wenigstens irgendwie entgegenzuwirken, einen anderen ein. Schmadtke glaubte, dass es ihm in seiner geschwächten Rolle nicht mehr möglich gewesen wäre, die zweite Option zu ergreifen. Deshalb geht nun Schmadtke, während der populäre Stöger bleibt.

Manche sehen deshalb jetzt am Geißbockheim wieder die Kräfte des Chaos walten, die den Klub vor sechs Jahren in die zweite Liga und an den Rand der Gesellschaftsunfähigkeit getrieben hatten. Damals kamen nacheinander und mitten im Abstiegskampf der Sportchef (Volker Finke), der Trainer (Stale Solbakken) und das Präsidium (um Wolfgang Overath) abhanden, finanziell drohte der Konkurs.

Der 1. FC Köln 2017 ist aber kein Klub außer Kontrolle, die Organisation des Vereins ist intakt. Die unheilvolle Dynamik des Misserfolgs hat freilich in eine Situation geführt, in der der Rückzug des Sportchefs womöglich nur die erste Eskalationsstufe darstellt. Naturgemäß lebt der Trainer im Abstiegskampf weiterhin gefährlich. Im schlimmsten Fall muss der Klub dann doppelt improvisieren: auf der Suche nach neuen Spielern, die er im Winter hinzufügt - und auf der Suche nach einem neuen Trainer. Daher hat Schmadtke dem Verein mit seiner "Ich-mache-den-Weg-frei"-Demission einen zwiespältigen, gefährlichen Gefallen getan.

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