Missstände in der Bundeswehr:Wehrbeauftragter wehrt sich gegen Vorwurf der Intrige

Lesezeit: 3 min

"Gorch Fock", Feldpost, Tod durch eine Dienstwaffe: Drei Bundeswehr-Affären trüben den Ruf von KT Guttenberg zur Unzeit. Manche Leute in der Union meinen, der liberale Wehrbeauftragte Königshaus habe dem Verteidigungsminister das eingebrockt - seine Partei, die FDP, widerspricht vehement.

Thorsten Denkler und Oliver Das Gupta

In der schwarz-gelben Koalition braut sich ein Zwist wegen der jüngsten Bundeswehrvorfälle zusammen. Es geht um geöffnete Feldpost aus Afghanistan, eine angebliche Meuterei auf dem Segelschulschiff Gorch Fock und um einen durch eine Dienstwaffe getöteten Hauptgefreiten. Alle drei genannten Vorfälle kamen just in dieser Woche aufs Tableau - und sie bringen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in eine unangenehme Situation.

Eilig versprach Guttenberg im SZ-Interview Aufklärung, später beteuerte er im Frühstücksfernsehen: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Inzwischen erklärt Guttenbergs Ministerium, die Bundeswehr habe in der Feldpost-Affäre bisher 20 Fälle von geöffneten Briefen festgestellt. Doch das Krisenmanagement nutzt bislang wenig: Der populäre CSU-Politiker steht unter Zugzwang und Erklärungsnot - die Opposition frohlockt. "Das bedeutet, dass die Führung des Hauses eigentlich den eigenen Laden nicht im Griff hat", sagt Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour mit Blick auf die drei Bundeswehr-Affären, die Guttenberg nun am Hals hat.

Schuld an der Malaise des Unions-Stars im Kabinett Merkel geben manche in der Union dem Freidemokraten, der alle drei Vorfälle publik gemacht oder zumindest bestätigt hat: dem Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP). Solche Irritationen über die Causa sind in den Reihen von CDU und CSU durchaus zu vernehmen, offen will das aber bislang keiner sagen. Vielmehr sind die schwarz-gelben Koalitionäre bemüht, einen öffentlichen Streit zu vermeiden.

"Keiner hat Interesse daran, dass das angesichts von sieben Landtagswahlen zum Koalitionsthema werden könnte", sagt etwa Ernst-Reinhard Beck, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, zu sueddeutsche.de. Kritik wolle er nicht an Königshaus üben, beteuert Beck.

Einen leisen Tadel hat der CDU-Mann dennoch für Königshaus übrig: "Möglicherweise ist nicht berücksichtigt worden, dass die Gleichzeitigkeit der Veröffentlichung der drei Geschichten eine ganz besondere Dimension haben würde." Und mit Blick auf den von Königshaus aufgeworfenen Begriff "Meuterei" meint Beck, man dürfe nicht Spekulationen Tür und Tor öffnen.

Andere, nicht namentlich genannte Unionsvertreter und Leute aus dem Guttenberg-Ministerium werden hinter vorgehaltener Hand deutlicher: Der Wehrbeauftragte betreibe Eigen-PR für seinen anstehenden Wehrbericht, meinen Königshaus-Kritiker laut einem Bericht der Financial Times Deutschland.

"Eindeutiger Neidfaktor"

Andere spekulieren, der Liberale streue möglicherweise wegen der aktuellen Debatte um den Afghanistan-Einsatz im Bundestag Negativ-Meldungen zulasten Guttenbergs. Königshaus' Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle ist sich mit Guttenberg uneins über die Abzugsmodalitäten der deutschen Kontingente vom Hindukusch. Mit anderen Worten: Für manche riecht es nach Intrige.

Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt, es scheine, dass ein paar " Koalitionskollegen nur auf eine Chance warteten, dem Starpolitiker der CSU endlich einmal ein paar Kratzer" zuzufügen. "Der Neidfaktor ist eindeutig vorhanden", erklärt ein CDU-Abgeordneter, der nicht genannt werden will.

Für Hellmut Königshaus sind die Vorwürfe gegen ihn reiner Humbug: Die Behauptung, er wolle sich "mit diesen Themen auf Kosten des Ministers profilieren und betriebe das Geschäft der Opposition" sei "völliger Unsinn", sagt der Freidemokrat zu sueddeutsche.de. Als Wehrbeauftragter komme er "nur seiner ureigenen Aufgabe nach - ein Sachwalter der Interessen der Soldaten zu sein und mitunter kritische Fragen zu stellen".

Der Wehrbeauftragte wehrt sich: Von einer Kampagne gegen Verteidigungsminister zu Guttenberg könne keine Rede sein, sagt Hellmut Königshaus. Es sei seine Pflicht, Vorfälle in der Bundeswehr unverzüglich dem Verteidigungsausschuss zu berichten. (Foto: dpa)

Neben der Opposition pocht auch Königshaus darauf, die Vorfälle aufzuklären: Es müsse überprüft werden "ob die Führung versagt hat", verlangte Königshaus zuvor in der Passauer Neuen Presse. Welche Informationen dem Minister und der militärischen Führung wann vorgelegen hätten, "das muss jetzt untersucht werden", so Königshaus.

Unterstützung erhält er von anderen Liberalen: "Die Position des Wehrbeauftragten ist strikt überparteilich und an den Interessen der Soldaten orientiert. Das füllt Helmut Königshaus hervorragend aus", sagt etwa der Bundestagsabgeordnete Rainer Stinner zu sueddeutsche.de.

Elke Hoff, die verteidigungspolitische Sprecherin der Liberalen, sekundiert: Die Kritik an Königshaus "sei an den Haaren herbeigezogen", sagt sie zu sueddeutsche.de. "Ich gehe davon aus, dass Herr zu Guttenberg rechtzeitig über die Vorfälle informiert gewesen ist."

Es ist nicht das erste Mal, dass es zu Verstimmungen zwischen Wehrbeauftragem und Verteidigungsministerium gekommen ist. Als der heute 60 Jahre alte Königshaus im Mai 2010 sein Amt antrat, irritierte er die Guttenberg-Behörde mit seiner Forderung, Leopard-2-Kampfpanzer in Afghanistan einzusetzen. Wenig später beklagte der Liberale die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr am Hindukusch als "Drama". Guttenberg rügte damals Königshaus, er möge mit seiner Kritik "Maß halten". Spätestens seit dieser Zeit gilt der Wehrbeauftragte aus Berlin im Ministerium als suspekt - mindestens als "Nervensäge".

Ärger über "falsche Vorwürfe"

Nun, ein Dreivierteljahr später, sind beide wieder über Kreuz. Königshaus tritt dem Verdacht, er habe Guttenberg gezielt in die Bredouille gebracht, energisch entgegen. Vermutungen, die Vorfälle bei der Feldpost und auf der Gorch Fock seien von seiner Seite "gezielt lanciert worden" seien "falsch". Außerdem gebe es "kein 'Timing' zwischen den genannten Fällen und der Behandlung des Afghanistan-Einsatzes im Bundestag". Vielmehr habe eine Delegation seines Amtes in der vergangenen Woche in der Marineschule Mürwik in Flensburg die von der Gorch Fock zurückbeorderten Offiziersanwärter angehört. Zeitgleich habe er die Bundeswehr in Afghanistan besucht, wo ihm Soldaten von geöffneter Feldpost berichtet hätten.

Königshaus verteidigt sein Verhalten als völlig korrekt: "In beiden Fällen - Gorch Fock und Feldpost - habe ich, wie es meine Pflicht ist, unverzüglich dem Verteidigungsausschuss berichtet", sagt er zu sueddeutsche.de, zudem habe er Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg informiert.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: