Salkantay Trek in Peru:Geisterbahn nach Machu Picchu

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Vierbeinige Aufstieghilfe. Wer den Salkantay-Pass lieber ohne schweres Gepäck macht, kann sich ein geländegängiges Lasttier mieten. (Foto: Dominik Prantl)

Der Salkantay Trek in den peruanischen Anden ist die Alternative zum bekannten Inka Trail. Hier gibt es weniger Menschen - und dafür viel bessere Gruselgeschichten.

Von Dominik Prantl

Flor Espinoza Sotelo kann wunderbar mit Gästen umgehen, nur bei ihren Geistergeschichten muss sie sich echt noch ein wenig zügeln. Als sie mit ihrer Familie vor einigen Jahren diese kleine Unterkunft am Rande der Bergsiedlung mit dem lautmalerischen Namen Soraypampa für die Touristen aufmöbelte, hätten hier einige Gestalten ihr Unwesen getrieben. "Niemand weiß, wo die herkamen, wohin sie gingen", sagt Flor. Und oben am Pass treibe sich ein wahrlich fabelhaftes Wesen herum, "halb Mensch, halb Ziege". Es wurde schon öfter gesichtet, wirklich wahr. Und als spät am Abend, kurz nach der Nachspeise, eine fette Motte auf einem Gast landet, quickt Flor: "Aaah, ein Omen des Todes." Dann sagt sie noch: "Buenas noches!" Sie schlafe mit ihrer Familie übrigens ganz anderswo. Damit wir uns ungestört fühlen.

Eine sehr dunkle und kalte Nacht später denken wir noch immer an Flor und ihren Bruder Edwin. Die beiden haben sich mit anderen Familien zu den Refugios Salkantay zusammengeschlossen - und wurden von dem Erfolg ihrer eigenen Initiative überrascht. Das hat weniger mit den haarsträubenden Gruselgeschichten Flors zu tun, als mit der Tatsache, dass die beiden rechtzeitig einen Trend erkannt haben: Ihre kleine einfache Lodge liegt direkt am Salkantay Trek, der Alternativroute zum Inka Trail. Der gilt längst als Autobahn des südamerikanischen Trekkingtourismus. Und weil dort die Besucherzahlen inzwischen begrenzt wurden, muss man sich oft Monate im Voraus anmelden.

Salkantay Trek. (Foto: SZ-Grafik)

Statt des Ziegenmanns schaut der Nashornkäfer vorbei, ehe tags darauf der Truthahn ausrastet

Ganz anders beim Salkantay Trek: Der Trip kann auch noch kurz vor der Wanderung in der alten Inka- und Universitätsstadt Cusco gebucht werden. Und es gibt weniger Menschen, dafür die besseren Geistergeschichten, und wie beim Inka Trail bildet Machu Picchu nach vier Tagen den Endpunkt. Wobei sich freilich darüber streiten lässt, ob die zur Touristenhochburg degenerierte Ruinenstadt wirklich mit anderen Höhepunkten auf dem Weg durch die Anden konkurrieren kann. Da ist beispielsweise der 6271 Meter hohe und von Eis verkleisterte Salkantay, dem der Wanderer am Salkantay-Pass (4630 Meter) ziemlich nahe kommt, während sich der Ziegenmann einfach nicht blicken lassen will. Da ist der anschließende Abstieg von fast 2000 Höhenmetern, an Gletscherresten vorbei und durch Nebelwald hindurch - bis man am zweiten Übernachtungsort Chaullay mal wieder an Flors Geschichten denken muss: Nach Einbruch der Dunkelheit kommt ein unheimlich großer Nashornkäfer zu Besuch; am nächsten Morgen scheucht uns ein weißer Truthahn vom Hof, was vielleicht damit zu tun hat, dass es am Vorabend frisches Putenschnitzel gab.

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Schnell weiter also, Chaullay ist ohnehin eher keine Reise wert, eigentlich nicht einmal eine Nacht. Längst hat dichte Vegetation die baumlose Hochgebirgslandschaft abgelöst, es wird wärmer und feuchter. Frauen verkaufen auf leeren Campingplätzen zu Spottpreisen Bananen und Granadillas; die Früchte wachsen gleich hinterm Haus. Meist sieht man keine Menschenseele. Erst kurz vor Playa stauen sich die Wanderer, von denen viele die staubige Piste zu dem Provinznest Lucmabamba lieber per Taxi als zu Fuß bewältigen. Esel, Avocadobäume und Papageien säumen den Weg, und an einer Gabelung wartet schließlich Enrique Alvarez Davalos.

Kaffeebauer Enrique ist wahrscheinlich, nein: garantiert einer der besten Typen von ganz Lucmabamba. Seine positive Energie ist auch wichtig, denn die Etappe am nächsten Tag ist kraftraubend, führt zuerst über einen ziemlich hohen Hügel, dann durch ein Tal und schließlich noch einmal vierzehn Kilometer an einem Bahngleis entlang durch eine Schlucht zu der Machu-Picchu-Schlafstätte Aguas Calientes. Aber, wie gesagt, vorher wartet da Enrique, der Kaffeebauer. Der hat sich die wunderbare Kindlichkeit bewahrt, auch auf einfache Dinge stolz sein zu können: auf seinen Sohn und seinen Enkel natürlich, aber auch auf seine zwei gepflegten Zimmer mit Dusche und auf seine Kaffeeplantagen mit den vielen Bananenstauden darin. "Das sind die besten Schattenspender", sagt er, bevor er stolz ein paar Arabica-Bohnen aus biologischem Anbau pflückt. Zu seinen Kunden gehört auch der Öko-Erzeuger Naturland, "die schicken wirklich jedes Jahr einen vorbei, um die Qualität zu prüfen", sagt er stolz, weil er das nicht als Gängelei versteht, sondern als Auszeichnung. Dann geht er zu einem Holzverschlag, nimmt ein bisschen Grünzeug mit, "todo orgánico", alles biologisch, und öffnet die Tür. Im Schuppen wohnen Meerschweinchen, eine Delikatesse in Peru, alles voll bio. "Wollt ihr eines zum Abendessen?"

Man denkt kurz an den weißen Truthahn und ob am nächsten Morgen nicht eine weiße Riesensau als Rächer auftaucht. Aber wer könnte dieses Angebot ausschlagen, wenn man ahnt, wie Enrique seinen Gästen beim Meerschweinknuspern zusieht: stolz lächelnd.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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