Wehrbericht 2017:Die Bundeswehr braucht dringend eine Trendwende

Wehrbericht 2017: Ein Gutteil der Panzer bei der Bundeswehr ist nicht fahrtüchtig (Symbolbild).

Ein Gutteil der Panzer bei der Bundeswehr ist nicht fahrtüchtig (Symbolbild).

(Foto: Patrik/Stollarz/AFP)

Bei Personal und Ausstattung der Truppe klaffen gewaltige Lücken. Der Wehrbeauftragte Bartels kritisiert diesen Zustand zurecht. Es ist sein Job, harte Wahrheiten auszusprechen.

Kommentar von Joachim Käppner

Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist ein ernsthafter Mann; dessen ungeachtet kann seine Aussage, ihm seien "sowohl in Deutschland als auch von unseren Verbündeten" keine Klagen über den Zustand der Bundeswehr zu Ohren gekommen, eigentlich nur zwei Ursachen haben. Entweder hat Volker Wieker erfolgreich Weghören befohlen. Oder zumindest die Verbündeten waren zu höflich, ihre deutschen Freunde direkt darauf anzusprechen, was ohnehin jeder weiß: Bei Personal und Ausstattung der Bundeswehr klaffen gewaltige Lücken. Nichts anderes hat der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels in seinem neuen Jahresbericht moniert, auf den sich Wieker zumindest indirekt bezog. Es ist Bartels' Job, harte Wahrheiten auszusprechen - und er hat in vielem recht.

Einem alten Sprichwort zufolge ist die Klage der Gruß des Kaufmanns; das gilt für Soldaten im gleichen Maße. An irgend etwas fehlt es immer, etwas anderes könnte besser sein. Wenn allerdings sämtliche U-Boote defekt und ein Gutteil der Panzer nicht fahrtüchtig sind, dann ist tatsächlich jene Trendwende überfällig, welche Ministerin von der Leyen als Erbin all solcher Probleme zuletzt eingeleitet hatte. Nur zieht sich dieser Prozess zu sehr in die Länge; die Anregung des Wehrbeauftragten, das Nötigste zuerst zu beschaffen ("Fast-Track-Projekte"), wäre in der freien Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit.

Wenig Personal und wenige Kampfpanzer

Die Bundesrepublik hatte, wie fast alle europäischen Nato-Staaten, nach der Zeitenwende von 1989 massiv abgerüstet; sie verfügt über weniger als 50 Prozent des einstigen Personals und noch knapp fünf Prozent der Kampfpanzer. Diese gern als "Friedensdividende" bezeichnete Demilitarisierung will niemand, der ernst zu nehmen wäre, rückgängig machen, sie ist ein Segen der Geschichte. Die Fixierung auf die Auslandseinsätze von 1992 an führte freilich dazu, dass die Aufgabe der klassischen Landesverteidigung verkümmerte. Seit Beginn der Ukrainekrise 2014, als diese Fähigkeiten erstmals seit Jahren wieder überprüft wurden, ist dieses Defizit überdeutlich geworden.

Deutschland liegt zudem meilenweit hinter dem Ziel der Nato-Mitgliedsländer, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufzuwenden. Noch dazu fließt weiterhin ein erheblicher Teil des Wehretats in die Auslandseinsätze, wo es ebenfalls viele Jahre gedauert hat, bis die Bundesregierungen halbwegs einhielten, was sie versprochen hatten, nämlich "alles für den bestmöglichen Schutz der Soldaten" zu tun. Als die Ausrüstung in Afghanistan - minensichere Fahrzeuge, Aufklärungsdrohnen, Tiger-Hubschrauber - dem Kampfeinsatz entsprach, in den man die Soldaten geschickt hatte, war dieser fast vorüber.

Wer nüchtern feststellt, dass die Bundeswehr schlicht für die Erfüllung ihrer Aufgaben deutlich mehr Geld benötigt, ist damit kein Prediger neuen Wettrüstens oder des um sich greifenden Alarmismus gegenüber Putins Russland. Die Nato als Bündnis bleibt, solange alle Mitglieder ihren zumutbaren Beitrag leisten, stark und abwehrbereit genug. Eine Streitmacht, die in vielerlei Hinsicht unter dem nötigen Minimum an Ausstattung liegt, leistet diesen aber gerade nicht. Bei all dem sollte man eines nie vergessen: Gegenüber Russland, dem Land, das die Armeen Hitlerdeutschlands vor nur einem Menschenalter auslöschen wollten, wäre die Bundesrepublik gut beraten, stets der Diplomatie und der Vermittlung den Vorzug zu geben.

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