US-Proteste:Therapeutisches Laufen

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"Nicht mein Präsident" - überall ist das der bestimmende Slogan, auch am Samstag in New York. (Foto: Kena Betancur/AFP)

Während in Washington längst die Übergabe an den Neuen begonnen hat, gehen in New York die Enttäuschten auf die Straßen. Besser raus als warten, finden Trumps Gegner. Ob's hilft?

Von Peter Richter und Hubert Wetzel

Die Praxis für "Subway Therapy", die Matthew Chavez, ein 28 Jahre alter New Yorker, am Mittwoch nach der Wahlnacht in einem U-Bahn-Durchgang auf der 14. Straße improvisiert hat, ist auch Tage danach noch brechend gut besucht. Chavez, der normalerweise als Barmann und Synchronsprecher arbeitet, sitzt da auf einem Campingstuhl und verteilt bunte Post-it-Zettel, auf denen sich die Leute ihren Frust, ihre Ängste und ihre Trauer in Bezug auf das Wahlergebnis von der Seele schreiben dürfen. Dann werden die Zettel an die Kacheln der Wand geklebt. Der Durchgang ist ziemlich lang und bereits ziemlich lückenlos mit den Emotionen der New Yorker tapeziert. Denn die sind, um es milde auszudrücken, überwiegend nicht sehr happy. "Schlimmster Tag nach 9/11" steht da. Und der Wahlkampfslogan "Love trumps hate", Liebe schlägt Hass. Kirchentagiges ("Gerade jetzt: Seid GUT zueinander!") hängt neben streitbarem Spanisch ("La lucha sigue", der Kampf geht weiter), Grundsätzliches zur Conditio Americana ("We are not exceptional", wir sind nicht außergewöhnlich) neben einem stinkefingerigen "Allahu akbar" neben der Sorge einer 15-Jährigen, ihre Freundin nicht mehr heiraten zu dürfen, neben eher allgemein Tröstlichem ("Wir haben immerhin noch unsere Hunde", Herzchen dahinter). Eine Frau mittleren Alters, schwarz, weint aufgelöst an der Schulter von Matthew Chavez, der geduldig zuhört. Neuankömmlinge malen währenddessen "Love" auf die Zettel. Das alles ist, natürlich, sehr anrührend. Aber: Wird das etwas ändern?

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