Überwachungsprogramm Prism:Neue Allianz gegen NSA-Spionage

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Im Repräsentantenhaus steht ein Antrag zur Abstimmung, der die Befugnisse des Geheimdienstes NSA beschneiden würde. Eine Gruppe von Republikanern und Demokraten will die Komplettüberwachung von US-Bürgern stoppen. Das Weiße Haus reagiert sofort und auch NSA-Chef Alexander wird zum Lobbyisten in eigener Sache.

Von Oliver Klasen

Edward Snowden, der Ex-Geheimdienstmitarbeiter, hat sich mit seinen Enthüllungen große Verdienste um die Demokratie erworben. Das sagen jedenfalls seine Unterstützer, zu denen mit Jimmy Carter mittlerweile auch ein früherer US-Präsident zählt. Snowden hat auf die exzessiven Überwachungspraktiken des US-Abhördienstes NSA aufmerksam gemacht und so eine Debatte über den Datenschutz im Internet angestoßen. Eine Debatte - wenn man es mit etwas mehr Pathos ausdrücken mag - darüber, wie viel noch übrig ist vom Ideal des freien Bürgers, auf dessen Fundament die Verfassung der USA einst begründet wurde.

Aber Snowden, der sich noch immer im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo aufhält, hat möglicherweise noch etwas anderes bewirkt. Etwas, das er vermutlich nicht direkt beabsichtigt hat: Er hat die sonst so zerstrittenen politischen Lager in den USA einen Schritt näher zusammengebracht. Ob Abtreibung, Homo-Ehe, Steuern, Gesundheit - in fast allen zentralen Fragen kämpfen Republikaner und Demokraten erbittert um die Deutungshoheit im politischen Diskurs. In Sachen Prism gibt es jedoch Übereinstimmungen zwischen konservativen Tea-Party-Vertretern und einigen liberalen Demokraten.

"Das ist kein parteiliches Thema. Es betrifft das gesamte politische Spektrum", sagt zum Beispiel der Republikaner Justin Amash dem Online-Magazin Politico zufolge. Sein Eindruck ist, dass die große Mehrheit des amerikanischen Volkes entschlossen sei, der "flächendeckenden Überwachung" durch die NSA ein Ende zu bereiten.

Amash hat einen Antrag formuliert, der noch am Mittwoch zur Abstimmung kommen könnte, wenn das Repräsentantenhaus über den Verteidigungsetat berät. Das Ziel: Die Aktivitäten der NSA zu begrenzen und an Auflagen zu knüpfen. Eine Komplettüberwachung von Telefongesprächen und E-Mail-Verkehr soll verboten werden und eine Überwachung nur noch stattfinden dürfen, wenn ein Verdacht vorliegt. Außerdem sollen dem Geheimdienst die Mittel gekürzt werden, wenn er sich nicht an die Auflagen hält.

All dies bezieht sich allerdings nur auf NSA-Aktionen innerhalb der USA, die Überwachungsbefugnisse in anderen Ländern würden nicht angetastet.

Einige Demokraten wollen sich dem Antrag offenbar anschließen. Der demokratische Senator aus Oregon, Ron Wyden, der im Geheimdienstausschuss sitzt und sich als einer der schärsten Kritiker der NSA hervorgetan hat, greift die Regierung der New York Times zufolge sogar direkt an: Die Sicherheitsexperten in Obamas Regierung hätten die amerikanische Öffentlichkeit "aktiv" getäuscht über das Ausmaß der Überwachung im eigenen Land. Es herrsche eine "Kultur der Missinformation", die sich nach dem 11. September 2001 breitgemacht habe. Die Regierung habe ihre Vollmachten immer mehr ausgedehnt und im Namen der Terrorismusbekämpfung eine "grenzenlose" Überwachung legitimiert.

"As we have seen in recent days, the intelligence leadership is determined to hold on to this authority," Mr. Wyden said. "Merging the ability to conduct surveillance that reveals every aspect of a person's life with the ability to conjure up the legal authority to execute that surveillance, and finally, removing any accountable judicial oversight, creates the opportunity for unprecedented influence over our system of government."

Angesichts der über Parteigrenzen gehenden Unterstützung für den Antrag sieht sich das Weiße Haus ausnahmsweise dazu genötigt, sich bereits vor der Abstimmung im Repräsentantenhaus zu äußern. Eine Debatte über den Umfang der Überwachung sei im Prinzip wünschenswert, aber man dürfe nicht vorschnell eines der wichtigsten Werkzeuge für die Terrorismusbekämpfung unbrauchbar machen, sagte Obamas Presseprecher Jay Carney.

"This blunt approach is not the product of an informed, open or deliberative process. We urge the House to reject the Amash amendment, and instead move forward with an approach that appropriately takes into account the need for a reasoned review of what tools can best secure the nation. The president has said that he welcomes a debate about how best to simultaneously safeguard both our national security and the privacy of our citizens."

Auch NSA-Direktor General Keith Alexander betreibt Lobbyarbeit und versucht, eine für seine Organisation ungünstige Entscheidung abzuwenden. In einem kurzfristig anberaumten und streng geheimen Treffen sprach er am Dienstag mit mehreren Abgeordneten. Vier Stunden nahm er sich Zeit, um mit den Kritikern zu diskutieren.

Der Republikaner Amash glaubt dennoch, dass sein Antrag gute Chancen hat, bei den Abgeordneten eine Mehrheit zu gewinnen: "Ich glaube nicht, dass irgendwer seine Meinung geändert hat."

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