Wahlen in Spanien:"Sie lügen, lügen, lügen!" - "Und Sie sind schäbig und niederträchtig!"

Lesezeit: 2 min

Professioneller Händedruck: Spaniens Premier Mariano Rajoy (rechts) und sein Herausforderer Pedro Sánchez. (Foto: AP)
  • Sechs Tage vor den Parlamentswahlen fand die letzte Debatte im spanischen Fernsehen statt.
  • Die beiden Spitzenkandidaten machen dabei nicht mit Inhalten, sondern mit Beleidigungen Schlagzeilen.
  • Punkte bei den bislang unentschlossenen Wählern dürfte so keiner gemacht haben.

Von Thomas Urban, Madrid

"Sie lügen, lügen, lügen! Sie sind unanständig!"

Dass es so heftig kommt bei der letzten Fernsehdebatte vor den spanischen Wahlen, das hatte wohl kaum jemand erwartet. Denn die Kampagne hatte in den vergangenen Wochen keinerlei Überraschungen mit sich gebracht. Doch nun schleuderte der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sánchez dem konservativen Regierungschef Mariano Rajoy entgegen: "Sie lügen, lügen, lügen! Sie sind unanständig!"

Der sonst eher dröge Rajoy gab scharf zurück: "Und Sie sind schäbig und niederträchtig!" Es war der einzige Moment am Montagabend, an dem er kurz die Kontrolle zu verlieren schien. Sechs Tage vor den Parlamentswahlen machten die beiden Spitzenkandidaten also nicht mit Inhalten, sondern mit Beleidigungen Schlagzeilen.

Konservative Volkspartei führt zwar deutlich, liegt aber nur bei 25 bis 28 Prozent

Beide standen unter großem Druck. Rajoy hatte an den bisherigen Fernsehdebatten nicht teilgenommen, sondern seine schlagfertige Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría vorgeschickt. Dafür hatte er viel Kritik durch die Medien einstecken müssen. Zwar führt die von ihm geführte konservative Volkspartei (PP) deutlich in den Umfragen, doch sie liegt lediglich zwischen 25 und 28 Prozent. Die Sozialisten (PSOE) krebsen bei knapp über 20 Prozent herum. Doch ist im Prinzip ihre Ausgangslage besser: Keine andere Partei möchte eine Koalition mit der PSOE ausschließen.

Wahlen in Spanien
:Große Schau der jungen spanischen Politiker

Die TV-Debatte zur Wahl in Spanien wird als Spektakel inszeniert. Die Teilnehmer werden empfangen wie Hollywoodstars - die Zeit der Graubärte scheint vorbei.

Analyse von Thomas Urban

Hingegen sieht sich Rajoy damit konfrontiert, dass alle anderen Spitzenkandidaten ihn als Partner ablehnen. Denn er trage die Verantwortung für die großen Korruptionsaffären in der PP. So stand für einen Großteil der Kommentatoren schon vor der Debatte fest, dass sie Rajoys Abschiedsvorstellung als Regierungschef sein werde.

Sánchez setzte auf bedingungslose Attacke, Rajoy ließ sich, bis auf das Thema Korruption, allerdings nicht aus der Reserve locken. In der ersten Hälfte des überaus lebhaften zweistündigen Rededuells, in das der Moderator fast nicht eingriff, wirkte er souveräner. Sánchez hielt bei den Themen Wirtschaftsreformen, Arbeitslosigkeit, Renten und Soziales zwar allerlei Grafiken in die Kamera, doch Rajoy konterte: Er habe vor vier Jahren von der damals abgewählten sozialistischen Regierung ein abgewirtschaftetes Land übernommen, das am Rande der Staatspleite stand.

Sánchez hielt ihm immer wieder Kürzungen bei den Sozialleistungen und im Bildungswesen vor. Rajoy verwies auf das damalige Haushaltsdefizit von neun Prozent, die Kürzungen seien eine Notfallmaßnahme gewesen, um den Zusammenbruch zu vermeiden.

"Na ja, Sie werden ja die Wahlen verlieren!"

Die zweite Stunde sollte eigentlich den Themen Katalonien, Euro- und Migrationskrise gewidmet sein, doch Sánchez ignorierte die Fragen des Moderators und sprach stattdessen von der Korruption in der PP, gab damit aber Rajoy die Gelegenheit, von den Finanzskandalen der PSOE zu reden. Ob Sánchez gut beraten war, dabei die Etikette zu verletzen und Rajoy als "Lügner" und "unanständig" zu beleidigen, darüber gehen die Meinungen auseinander. "Staatsmännisch war dies nicht", befanden mehrere Teilnehmer der Journalistenrunde, die anschließend die TV-Debatte bewerteten. In demselben Sinne wurde dem 43-jährigen Herausforderer vorgehalten, er habe sein Gegenüber ständig unterbrochen.

Schon in den vergangenen Debatten war er durch seine Unbeherrschtheit auffällig geworden. Dem 17 Jahre älteren Rajoy gelang es, ihn einmal richtig aus der Fassung zu bringen. Unter Verweis auf die Umfragen sagte er: "Na ja, Sie werden ja die Wahlen verlieren!" Und fügte lächelnd hinzu: "Aber Sie sind ja noch jung, Sie werden das verkraften!" Da fehlten Sánchez für einen Moment die Worte. Bilanz: Punkte bei den bislang Unentschlossenen dürfte keiner von beiden gemacht haben.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: