Terror:Die Chats der Attentäter von Würzburg und Ansbach mit dem IS

Axt-Attacke in Zug bei Würzburg

Axt-Attacke in Zug bei Würzburg: Ein Täter hatte Reisende mit einer Axt angegriffen und mehrere Menschen lebensgefährlich verletzt.

(Foto: dpa)
  • Ermittler gehen davon aus, dass IS-Instrukteure im Netz unterwegs sind und nach Kandidaten suchen, die als potenzielle Terroristen infrage kommen.
  • Chat-Protokolle zeigen, wie sich die IS-Hintermänner mit den späteren Attentätern austauschen.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Als Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag über die drei festgenommenen mutmaßlichen Mitglieder der Terrormiliz IS sprach, wies er darauf hin, es gebe auch Einzeltäter, "die ferngesteuert" seien. Damit meinte er vor allem die Attentäter der Anschläge von Würzburg und Ansbach im Juli. Auch die inzwischen 16-Jährige, die im Februar auf einen Polizisten in Hannover einstach, wurde mutmaßlich von IS-Leuten dirigiert.

"Ferngesteuert" - das ist eine neue Kategorie aus Sicht der Terrorfahnder. Es gebe da "jemanden, der maßgeblich auf dieses Tatgeschehen Einfluss genommen hat", hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach einem der Anschläge in Bayern gesagt. Die Ermittler, die sich mit dem offenbar neuen Phänomen beschäftigen, gehen davon aus, dass mutmaßliche IS-Instrukteure im Netz unterwegs sind und nach Kandidaten suchen, die als potenzielle Terroristen infrage kommen - Mitmach-Terroristen sozusagen.

Der Attentäter von Würzburg chattete heimlich mit einem IS-Instrukteur

Beispiel Würzburg: Der 17-jährige Riaz Khan A. war 2015 ohne seine Eltern nach Deutschland geflohen und in Ochsenfurt bei Würzburg untergekommen. Als Eiferer fiel er nicht auf. Was niemand ahnte: Der Junge chattete heimlich mit einem mutmaßlichen Instrukteur des IS.

Chat-Partner: "Mit welchen Waffen beabsichtigst du zu töten?"

Riaz A. antwortet: "Messer und Axt sind bereitgelegt."

Chat-Partner: "Bruder, wäre es nicht besser, es mit einem Auto durchzuführen?"

Riaz A.: "Ich kann nicht Auto fahren."

Chat-Partner: "Du solltest es lernen."

Riaz A.: "Das Erlernen kostet Zeit."

Chat-Partner: "Der Schaden wäre auch erheblich größer."

Riaz A.: "Ich möchte heute Nacht ins Paradies kommen."

Am Abend des 18. Juli, des Tages des Attentats, waren Riaz A. und der mutmaßliche IS-Terrorist von 18.34 Uhr an in besonders engem Kontakt.

Riaz A.: "Hör dir eine wichtige Sache an."

Chat-Partner: "Ja."

Riaz A.: "Bruder, ich sende dir mein Video. Ich werde heute in Deutschland einen Anschlag mit einer Axt unternehmen."

Riaz A. schickte ein Bekennervideo an eine IS-Propagandaagentur: "Ich bin ein Gotteskrieger des Islamischen Staats. Ich werde euch mit meinem Messer töten und eure Köpfe mit der Axt spalten, so Gott will."

Chat-Partner: "Nicht mit einem Messer. Mach es mit der Axt. Wenn du den Anschlag begehen wirst, so Gott will, wird der Islamische Staat die Verantwortung dafür übernehmen."

Riaz A.: "Ich sende dir jetzt das Video."

Chat-Partner: "Sichere es schnell."

Riaz A.: "Bete, dass ich zum Märtyrer werde. Ich warte jetzt auf den Zug."

Riaz A. stieg dann, mit einer Axt und einem Messer bewaffnet, in einen Regionalzug. Wenig später schreibt er noch einmal.

Riaz A.: "Fang jetzt an."

Chat-Partner: "Jetzt erlangst du das Paradies."

Riaz A. verletzte vier Reisende im Zug schwer. Auf der Flucht griff er Polizeibeamte an und wurde von einem Spezialeinsatzkommando erschossen.

Auch der Attentäter von Ansbach wurde vom IS per Chat gesteuert

Beispiel Ansbach: Der Syrer Mohammad D. kam 2014 nach Deutschland. Angeblich war seine Familie in Syrien zu Tode gekommen. Der 27-Jährige hatte zuvor bereits in Bulgarien Asyl beantragt, gab aber an, dort schwer misshandelt worden zu sein. In Ansbach kümmerte sich eine Gruppe von Flüchtlingshelfern um ihn. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Er unternahm offenbar zwei Suizidversuche.

Auch Mohammad D. kam in Kontakt mit einem mutmaßlichen IS-Instrukteur. Er wurde ebenfalls aufgefordert zu morden. Der Anschlag sollte beim Musikfestival "Ansbach Open 2016" stattfinden. Mohammad D. schickte dem Instrukteur zunächst ein Foto des Platzes, auf dem das Festival stattfinden sollte.

Mohammad D.: "Dieser Platz wird voll von Leuten sein."

Chat-Partner: "Töte sie alle auf einer großen Fläche, dass sie am Boden liegen."

Am 24. Juli, dem Tag des Anschlags, steht der 27-Jährige wieder in Kontakt mit seinem Instrukteur.

Mohammad D.: "Die Party ist bald zu Ende, und es gibt am Eingang eine Kontrolle."

Chat-Partner: "Such dir einen Platz, und tauch in die Menge ein. Durch die Polizei brechen, rennen, und tue es."

Mohammad D. "Bete für mich. Du weißt ja nicht, was gerade mit mir passiert."

Chat-Partner: "Vergiss das Fest, und gehe zum Restaurant. Mann, was ist mit dir los? Ich würde es wegen zwei Personen durchführen. Vertrau Gott, und lauf zum Restaurant los."

Mohammad D. steuerte eine Weinstube neben dem Festivalgelände an. Dort ging seine Rucksackbombe los. 15 Menschen wurden verletzt. Mohammad D. starb. Vermutlich wurde die Bombe versehentlich gezündet. Der IS behauptete, D. sei ein erfahrener Kämpfer gewesen, ein "Soldat".

Die Schülerin Safia S. bat den IS um Hilfe bei der Tatplanung

Beispiel Niedersachsen: Im Oktober soll vor dem Oberlandesgericht in Celle der Prozess gegen die 16-jährige deutsch-marokkanische Schülerin Safia S. beginnen. Sie stach am 26. Februar im Hauptbahnhof in Hannover einen Bundespolizisten nieder. Die Schülerin hatte nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft den IS um Hilfe bei der Tatplanung gebeten, sie ist also nicht zuerst vom IS angesprochen worden. Die 16-Jährige stand aber über einen Messenger-Dienst in Kontakt mit dem IS. Ihr Coach stellte sich Safia als "Leyla" vor.

Einen Tag vor der Tat gab "Leyla" letzte Anweisungen. Die Schülerin solle einen Polizeibeamten unter einem Vorwand in eine Ecke des Bahnhofs locken, zustechen, ihm seine Pistole entwenden und dann schießen. Safia S. erklärte, sie könne nicht mit einer Pistole umgehen. "Leyla" versprach, ihr zu helfen. Sie brauche dafür nur ein Foto der Pistole, die Bundespolizisten in Deutschland verwendeten.

Die Schülerin schickte ihr kein Foto, aber sie versandte ein Bekennervideo an den IS. Am nächsten Tag nahm sie ein Gemüsemesser und ein Steakmesser, ging zum Bahnhof und stach einem Polizisten in den Hals. Der Beamte wurde schwer verletzt.

Wer "Leyla" ist, wissen die Ermittler bis heute nicht.

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