Raketenabwehr THAAD:Trumps Wahlkampfhilfe in Südkorea

Lesezeit: 3 min

Zum Erstaunen aller erklärte Donald Trump kürzlich, es wäre ihm eine Ehre, Kim Jong-un persönlich zu treffen. (Foto: AP)
  • US-Präsident Trump fordert von Südkorea eine Milliarde Dollar für die umstrittene Raketenabwehr THAAD.
  • Damit leistet er dem liberalen Kandidaten Moon Jae-in Hilfe für die Präsidentschaftswahl am 9. Mai.
  • Südkoreas Liberale haben neben politischen auch technische Argumente gegen THAAD.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Der amerikanische Präsident Donald Trump hat in Südkoreas Wahlkampf eingegriffen, wenn auch unbeabsichtigt. Seoul müsse Washington eine Milliarde Dollar für die umstrittene Raketenabwehr THAAD zahlen, verkündete Trump am Wochenende. Damit hat er dem Liberalen Moon Jae-in, dem Favoriten für die Präsidentschaftswahl am 9. Mai, eine Steilvorlage geliefert.

Moon hatte stets verlangt, die Entscheidung über THAAD (Therminal High Altitude Area Defense) der nächsten Regierung zu überlassen. Viele Liberale sperren sich gegen THAAD, doch gerade deshalb hat die konservative Partei der abgesetzten Präsidentin Park Geun-hye gemeinsam mit dem Pentagon vollendete Tatsachen geschaffen. Die Stationierung von THAAD ist so gut wie abgeschlossen. Die Konservativen haben wegen ihrer Skandale und Affären keine Chance mehr auf die Präsidentschaft. Die Partei bricht auseinander.

Als Stabschef des früheren Präsidenten Roh Moo-hyung spielte Moon einst eine zentrale Rolle in der sogenannten Sonnenscheinpolitik. Der hübsche Begriff bezeichnet Seouls Versuch, Nordkorea mit Wirtschaftshilfen zur allmählichen Öffnung nach Süden zu bewegen. So gelang es, die militärische Lage auf der koreanischen Halbinsel etwas zu entspannen. Ziel der Sonnenscheinpolitik war nicht ein Regimewechsel oder eine rasche Wiedervereinigung; das Kim-Regime sollte vielmehr als Partner behandelt werden.

Als US-Außenminister Rex Tillerson vorige Woche sagte, Washington habe keine Absicht, Kim Jong-uns Regime zu stürzen, war das ein Echo dieser Überlegung: dass sich der Korea-Konflikt militärisch nicht lösen lässt. Rohs Nachfolger, Präsident Lee Myung-bak, stoppte 2008 die Sonnenscheinpolitik; Nordkorea wiederum beschleunigte sein Atomprogramm. Falls Moon gewählt wird, ist davon auszugehen, dass er versucht, den Dialog mit Nordkorea wieder aufzunehmen.

Neben politischen Argumenten gibt es auch technische gegen das Verteidigungssystem

Südkoreas Liberale haben neben den politischen auch technische Argumente gegen THAAD. Ihr Kronzeuge ist Theodore Postol, ein Raketenexperte des Massachusetts Institute of Technology, der sagt, THAAD sei nie wirklich erfolgreich getestet worden. Vielmehr habe der Hersteller Raytheon die Bedingungen für seine Tests so manipuliert, dass diese glücken mussten. Eine THAAD-Abfangrakete muss die Angriffsrakete in großer Höhe treffen und dafür deren Flugbahn antizipieren. Diese Vorausberechnungen zu sabotieren, sagt Postol, sei einfach: etwa, indem man mehrere Raketen gleichzeitig abfeuert.

Und selbst wenn THAAD funktionieren sollte, erläutert Postol, hätte das System keine Chance, nordkoreanische Raketen abzufangen, die auf Seoul abgefeuert würden. Diese würden gar nicht in jene etwa 45 Kilometer Höhe aufsteigen, für die THAAD konzipiert ist. Überdies liegt Südkoreas Hauptstadt fast an der innerkoreanischen Grenze, die THAAD-Batterien sind aber 250 Kilometer weiter südlich stationiert; nach Ansicht Postols könnten sie die Angriffsraketen schon zeitlich nicht erreichen. Postols Fazit: THAAD sei Geldverschwendung. Peking hat verärgert auf die THAAD-Stationierung reagiert.

Die Chinesen werfen den USA Wortbruch vor. Die leistungsfähigen THAAD-Radaranlagen, die tief nach China hineinhorchen können, wären in der Lage, Raketenstarts frühzeitig wahrzunehmen und automatisch an die US-Raketenabwehr weiterzumelden- ein strategischer Vorteil für die Amerikaner. Aus Sicht der Chinesen stört THAAD deshalb das Gleichgewicht der Abschreckung. Peking übt wegen THAAD derzeit wirtschaftlich Druck auf Südkorea aus.

Moons einziger ernsthafter Gegner ist der Zentrist Ahn Cheol-soo, ein ehemaliger Arzt und Internet-Unternehmer mit wenig politischer Erfahrung. Er buhlt um die Stimmen jener Wähler, die dem konservativen Lager zuneigen, aber die Nase voll haben von der korrupten Clique um Park. Südkoreas Rechte hält den Liberalen gerne vor, sie seien Nordkorea-freundlich und antiamerikanisch, dabei hänge Südkoreas Sicherheit doch von den USA ab. Von Trumps Aussagen am Wochenende dürften sie daher wenig begeistert gewesen sein.

Der sagte nicht nur, Seoul müsse für THAAD zahlen. Er kritisierte auch das "fürchterliche" Freihandelsabkommen der USA mit Südkorea und drohte, es zu kündigen. Und zum Erstaunen aller erklärte er auch noch, es wäre ihm eine Ehre, Kim Jong-un persönlich zu treffen.

Trumps Sicherheitsberater Herbert McMaster, versicherte Südkoreas Verteidigungsminister zwar telefonisch, Washington übernehme die Kosten für THAAD. Vizepräsident Mike Pence hingegen wiederholte, die Koreaner müssten doch zahlen. Solche Widersprüche wecken in Seoul den Eindruck, auf Washington sei kein Verlass mehr. Auch das dürfte Moon in die Hände spielen.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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