Ukraine-Krise:Putin bereitet Partner Lukaschenko Sorgen

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Alexander Lukaschenko (links) mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Jahr 2004: Dessen Kurs in der Ostukraine bereits dem weißrussischen Präsidenten Sorgen. (Foto: dpa/dpaweb)

In Weißrussland gibt es eine starke russische Minderheit. Ähnlich wie in der Ukraine. Nur, dass Minsk und Moskau befreundet sind. Doch jetzt beunruhigt ein neues russisches Gesetz den weißrussischen Präsidenten Lukaschenko.

Von Tim Neshitov, München

Am Dienstag kamen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk die Staatschefs von Russland, Weißrussland und Kasachstan zusammen. Treffen sich Wladimir Putin, Alexander Lukaschenko und Nursultan Nasarbajew, umgibt das Ganze unvermeidlich die Aura eines Autokraten-Clubs. Putin ist seit 1999 an der Macht, Lukaschenko seit 1994, Nasarbajew sogar seit 1990 (er hatte bereits die Geschicke der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik gelenkt).

In Minsk ging es - offiziell - um die Eurasische Wirtschaftsunion, ein Projekt, das die drei Länder seit Mitte der Neunzigerjahre verfolgen und das laut Nasarbajew auf die "globale Verschiebung der wirtschaftlichen Schwerkraft nach Asien" reagieren soll. Der Gründungsvertrag, der einen gemeinsamen Binnenmarkt vorsieht, soll Ende Mai in der kasachischen Hauptstadt Astana unterzeichnet werden und zum Jahresbeginn 2015 in Kraft treten.

"Die Krim gehört nur de facto zu Russland"

Hinter den Kulissen aber dürfte es in Minsk auch um die Zukunft dessen gegangen sein, was Wladimir Putin bei seiner jüngsten Fragerunde im Fernsehen als "die russische Welt" bezeichnete. Das ist momentan ein heikler Begriff, der innerhalb des Autokraten-Clubs für Unbehagen sorgt.

Ähnlich wie in der Ukraine leben in Weißrussland und Kasachstan (wie auch in weiteren zentralasiatischen Staaten) erhebliche russische Minderheiten. Während der aktuellen Ukraine-Krise sind die Lenker dieser Staaten vor allem dadurch aufgefallen, dass sie zu Wladimir Putins Kurs auf der Krim und in der Ostukraine entweder schwiegen oder ihn missbilligten.

Lukaschenko zählt neben Nordkoreas Herrscherclan zu den treuesten geopolitischen Verbündeten Putins, aber im weißrussischen Parlament sagte Lukaschenko vergangene Woche: "Die Krim gehört nur de facto zu Russland. De jure tut sie das nicht, da es keinerlei internationale Abkommen gibt, keinerlei Anerkennung."

40 Prozent der Weißrussen geben Russisch als ihre Muttersprache an

Die Idee, den Rest der Ukraine zu föderalisieren, gefällt Lukaschenko gar nicht. "Sie verstehen doch sehr gut, wozu diese Föderalisierung gut sein soll", sagte er vor Abgeordneten. "Wenn wir juristisch, also faktisch durch die Hände der Ukrainer, eine Spaltung der Ukraine in Ost und West festlegen, dann kann es sein, dass morgen jemand den Wunsch äußert, sich einen Teil dieser Föderation zu schnappen."

In Weißrussland leben laut Volkszählung 785 000 ethnische Russen, Stand 2009. Das sind knapp acht Prozent der Bevölkerung. Gleichzeitig geben 40 Prozent der Bürger als ihre Muttersprache Russisch an. 70 Prozent halten Russisch sogar für die wichtigste Sprache der Republik. Kein Wunder: Präsident Lukaschenko selbst spricht lieber Russisch. Mit Weißrussisch tut er sich schwer, wobei er seit seinem Amtsantritt keinen Fortschritt zeigt.

Als Präsident eines souveränen Staates jedoch dürfte Lukaschenko beunruhigt sein, dass das Parlament in Moskau unmittelbar nach der Annexion der Krim ein neues Einbürgerungsgesetz verabschiedete, das sich hauptsächlich nach dem Kriterium der Sprache richtet. Fortan kann jeder den russischen Pass beantragen, der Russisch spricht und auf dem Gebiet der Russischen Föderation lebt beziehungsweise dessen Vorfahren hier einst lebten.

Lukaschenko will Moskau die Stirn bieten

Das schließt Millionen Menschen ein, die heute Bürger von Staaten wie Weißrussland, Kasachstan oder sogar des EU-Mitglieds Lettland sind. In Lettland zählen fast 27 Prozent der Bevölkerung zur russischen Minderheit. In Kasachstan machen ethnische Russen beinahe 22 Prozent der Bevölkerung aus. Die meisten sind Nachfahren von Soldaten und Gastarbeitern, die im 19. Jahrhundert und später in der Sowjetzeit nach Zentralasien abkommandiert wurden.

Viele Politiker in Moskau sorgen sich um das Wohlergehen dieser Minderheiten, darunter Putin. Das neue Einbürgerungsgesetz geht aber sogar eingefleischten Nationalisten wie Dmitrij Demuschkin zu weit, Organisator der chauvinistischen "Russischen Märsche". Demuschkin befürchtet, das Gesetz könnte dazu führen, dass auch Millionen zentralasiatischer Gastarbeiter, die heute in Russland leben, den russischen Pass bekommen.

Alexander Lukaschenko machte vor dem Gipfel in Minsk klar, dass er bereit ist, Moskau die Stirn zu bieten. Das gilt für Fragen des Binnenmarkts und des Gastransits, aber das gilt auch für den sich zuspitzenden Ukraine-Konflikt. Die Sorge, vom weißrussischen Territorium könne eine Aggression gegen die Ukraine ausgehen, fegte er vom Tisch. "Sie werden mich nie in Kiew in einem Panzer sehen. Wenn, dann komme ich mit einem Traktor und helfe beim Säen."

Den Rest der Welt glaubt Lukaschenko sowieso an seiner Seite. Am 9. Mai beginnt in Minsk die Eishockey-Weltmeisterschaft.

© SZ vom 30.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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