US-Politik:Trump demontiert Justizminister Sessions

AG Jeff Sessions Announces Int'l Cybercrime Enforcement Action At Justice

Früh an Trumps Seite, jetzt auf der Abschussliste: Justizminister Jeff Sessions

(Foto: AFP)
  • US-Präsident Donald Trump kritisiert seinen langjährigen Verbündeten inzwischen heftig und wiederholt öffentlich.
  • Jeff Sessions will allerdings weiter am Amt des Justizministers festhalten.
  • Eine Entlassung des Juristen aus Alabama könnte schwerwiegende institutionelle Folgen haben.

Von Johannes Kuhn

Die Uhr für Jeff Sessions tickt offenbar - und es ist sein Chef, der die Sekunden herunterzählt. Vergangene Woche hatte US-Präsident Donald Trump seinen Justizminister in einem Interview erstmals öffentlich in Frage gestellt; inzwischen sind es oft nur wenige Stunden, die zwischen den Angriffen vergehen.

Am Dienstag attestierte Trump seinem Justizminister um drei Uhr (sic!) morgens via Twitter, er sei "SEHR SCHWACH" (bei der Aufklärung der angeblichen Verbrechen Hillary Clintons). Wenig später erklärte er dem Wall Street Journal, die Unterstützung des damaligen Senators im Wahlkampf sei "keine große loyale Sache gewesen". Und: "Ich bin sehr enttäuscht von Jeff Sessions." In einer Pressekonferenz am darauffolgenden Nachmittag gab sich Trump erneut enttäuscht, erklärte aber, noch keine Entscheidung über die Personalie getroffen zu haben.

Man kann dem US-Justizminister viel vorwerfen, aber wohl nicht mangelnde Loyalität. Der 70-Jährige aus Mobile, Alabama war der erste Senator, der Trump öffentlich unterstützt hatte. Zum damaligen Zeitpunkt war dies ein Tabubruch, Sessions ging ein beträchtliches politisches Risiko ein.

Als Außenseiter vom rechten Rand der Republikaner verkörperte er noch vor Trump all das, was die Basis des US-Präsidenten liebt: eine Ablehnung jeglicher Form von Einwanderung, die Nostalgie für die angeblich gute alte Zeit und große Freiheiten für die Polizei beim Schutz von Recht und Ordnung. Noch bevor Trump sich zum Präsidentschaftskandidaten erklärte, vernetzte sich der Senator aus Alabama mit der Breitbart-Clique rund um Steve Bannon (Breitbart News ist eines der Sprachrohre der Ultrarechten in den USA). Sessions ehemaliger Assistent Stephen Miller ist inzwischen einer von Trumps engsten Beratern.

Sessions krempelte die Innenpolitik um

Im Trump-Umfeld, in dem es an Opportunisten nicht mangelt, gilt Sessions zudem als politischer Überzeugungstäter. Als Justizminister setzt er seit Monaten eine beinhart-konservative Agenda durch: Er stoppte Ermittlungen wegen rassistischer Übergriffe von Polizeibehörden, erlaubte die Beschlagnahmung des Eigentums Verdächtiger selbst ohne Verurteilung und ordnete eine stärkere Verfolgung von Einwanderungsvergehen an.

Zudem kehrte er zur Abschreckungspolitik der Achtziger zurück und ordnete die schärfere Verfolgung von Drogen-Delikten an, obwohl selbst der Großteil der Republikaner dies angesichts der gravierenden Heroin-Epidemie nicht für eine geeignete Lösung hält. Erst am Dienstag verkündete das US-Justizministerium, Städten die Zuschüsse für die Ermittlungsbehörden zu entziehen, falls die bundesstaatliche Abschiebe-Einheit "ICE" bei der Suche nach undokumentierten Einwanderern keinen Zugang zu den örtlichen Gefängnissen erhalte.

Die Causa Clinton ist nur vorgeschoben

Dass das Verhältnis zwischen Trump und Sessions deutlich abgekühlt ist, war bereits seit Längerem kolportiert worden. Dabei geht es allerdings weniger um Ermittlungen gegen Trumps Rivalin Clinton, die der Präsident selbst nach seiner Wahl abmoderiert hatte. Vielmehr kreidet Trump seinem Justizminister immer noch an, dass er sich aus den Ermittlungen rund um die "Russland-Affäre" zurückgezogen hat - also aus den Untersuchungen rund um die Vorwürfe, Trump und sein Wahlkampfteam hätten zur Beeinflussung des US-Wahlkampfs russische Kontakte gepflegt und davon profitiert. Der Grund für Sessions Rückzug: Er hatte sich im Wahlkampf zweimal mit dem russischen Botschafter getroffen, dies aber in einer Senatsanhörung verschwiegen. Inzwischen hat Sessions sich in der Angelegenheit als befangen erklärt.

Die Verantwortung für diese Angelegenheit hat seither Sessions Stellvertreter Rod Rosenstein übernommen. Der hatte nach der Entlassung von FBI-Chef James Comey in Robert Mueller einen als unabhängig eingeschätzten Sonderermittler ernannt. Eine Entscheidung, die Trump bis heute überhaupt nicht gefällt.

Sonderermittler Mueller als eigentliches Ziel?

Trump soll in den vergangenen Monaten immer ärgerlicher geworden sein, dass Mueller nicht seiner direkten Kontrolle untersteht. Im Weißen Haus sucht man derzeit offenbar nach Möglichkeiten, die Russland-Ermittlungen zu diskreditieren. Mueller könnte also das wahre Ziel von Trumps Demontage sein: Sollte der US-Präsident Sessions entlassen und einen vermeintlich loyaleren Justizminister installieren, würde dieser die Verantwortung für die Ermittlungen von Rosenstein zurückerhalten. Den bislang zuständigen Mueller könnte er dann einfach feuern.

Eine Entlassung Muellers würde allerdings ein politisches Erdbeben auslösen, das die USA noch stärker erschüttern würde als die Entlassung von FBI-Chef James Comey. Der Verdacht der Justiz-Beeinflussung stände derart deutlich im Raum, dass selbst die Republikaner im Kongress die Augen nicht verschließen könnten.

Die Affäre wirft nicht nur ein Schlaglicht auf Trumps Einbahnstraßen-Definition von Loyalität. Vielmehr spiegelt sich dort auch die Überzeugung des US-Präsidenten, dass die Regierung nun wie seine Firma nach seinen Aufträgen zu handeln hat. Das Justizministerium wahrt jedoch als Generalstaatsanwaltschaft, die dem FBI übergeordnet ist, eine gewisse institutionelle Distanz zum US-Präsidenten. Zumal, wenn dieser selbst in den Dunstkreis von Ermittlungen gerät.

Dass allerdings kein formelles Gesetz, sondern der Minister die an den Tag gelegte Distanz bestimmt, legt die Schwäche des Konstrukts offen: Wenn Trump das Justizministerium mit Vertrauten besetzen kann, welche die Ermittlungen nach seinem Willen beginnen und beenden, wäre dies der bislang deutlichste Schritt hin zu einem autoritären Staat (und würde wohl zu Massenrücktritten innerhalb der Bürokratie führen).

Die Sorge: eine Ernennung ohne Zustimmung in der Sommerpause

Allerdings müssten die Republikaner im Senat einen neuen Justizminisiter zunächst bestätigen - es sei denn, Trump feuert Sessions in den kommenden Wochen. Dann könnte er den Nachfolger während der sommerlichen Sitzungspause ernennen und der Senat müsste nicht zustimmen. Ein Szenario, das den Demokraten große Sorge bereitet.

Am Dienstag zeigten sich republikanische Senatoren solidarisch mit Sessions, dessen Amtszeit im Senat zwei Jahrzehnte umfasste. "Wir wollen, dass Jeff fair behandelt wird," erklärte Orrin Hatch (Utah). Selbst der Trump-Berater Rudy Giuliani, der als möglicher Nachfolgekandidat für den Posten des Justizministers gilt, bescheinigte Sessions, mit dem Rückzug aus den Russland-Ermittlungen die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Breitbart unterstützt Sessions

Massive Unterstützung erhielt der Justizminister auch von Breitbart, dem Hausmedium der Trump'schen Basis: "Jeff Sessions verkörpert die Bewegung, die Donald Trump zum Präsidenten gewählt hat", heißt es dort unter anderem. Trump gefährde mit einer möglichen Entlassung die harte Anti-Einwanderungs-Politik, die Sessions verfolge.

In den vergangenen Tagen hat Trumps Umfeld darauf gedrungen, dass der US-Präsident seine Differenzen mit dem Justizminister in einem Gespräch ausräumt. Bislang offensichtlich erfolglos. Sessions sei zwar "stinksauer" über die Demütigungen, heißt es laut Daily Beast aus seinem Umfeld; sein Stabschef habe dem Weißen Haus jedoch bereits am Wochenende mitgeteilt, dass er einen Rücktritt nicht in Erwägung ziehe. Politico zitiert einen hochrangigen Mitarbeiter des Weißen Hauses mit den Worten: "Er wird dafür sorgen, dass Trump selbst die Entscheidung treffen muss."

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