USA:Das Weiße Haus ist nicht ganz dicht

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Ein Reporter fotografiert eine Pressekonferenz im Weißen Haus. Mitarbeitern hingegen ist die Nutzung privater Handys mittlerweile verboten. (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)
  • Warum sprechen so viele Mitarbeiter des Weißes Hauses mittlerweile anonym mit den Medien? Der Frage ist ein US-Journalist nachgegangen.
  • Die Motive der Informanten reichen von beruflicher Intrige über Spaß an der Sache bis Idealismus.
  • Allerdings sind die Mitarbeiter nicht allein. Auch der Präsident plaudert immer wieder Interna aus.

Von Hubert Wetzel, Washington

Das Weiße Haus ist ein sehr hübsches Gebäude. Von eher bescheidener Größe, neoklassizistisch, wunderbar proportioniert und, wie der Name sagt, strahlend weiß verputzt. Eine, wenn man so will, recht untrumpische Immobilie, denn der derzeitige Bewohner hat eigentlich ein Faible für Protz und bunten Marmor.

Was die Geheimhaltung angeht, gleicht das Weiße Haus allerdings eher einem Eimer. Einem alten, rostigen Blecheimer voller Löcher, der das Wasser nicht hält. Nur wenig von dem, was im berühmten Oval Office, im abgeschirmten Situation Room oder einem anderen Büro im West Wing gesagt, geraunt oder gebrüllt wird, bleibt lange Zeit geheim. Wer gegen wen arbeitet, wen der Präsident mag oder nicht mag - es tropft und sickert aus dem Weißen Haus heraus, zuweilen strömt es geradezu, und findet seinen Weg zu den Leuten, die der Hausherr Donald Trump gerne als Volksfeinde beschimpft: den Journalisten.

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Donald Trumps Präsidentschaft ist in eine neue Phase getreten. Für ihn zählt nur noch, was sein Instinkt ihm rät. Und das bedeutet Chaos. Das zeigt auch der Rauswurf von McMaster.

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Und die können ihr Glück kaum fassen. Bei früheren Präsidenten war das Weiße Haus oft eine Black Box - eine fest verschlossene Kiste, in der sich allerlei Wichtiges tat, von dem man aber nichts hörte oder sah. Bei Donald Trump ist das anders. Nicht nur twittert der Präsident jeden halbgaren Gedanken in die Welt hinaus. Auch seine Mitarbeiter reden weitgehend frei mit den Medien darüber, wie es im amerikanischen Präsidialamt so zugeht.

Eine kurze Begriffskunde: Wenn Regierungsmitarbeiter anonym und ohne Befugnis interne Informationen an die Presse weitergeben, so nennt man das im Fachjargon ein Leak, also ein Leck. Die Person, die Informationen durchsticht, ist ein Leaker. Eigentlich sollten Leaks und Leaker in einer Regierungszentrale selten sein, am besten inexistent. In Trumps Weißem Haus sind sie hingegen der Alltag.

Mit Stabschef Kelly sollte Ordnung ins Weiße Haus einziehen. Nun wird sogar über ihn geflüstert

Und jeder weiß es. Als Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders vor einigen Tagen ihr Team versammelte, um mal wieder ein Leak zu beklagen, räumte sie resigniert ein, dass auch alles, was bei diesem Treffen gesagt wird, sicher demnächst an die Medien durchgestochen werde. Das sei "ekelhaft", ließe sich aber wohl nicht verhindern. Sie behielt natürlich recht. Die Leaks sind mittlerweile so außer Kontrolle, dass Trump die Leaker jüngst als Feiglinge und Verräter beschimpfte - so als seien es feindliche Agenten, die alle Geheimnisse ausplaudern, nicht seine eigenen Mitarbeiter.

Der Journalist Jonathan Swan hat sich vor Kurzem einmal den Spaß gemacht, die redefreudigsten Leaker im Weißen Haus - für ihn und seine Kollegen zugleich die besten Quellen - zu befragen, warum sie so viel quasseln. Er bekam die unterschiedlichsten Erklärungen. Hass und Rivalität sind offenbar ein wichtiges Motiv. Trumps Regierungsmannschaft ist keine geeinte, loyale Truppe, sondern eher ein Intrigantenstadel. Verschiedene Machtzentren ringen um Einfluss, jeder misstraut jedem, jeder hat Angst, dass er übervorteilt und beim Präsidenten angeschwärzt werden könnte. Leaks sind in diesem vergifteten Arbeitsumfeld eine Waffe, um Gegnern zu schaden, ihre politischen Pläne durch eine Veröffentlichung zu durchkreuzen oder sie bei Trump in Misskredit zu bringen. Stabschef John Kelly, der Ordnung in den Laden bringen sollte und sich mit Trumps Tochter Ivanka angelegt hat, bekam das unlängst zu spüren: Plötzlich kursierte die Behauptung, er habe Trump mehrmals als einen "Idioten" bezeichnet.

Ein weiteres Motiv, das Swan genannt wurde: Manche Mitarbeiter wollen einfach, dass die Öffentlichkeit weiß, was für ein Chaos im Weißen Haus herrscht. Und schließlich, so sagten einige der Leaker, mache es einfach Spaß, die eigenen Vorgesetzten auszutricksen und Geheimes an die Medien durchsickern zu lassen.

Tatsächlich brauchen die Leaker inzwischen ein gewisses Talent zum Versteckspiel. Kelly hat, um der Leaks Herr zu werden, verboten, dass Regierungsmitarbeiter ihre privaten Mobiltelefone ins Weiße Haus mitbringen. Dort sind nur noch die offiziellen Diensttelefone zugelassen. Die privaten Geräte müssen beim Betreten des Weißen Hauses in kleinen Schränken am Eingang verstaut werden, aus denen es, wie CNN berichtete, den ganzen Tag lang piept, klingelt und brummt. Um das Handyverbot durchzusetzen, gehen Sicherheitsleute mit Spürgeräten durch den West Wing und suchen nach eingeschmuggelten Privattelefonen. Manchmal werden sogar Gäste Opfer dieser Fahndung. All das erinnert eher an die Zustände in einem Hochsicherheitsgefängnis als in einer Behörde. Ganz zu schweigen davon, dass es nicht besonders wirksam ist.

Aber vielleicht liegt das auch daran, dass der wichtigste und eifrigste Leaker im Weißen Haus vermutlich der Präsident persönlich ist. Trump verbringt viel Zeit damit, mit Freunden, Bekannten und Journalisten zu telefonieren und sich Ratschläge einzuholen. Dabei erzählt er auch allerlei Interna. Insofern herrschen derzeit im Weißen Haus dann doch wieder sehr trumpische Zustände.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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