Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger:Halbiertes Heim

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Kleinere Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger: Das Arbeitsministerium erwägt, den Wohnungsanspruch von Hartz-IV-Empfängern zu verringern. Auch an anderen Stellen soll gekürzt werden. Die Opposition kritisiert die Pläne als "unsozial und unvernünftig".

Ein Plan mit gewaltigem sozialen Sprengstoff: Die Kommunen sollen künftig darüber entscheiden dürfen, wie Hartz-IV-Empfänger wohnen. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums bestätigte am Freitag in Berlin entsprechende Erwägungen, über die die Financial Times Deutschland berichtet hatte.

Triste Betonwüste in Meschenich bei Köln: Wer hier wohnt, hat keine andere Wahl. Nur wer hier als Hartz-IV-Empfänger in einer 45-Quadratmeter-Wohnung lebt, dem könnte es aus Sicht der Behörden bald zu gut gehen. (Foto: dpa)

Eine Arbeitsgruppe im Ministerium habe vorgeschlagen, die gegenwärtige individuelle Berechnung, welche Mietkosten erstattet werden, durch regional einheitliche Kriterien zu ersetzen. "Die Voraussetzungen der Mietkosten sind sicher ganz unterschiedlich in der Innenstadt von München oder in der Uckermark", sagte der Sprecher. Die klammen Kommunen sollten daher selbst entscheiden, bis zu welcher Größe sie die Miete übernehmen.

Wie die Financial Times Deutschland berichtete, könnte der Wohnungsanspruch für Alleinstehende auf 25 Quadratmeter beschränkt werden. Derzeit gilt ein Richtwert von 45 Quadratmetern. Die Kürzungen bei den Wohnzuschüssen sollen die Kommunen finanziell entlasten, könnten aber in vielen Regionen dazu führen, dass Hartz-IV-Empfänger in kleinere Wohnungen ziehen müssen.

"In Ballungszentren könnte weniger Wohnraum angemessen sein, weil Niedrigverdiener sich dort auch weniger leisten können", sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums der Nachrichtenagentur DAPD. Es gehe nicht primär darum, Kosten zu sparen, sondern darum, die Verwaltung transparenter zu machen und die Gerichte zu entlasten. Die Sprecherin schränkte aber ein, dass es sich nur um einen "Diskussionsentwurf" handle.

Statt zu einer Entlastung der Gerichte könnte der Entwurf eine neue Klagewelle von Hartz-IV-Empfängern anstoßen. Bisher schreibt den Angaben zufolge ein Gesetz nur vage vor, dass "angemessene" Unterkunftskosten erstattet werden müssen. Darüber wird ständig vor Sozialgerichten gestritten.

Bei Kommunen, Sozialverbänden und Oppositionsparteien stießen die Erwägungen des Ministeriums, den Wohnungsanspruch zu kürzen, auf Kritik. Der SPD-Arbeitsmarktexperte Olaf Scholz sagte der WAZ-Gruppe, die Pläne seien "unsozial und unvernünftig". Die Linke warf der Bundesregierung vor, sie plane "eine Entlastung der Kommunalhaushalte auf Kosten der Ärmsten".

"Alle Sparpläne der schwarz-gelben Bundesregierung belasten einseitig Hartz-IV-Familien, arbeitslose, ältere sowie behinderte und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen", kritisierte die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher. Der Sozialverband Volkssolidarität warf der Bundesregierung vor, sie setze ihre Sparpolitik mit "sozialer Schieflage" fort. Bundesgeschäftsführer Bernd Niederland warnte davor, den Grundsatz der Menschenwürde beim Wohnbedarf armer Menschen aufzugeben.

Laut Financial Times Deutschland ist die Idee, die Mietkosten zu senken, nur einer von vielen Vorschlägen, um die klammen Kommunen zu entlasten. Die "Arbeitsgruppe Standards" habe in ihrem Zwischenbericht zahlreiche weitere Sparideen gesammelt: Behinderte könnten etwa nicht mehr kostenlos Bus und Bahn nutzen dürfen, und der Zugang zu Behindertenwerkstätten könnte für alle beschränkt werden, die einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben.

Was von den mehr als 200 anderen Ideen umgesetzt werde, sei offen - neben dem Arbeitsministerium müssten auch noch andere Fachressorts die Vorschläge prüfen.

© sueddeutsche.de/dapd/AFP/dpa/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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