US-Präsident zu Charlottesville:Trump gibt Hass eine Bühne

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Donald Trump während der Pressekonferenz im Trump Tower in New York: "Nicht alle diese Menschen waren Neonazis, glaube Sie mir." (Foto: AFP)

Der US-Präsident hat auf einer Pressekonferenz in New York wieder über Charlottesville gesprochen. Eine Dokumentation der bemerkenswertesten Aussagen - und was von ihnen zu halten ist.

Von SZ-Redakteuren

Als Donald Trump am Dienstag in New York vor die Presse tritt, soll es eigentlich nur über Infrastrukturmaßnahmen gehen. Doch der US-Präsident kann nicht an sich halten und spricht wieder über die Demonstrationen Rechtsextremer in Charlottesville im Bundesstaat Virginia und seine Reaktion darauf. Über manche seiner Aussagen auf dieser Pressekonferenz wird man noch lange sprechen. Wir dokumentieren sie und ordnen sie ein:

"Im Gegensatz zu den meisten Politikern wollte ich sichergehen, dass das, was ich gesagt habe, richtig ist. Ich wollte kein rasches Statement geben. Das erste Statement am Samstag war ein ausgezeichnetes Statement. Es hat ein bisschen gebraucht, um die Fakten zu bekommen. Ich will die Fakten kennen."

Der US-Präsident, der auf Fakten eigentlich keinen großen Wert legt, wollte nur "die Fakten bekommen", bevor er sich erneut zu den gewalttätigen Zusammenstößen in Charlottesville äußert. Skurril, denn Trump ist eher für rasches Twittern als für nachdenkliches Zögern bekannt. Seit Samstag ist klar, dass die Gewalt in Charlottesville von Rassisten und Neonazis ausging. Die Fakten waren ausreichend dokumentiert. In einem ersten Statement sprach Trump trotzdem von "Gewalt von vielen Seiten" und vermied es, sich öffentlich von Rassisten und rechtsradikalen Gruppen wie dem Ku-Klux-Klan zu distanzieren.

"Man kann es Terrorismus nennen. Man kann es Mord nennen. Man kann es nennen, wie man will. (...) Man gerät dann schnell in juristische Spitzfindigkeiten. Der Autofahrer ist ein Mörder. Und das, was er gemacht hat, war schrecklich und unentschuldbar."

Wieder weigerte sich Trump, die Tat eines mutmaßlich Rechtsextremen, der mit seinem Auto eine Frau getötet und 19 weitere Menschen verletzt hatte, explizit als Terrorismus zu bezeichnen und zu verurteilen. Mehrere US-Politiker, darunter führende Republikaner wie Justizminister Jeff Sessions und Trumps Sicherheitsberater H. R. McMaster, stuften die tödliche Amokfahrt in Charlottesville hingegen als Terrorismus ein. Bürgerrechtsorganisationen kritisieren schon seit Jahren, dass der Begriff Terrorismus nur für islamistische Anschläge in den Vereinigten Staaten verwendet werde. Trump folgt dieser zweifelhaften Tradition.

"Auf der einen Seite war die eine Gruppe, auf der anderen Seite die andere, und die beiden Gruppen sind mit Knüppeln aufeinander losgegangen und es war böse und es war furchtbar. Und das anzuschauen, war furchtbar. Aber es gibt noch eine andere Seite. Auf dieser Seite war eine Gruppe, Sie können sie die Linke nennen. (...) Die kamen und haben gewalttätig die andere Gruppe attackiert."

Trump versucht die rechte Gewalt zu relativieren. Er weist darauf hin, dass auf Bildern vom Samstag Linke mit Baseballschlägern zu sehen sind. Außerdem griffen Gegendemonstranten das Auto des Attentäters James Fields an; allerdings reagierten sie damit auf den Anschlag: Nachdem Fields in die Menschenmenge gerast war, stürmten Männer mit Baseballschlägern zu dem Auto. Fields setzte daraufhin zurück und fuhr dabei auch noch die Männer an, die ihn offenbar an der Flucht hindern wollten.

Augenzeugen zufolge haben die Rechten auch die Ausschreitungen provoziert. Es waren Rechtsextreme, die am Freitag und Samstag Menschen schwer verletzten und es war ein Neonazi, der am Samstag eine Frau tötete. Deswegen empörte die Relativierung durch den Präsidenten schon am Wochenende selbst seine Parteikollegen.

"Nicht alle diese Menschen waren Neonazis, glauben Sie mir. Nicht alle diese Menschen waren "White supremacists", beim besten Willen nicht."

Auch hier relativiert Trump. Er tut so, als ob ein paar Mitläufer, die keine echten Neonazis sind, entscheidend wären, wenn mit ihnen Hunderte durch eine kleine Stadt ziehen und "Juden werden uns nicht ersetzen" skandieren oder "blood and soil" ("Blut und Boden"), wenn sie den Arm zum Hitlergruß heben und am Ende ein Mensch tot ist.

"Was ist mit den 'Alt-Left', die kamen, um sie anzugreifen? Entschuldigen Sie. Was ist mit den Alt-Left, die kamen und die - wie Sie sagen - Alt-Right anzugreifen? Haben die einen Hauch von Schuld? Es gab auf der einen Seite eine Gruppe, die schlimm war, und es gab auf der anderen Seite eine Gruppe, die ebenfalls sehr gewalttätig war und keiner will das sagen, aber ich sage es jetzt. Sie hatten eine Gruppe - Sie hatten eine Gruppe auf der anderen Seite, die angriffen ohne Erlaubnis, und die waren sehr, sehr gewalttätig."

Mit dieser Aussage bestätigt Trump nicht nur seine erste Reaktion auf die Ausschreitungen, sondern hebt besonders die Gewalt linker Demonstranten hervor. Dass eine Gegendemonstrantin von einem Rechtsextremen getötet wurde, ließ er komplett unerwähnt.

"Ich muss Ihnen sagen, dass unter den Leuten, die [das Manufacturing Council] verlassen, einige nur deshalb gehen, weil es ihnen so peinlich ist, dass sie ihre Produkte im Ausland herstellen lassen."

Das Gremium soll den Präsidenten in Wirtschaftsfragen beraten. In dem Rat sitzen die Chefs der bedeutendsten US-amerikanischen Unternehmen. Fünf der 28 Mitglieder haben in den vergangenen Tagen das Manufacturing Council verlassen. Trump unterstellt ihnen, dass sie der amerikanischen Wirtschaft schaden, indem sie Waren im Ausland produzieren lassen, statt Arbeitsplätze in den USA anzubieten. Tatsächlich sind die CEOs aber zurückgetreten, weil sie nach Trumps Äußerungen über Charlottesville nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten möchten und weil sie mit ihrem Rücktritt ein Zeichen des Protests setzen können.

"Er ist ein guter Mann. Er ist kein Rassist, das kann ich Ihnen sagen. Er ist ein guter Mensch."

Trump verteidigt seinen Chefberater Stephen Bannon. Bannon leitete vor seiner Zeit im Weißen Haus das Nachrichtenportal Breitbart News, das der antisemitischen und rassistischen Alt-Right-Bewegung starken Aufschwung verliehen hat. Er selbst bezeichnete Breitbart als "die Plattform für die Alt-Right-Bewegung" und führte eine Rubrik über von Schwarzen begangene Straftaten ein. Im Wahlkampf nutzte Bannon die Plattform, um Trump als idealen Präsidenten darzustellen und Gegenkandidatin Hillary Clinton zu diskreditieren. Vielleicht stärkt ihm Trump deshalb den Rücken - noch. Amerikanische Medien berichteten unter Berufung auf eine nicht genannte Quelle, der Präsident könne Bannon noch bis Ende dieser Woche entlassen. Trump sagte dazu nur: "Wir werden sehen."

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"Ich war sehr ... Ich habe gedacht, dass das herausgegebene Statement - das Statement der Mutter war ein wundervolles Statement. Ich muss Ihnen sagen - es war etwas, das ich wirklich schätze. Ich habe gedacht, das war grandios. Und wirklich, unter dem Stress, unter dem sie stand und dem Kummer, unter dem sie leidet, ich dachte: Dieses Statement an mich herauszugeben, war wirklich etwas, das ich nie vergessen werde."

Susan Bro hat ihr Kind verloren. Ihre 32-jährige Tochter Heather wurde mutmaßlich mit voller Absicht von einem Rechtsextremen überfahren, als sie gegen die Rassisten protestierte. Die Mutter dankte Trump für sein zweites Statement, in dem er rechte Gewalt deutlich verurteilt hatte: "Danke, Präsident Trump, für diese Worte des Trostes und für die Verurteilung derer, die Gewalt und Hass befördern." Einen Tag später verteidigt Trump genau diese Menschen wieder. Und brüstet sich im gleichen Atemzug mit den Worten der trauernden Mutter.

"George Washington war ein Sklavenhalter. (...) Wird George Washington jetzt seinen Status verlieren? Werden wir abreißen - entschuldigen Sie - werden wir die Statuen von George Washington abreißen? ... Diese Woche ist Robert E. Lee dran. Ich frage mich, ist nächste Woche George Washington dran? Und Thomas Jefferson die Woche danach? Wissen Sie, Sie alle, Sie müssen sich wirklich fragen: Wo hört das auf?"

Es stimmt, George Washington hat Sklaven besessen. Trotzdem ist der Vergleich, den Trump hier anstellt, mindestens irreführend. Statuen, die zu Ehren von George Washington aufgestellt wurden, wurden nicht aufgestellt, um einen Sklavenhalter zu ehren oder einen Verfechter von "White supremacy". Genau das ist allerdings der Fall bei vielen der Konföderierten-Statuen, deretwegen in den USA so heftig gestritten wird. Deshalb verteidigen Neonazis und Rechtsextreme diese Statuen - auch mit Gewalt. Auslöser der Proteste von Rechtsextremen in Charlottesville war der bevorstehende Abriss eine Statue des Bürgerkriegsgenerals Robert E. Lee.

"Ich meine, ich weiß viel über Charlottesville. Charlottesville ist ein großartiger Ort, der während der vergangenen paar Tage schwer getroffen wurde. Ich besitze, wirklich, eines der größten Weingüter der Vereinigten Staaten - es ist in Charlottesville."

Was selbst bei einem solchen Thema nicht unerwähnt bleibt: Was der Präsident so alles besitzt.

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