Trump:Warum Trump so gefährlich für Europa ist

Angela Merkel war Amerikas treueste politische Freundin. Doch der künftige US-Präsident will Europa spalten. Reagiert die Kanzlerin auf Trump falsch, dann ist die Europäische Union erledigt.

Kommentar von Nico Fried

Angela Merkels persönliche Zuneigung zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist schwer zu erschüttern. Noch mehr gilt das für den politischen Wert, den die Kanzlerin dem transatlantischen Verhältnis beimisst. Gerhard Schröders Nachfolgerin ließ sich von der breiten Verachtung für den damaligen Präsidenten George W. Bush nicht abhalten, ein enges Verhältnis zu ihm aufzubauen. Sie fremdelte erst mit dem Charismatiker Barack Obama und ärgerte sich später über seine Politik in Libyen, Syrien und über die Abwertung Russlands als Regionalmacht. Nichts davon hätte aber ihren Glauben an die USA als Premiumpartner infrage gestellt, weshalb sie auch den NSA-Lauschangriff auf ihr Handy widerstandslos hinnahm.

Als wolle das Schicksal die Grenzen der Kanzlerin weiter testen

Merkel ist Amerika eine politische Freundin, die für ihre Treue bisweilen Selbstverleugnung betrieben hat. Es wirkt fast so, als wolle das Schicksal die Grenzen der Kanzlerin weiter testen, wenn sie es nun mit einem Präsidenten zu tun bekommt, der ihre Politik bereits vor seiner Amtseinführung öffentlich wahlweise als geisteskrank oder als katastrophalen Fehler bezeichnet hat. Aber mit Donald Trump im Weißen Haus geht es um mehr als eine persönliche Beziehung zwischen Präsident und Kanzlerin, die notfalls auch von versierten Diplomaten ersetzt werden kann wie zu Zeiten von Schröder und Bush. Merkel muss sich darauf einrichten, dass die Verbindung, die für sie und jede bisherige Bundesregierung einen Grundpfeiler der Außenpolitik bildete, am anderen Ende völlig neu vermessen und beurteilt wird.

Aus dem Interview, das Trump jetzt der Bild-Zeitung gegeben hat, ist ersichtlich, dass Merkel ein gelinde gesagt verengtes Bild des künftigen Präsidenten zu bearbeiten haben wird. Es ist ein Neuanfang auch in dem Sinne, dass manches von Grund auf erklärt werden muss. Trumps wichtigstes politisches Kriterium ist die Kosten-Nutzen-Rechnung. Sie bezieht sich auf die Gegenwart und nicht auf historische Zusammenhänge. Deshalb beurteilt er die EU danach, wer wie viel finanziellen Profit daraus zieht und nicht danach, ob sie ein geschichtlich einmaliges Friedensprojekt ist. Deshalb befasst er sich nicht mit der Begründung von Sanktionen gegen Russland, sondern mit den Chancen auf Deals, die darin stecken. Deshalb beschäftigt ihn nicht, ob Sicherheitszonen für die Menschen in Syrien politisch machbar, sondern nur, dass sie billiger gewesen wären als die Versorgung von Flüchtlingen in Europa.

Auch in der Konsensgesellschaft Deutschland ist die Polarisierung stark

Die Aufgabe, mit Trump in einen um Fakten und Facetten angereicherten Austausch zu treten, dürfte nicht nur wegen seiner Persönlichkeit schwierig sein. Man bräuchte als Grundlage auch das, woran es Europa als Ganzes wie den Einzelstaaten zunehmend mangelt: einen Konsens über sich selbst. Doch allenthalben ist die Polarisierung stärker denn je, auch in einer traditionellen Konsensgesellschaft wie Deutschland. Und niemand sollte darauf setzen, dass der Trumpismus die Reihen in Solidarität zu schließen hilft.

Im Gegenteil: Schon ein Abgleich mit Deutschland zeigt, wie Trumps einfache Urteile manche Gewissheit erschüttern und fast jeder politischen Gruppierung auch Anknüpfungspunkte bieten. Die von Trump avisierte interventionistische Wirtschaftspolitik hat Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht jüngst schon ein Lob entlockt. Die Verurteilung von Merkels Flüchtlingspolitik und ihre Verknüpfung mit dem Terrorismus würden Trump eine Ehrenmitgliedschaft in der AfD einbringen, hätte er noch einen Wohnsitz im pfälzischen Kallstadt, dem Geburtsort seines Großvaters. Sein Urteil über den Irak-Krieg und der Wunsch nach Konzilianz gegenüber Wladimir Putin decken sich wiederum mit der Weltsicht vieler Sozialdemokraten. Dafür ist die von ihm geschätzte deutsche Tugend Ordnung der Titel des aktuellen CSU-Programms. In der Sprache Trumps gesagt: Hie und da ist vielleicht ein Deal möglich.

Tritt die EU nicht geschlossen auf, hat sie keinen Wert mehr

Diese Mechanik punktueller Übereinstimmung ist aber vor allem für Europa gefährlich. Begegnet man Trump mit der Haltung, wenn jeder im Verhältnis zu den USA für sich sorge, sei für alle gesorgt, dann ist die Europäische Union erledigt. Dann kann der Präsident partikulare Interessen nach seinen Wünschen bespielen; dann kann er Europa auch in Taten spalten, wie er es bisher nur mit Worten macht, zum Beispiel mit seinem Lob für den Brexit oder mit dem Satz, die EU diene vor allem Deutschland als Mittel zum Zweck. Tritt die Wertegemeinschaft EU nicht geschlossen auf, hat sie keinen Wert mehr. Deshalb beginnt gerade für Merkel die Arbeit am neuen transatlantischen Verhältnis nicht so sehr in Washington, sondern vor allem in den Hauptstädten Europas.

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