US-Präsidentschaftswahlkampf:Wie Trump mit Verschwörungstheorien aus den Neunzigern Wahlkampf macht

Two US states vote as poll hints at tough Clinton-Trump battle ahead

Hillary Clinton und Donald Trump.

(Foto: AFP)

Ermöglichte Hillary Clinton stillschweigend sexuelle Übergriffe ihres Mannes? Trump wühlt in alten Gerüchten, auch Clinton flüchtet in die Vergangenheit.

Von Matthias Kolb, Washington

Der Clip, den Donald Trump gerade auf seinem Instagram-Account veröffentlicht hat, ist nur 15 Sekunden lang. Man hört zwei weibliche Stimmen, die von einem "Angriff" sprechen und das so etwas keiner Frau passieren dürfe. Im Vordergrund ist das Weiße Haus zu sehen - und Bill Clinton mit einer Zigarre im Mund. Am Ende wird ein lautes Lachen seiner Ehefrau eingespielt und in der Beschreibung steht die Frage: "Schützt Hillary wirklich Frauen?"

Das Video zeigt, was momentan den US-Präsidentschaftswahlkampf auszeichnet. Zwar gibt es weiterhin täglich widersprüchliche Aussagen des Republikaners Trump (obwohl in seinen Reden Klimawandel "Quatsch" nennt, lässt er auf seinem Golfplatz in Irland eine Mauer bauen, um diesen vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen). Doch sonst reden die verbliebenen Kandidaten vor allem über die Vergangenheit.

Die Stimmen in Trumps Instagram-Clip gehören Juanita Broaddrick und Kathleen Willey, die behaupten, von Bill Clinton 1978 beziehungsweise 1993 sexuell attackiert worden zu sein. Es soll der Eindruck vermittelt werden, dass die wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten die Eskapaden ihres Mannes nicht nur toleriert habe. Der Milliardär bezeichnet Hillary Clinton oft als enabler, die diese angeblichen Affären und Seitensprünge "ermöglicht" habe.

Trump sagte der Washington Post, dass seine Gegner viele "schmutzige Sachen" über ihn sagen würden. Er wolle dieses Spiel nicht mitspielen, aber "solange sie das tun, werde ich in jener Intensität mitmachen, die nötig ist". Und bei Trump heißt dies: Tabus gibt es nicht, alles aus den vergangenen vier Jahrzehnten wird hervorgekramt.

Gerüchte, Zitate, Andeutungen

Dass die US-Medien über die Vergangenheit der Kandidaten recherchieren ("Trump gab sich als eigener Pressesprecher aus"), ist normal. Aber die fast gleichaltrigen Kandidaten Clinton und Trump reden so viel über Vergangenes, dass alle, die sich in den Neunzigern nicht für US-Politik interessiert haben oder dafür zu jung waren, sehr viel über diese Vor-Internet-Zeit lernen werden.

Trump und seine Unterstützer reden nicht nur über die Lewinsky-Affäre (mehr in diesem US-Blog-Beitrag), sondern sie wiederholen unbelegte Verschwörungstheorien, wonach Bill und Hillary Clinton für den Tod des mit ihnen befreundeten Anwalts Vince Foster verantwortlich sein sollen. Die Umstände, so Trump, seien "sehr suspekt und verdächtig".

Der 69-Jährige bedient sich seiner bewährten Taktik des Raunens (er verbreitete jüngst das Gerücht, der Vater von Ted Cruz habe etwas mit der Ermordung von John F. Kennedy zu tun), um diese Themen in die Medienberichterstattung hineinzudrücken. Sein Kalkül ist unschwer zu erkennen, wie etwa der Polit-Blogger James Hohmann schreibt: Um am 8. November gewählt zu werden, muss Hillary Clinton mindestens so unbeliebt sein wie er selbst.

Wie ein solcher Charakter-Mord gelingen kann, zeigte der letzte Wahlkampf. Im Frühsommer 2012 bombardierten Obamas Demokraten die Wähler mit Clips, die Mitt Romney als gierigen, eiskalten Kapitalisten darstellten - und der Ruf blieb kleben wie ein alter Kaugummi.

Ein weiterer Nebeneffekt von Trumps "Zurück in die Vergangenheit"-Kampagne: So wird vielen wieder bewusst, dass Bill Clinton vor 38 Jahren erstmals gewählt wurde und die Clintons Inbegriff des vielerorts verhassten Establishments sind. Dass er sich dabei in Widersprüche verwickelt (Fact-Checker belegen, dass Trump Bill Clinton in den Neunziger in der Lewinsky-Affäre verteidigte und das Amtsenthebungsverfahren noch im Jahr 2008 als übertrieben bezeichnete), wird Trump billigend in Kauf nehmen.

Und dass er sich selbst lautstark beklagt, wenn er mit früheren Aussagen konfrontiert wird, hindert ihn offensichtlich nicht daran, genau dies selbst zu tun. Über andere Aspekte der Vergangenheit redet Trump gern - sein Slogan "Make America Great Again" spielt nostalgisch auf das prosperiende Nachkriegsamerika an.

Wieso Hillary Clinton ständig über die Neunziger redet

Trumps Gegnerin Hillary Clinton spricht ebenfalls gern über die Vergangenheit. Besonders angetan haben es ihr die Jahre zwischen 1993 und 2001, als sie im Weißen Haus wohnte. Damals wuchs die Wirtschaft rasant und die Löhne stiegen. Folglich wundert es nicht, dass Clinton kürzlich ankündigte, dass sich ihr Mann Bill nach dem Wahlsieg weniger um Porzellan kümmern werde, sondern für die Wiederbelebung der US-Wirtschaft zuständig sein solle.

Solche Ankündigungen sollen die Wähler an den Boom der Neunziger erinnern. Doch zugleich erhalten die Trump-Attacken auf Bill Clintons Affären sowie die Folgen seiner Politik (Nafta-Freihandelsabkommen) eine gewisse Legitimität, wenn Hillary seine Erfolge für sich in Anspruch nimmt. Dass es im Clinton-Hauptquartier viel Video-Material mit alten Trump-Clips gibt, wird niemand verwundern. Das neueste Video dokumentiert eine Aussage des Immobilienmoguls aus dem Jahr 2006: Er hoffe auf einen Immobiliencrash, weil Leute wie er dann "viel Geld verdienen" könnten.

Auf allzu persönliche Attacken (etwa auf Trumps Scheidungen oder Affären) hat sich Hillary Clinton bisher nicht eingelassen und viel spricht dafür, dass sie dies tunlichst vermeiden will. Eine echte Schlammschlacht mit Trump wirkt wenig präsidentiell und gegen einen unberechenbaren Gegner kann sie nur verlieren.

Aber niemand sollte sich Illusionen machen, dass andere liberale Gruppen und Organisationen davor zurück schrecken, umstrittene Details aus Trumps Privatleben hervorzuholen und diese wieder und wieder zu präsentieren. Der jüngste TV-Clip des Clinton nahestehenden Wahlvereins "Priorities USA" dokumentiert die Aussagen des Milliardärs über Frauen.

Denn genau wie Donald Trump hat Hillary Clinton eine klare Theorie, wie sie es ins Weiße Haus schafft: Die Mehrheit der Wählerinnen muss überzeugt davon sein, dass der Republikaner ein Frauenfeind ist. Diese Botschaft gilt es, in möglichst viele Gehirne zu hämmern.

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