Unicef:Drei Viertel aller geflüchteten Kinder erleben Missbrauch und Ausbeutung

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Ein kleines Kind aus Gambia am Strand der griechischen Insel Kos (Bild von 2015). (Foto: Getty Images)
  • Einem Unicef-Bericht zufolge sind 77 Prozent aller Minderjährigen, die über das Mittelmeer flüchten, Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt.
  • Besonders häufig betroffen sind demnach Kinder aus Subsahara-Afrika.
  • Die Herausgeber der Studie fordern von der EU die Schaffung legaler Fluchtwege.

Viele Flüchtlinge haben in ihrem Herkunftsland Krieg und Not überlebt, auf ihrem Weg nach Europa werden sie häufig ausgenutzt und misshandelt - doch besonders schwer trifft es die, die sich nicht wehren können: 77 Prozent aller Kinder, die über die Mittelmeerroute fliehen, werden Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Praktiken, die mit Menschenhandel zu vergleichen sind.

Das geht aus einem Bericht hervor, den das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) gemeinsam mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) veröffentlicht hat. Der Report basiert auf Interviews mit 22 000 Migranten und Flüchtlingen, die zwischen Januar 2016 und Mai 2017 geführt wurden. Die Hälfte der Befragten sind Minderjährige.

Der 16-Jährige Aimamo aus Gambia etwa berichtet, er sei nach seiner Ankunft in Libyen von Schleusern monatelang zur Arbeit gezwungen worden: "Wenn du versuchst wegzulaufen, erschießen sie dich. Wenn du aufhörst zu arbeiten, schlagen sie dich. Wir waren wie Sklaven. Am Ende des Tages sperren sie dich einfach weg." Besonders häufig von Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch betroffen sind dem Bericht zufolge Kinder und Jugendliche aus Subsahara-Afrika - als wahrscheinlichen Grund führen die Autoren des Berichts Rassismus an.

Menschen, die sich zur Flucht gedrängt sähen, müssten diese häufig im Wissen antreten, "dass sie gezwungen sein könnten mit ihrer Würde, ihrer Gesundheit oder ihrem Leben zu bezahlen", sagte Eugenio Ambrosi, der IOM-Regionaldirektor für die EU. Kinder und Jugendliche sind dem Report nach doppelt so häufig von Ausbeutung und Gewalt betroffen wie erwachsene Flüchtlinge. Für ihre Flucht bezahlen Minderjährige im Durchschnitt 1000 bis 5000 US-Dollar und sind nach ihrer Ankunft in Europa oft hoch verschuldet - ein weiteres Risiko, Opfer von Ausbeutung zu werden.

Der Unicef-Regionaldirektor Afshan Khan bezeichnete die Ergebnisse des Berichts als "erschütternde Realität" und forderte die EU-Regierungschefs zur Einrichtung legaler Fluchtrouten mit Schutzkorridoren auf: "Wir müssen außerdem zu einem rechtsbasierten Umgang mit Migration zurückkehren, der die Identifizierung verbessert und die Verletzlichsten während der Flucht schützt - unabhängig von ihrem Rechtsanspruch auf Asyl."

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