UN-Bericht zum Kongo:"Kompendium von Gerüchten"

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Eher vorsichtig äußert sich ein UN-Bericht zu Übergriffen und Massakern während des Kongo-Krieges. Ruanda, Uganda und Burundi reagierten dennoch empört.

Arne Perras

Die ostafrikanischen Staaten Ruanda, Uganda und Burundi haben heftig gegen einen UN-Bericht zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen im Kongo protestiert, der am Freitag in Genf veröffentlicht wurde. Ruandas Regierung bezeichnete das Dokument als "Beleidigung der Geschichte" und "gefährlich von Anfang bis zum Ende". Ugandas Außenminister Sam Kutesa sprach von einem "Kompendium von Gerüchten", das schwere Fehler aufweise. Burundi erklärte, es habe nie bei den Interventionen im Kongo mit Uganda oder Ruanda kollaboriert.

Der Kongo wird seit Jahren von Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. Die Ereignisse während des Krieges von 1993 bis 2003 sind Gegenstand eines UN-Berichtes. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Der 581 Seiten umfassende Bericht untersucht 617 Übergriffe und Massaker, die sich im Kongo von 1993 bis 2003 ereigneten. Er dokumentiert, wie Zehntausende Menschen verfolgt, gefoltert, vergewaltigt und getötet wurden. Besonders umstritten ist der Vorwurf des Völkermords. Es geht dabei vor allem um Feldzüge nach dem Genozid in Ruanda, bei dem Hutu-Extremisten im Jahr 1994 etwa 800.000 Tutsis und gemäßigte Hutus getötet hatten. Die Völkermörder aus Ruanda waren damals, zusammen mit Hunderttausenden wehrlosen Zivilisten, in den Kongo geflohen - verfolgt von der siegreichen Tutsi-Armee Paul Kagames und verbündeten Kongo-Rebellen. Zehntausende Hutus verloren bei dieser Jagd im Ostkongo ihr Leben.

Die Endfassung des Berichts ist gegenüber einem früheren Entwurf vorsichtiger formuliert, klammert den Vorwurf eines Völkermords aber auch nicht ganz aus. Ein Gericht könnte nach Prüfung einiger Vorfälle zum Schluss kommen, dass "Hutus als ethnische Gruppe zum Teil ausgelöscht werden sollten", heißt es. Andererseits gebe es aber auch Hinweise, die gegen eine "genozidale Absicht" sprächen. Der Bericht ist bemüht, sich bei der Diskussion eines mutmaßlichen Völkermords nicht festzulegen.

Auch mutmaßliche Kriegsverbrechen ugandischer Truppen und ihrer Verbündeten kommen zur Sprache. Das verärgerte Außenminister Kutesa. Er machte deutlich, dass der Bericht das ugandische Engagement für künftige UN-Friedenseinsätze gefährde. Ugandische Truppen dienen in einer Mission der Afrikanischen Union zur Befriedung Somalias. Sie haben nur Soldaten aus Burundi an ihrer Seite. Die ruandische Regierung hatte ihrerseits im August gewarnt, sie könnte ihre Peacekeeper aus dem Kriegsgebiet in Darfur zurückzuziehen, falls die UN den Kongo-Bericht veröffentlichten. Erst nach Gesprächen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon war Kagame bereit, die Drohungen zurückzuziehen.

Uganda und Ruanda gelten als enge Verbündete des Westens, vor allem der USA und Großbritanniens. Schon um den Entwurf des Berichts gab es Monate lang Streit. Im August war eine vorläufige Fassung der Zeitung Le Monde zugespielt worden, offenbar mit dem Ziel, einer drohenden Verwässerung entgegenzuwirken. Ruanda hatte zuvor mit seiner Boykott-Drohung in Darfur versucht, den Druck auf die UN zu verstärken, konnte dessen Veröffentlichung aber nicht verhindern. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Navi Pillay betonte, der Bericht solle helfen, "den Kreislauf der Straflosigkeit zu brechen". Es handele sich aber keineswegs um eine "gerichtliche Untersuchung".

© SZ vom 02.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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