Donald Trump:Präsident ohne Prinzip

Pres. Donald Trump gives remarks and signs the Antiquities Executive Order

Der Inhalt des Deals ist Trump oft egal - er will nur seinen Namen darunter schreiben und dafür Lob erhalten.

(Foto: AFP)

Donald Trump führt das Weiße Haus wie einst sein Familienunternehmen und frei von politischen Grundsätzen. Was heißt das für die Zukunft?

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Der "Wheeler-Dealer" gehört zu jenen amerikanischen Figuren, die sowohl Bewunderung als auch leichte Verachtung auf sich ziehen. US-Präsident Donald Trump zählt zu den Prototypen dieser Spezies, deren Name im Deutschen mit "Geschäftemacher", aber eben auch mit "Mauschler" übersetzt werden kann.

Nun gelten Geschäfte in den USA als eine Form des sportlichen Wettkampfs, in dem sich Geschick gerade am Rande des Erlaubten und der Fairness zeigt. Genau diese Gewandtheit versprach der Republikaner seinen Wählern und als Resultat ein "Amerika, das endlich wieder gewinnt". Die USA würden so oft gewinnen, dass die Bürger vor lauter Siegen ermüden würden.

Kritiker wie Anhänger haben die Idee des Unternehmers Trump als "CEO-Präsident" immer wieder ins Feld geführt. Nach 100 Tagen sieht die Bilanz durch diese Linse betrachtet durchwachsen aus: Fundamentaldaten signalisieren eine halbwegs intakte Wirtschaft, einige "Geschäftsabschlüsse" dagegen lassen erahnen Trump den "Art of the Deal" in der Politik noch nicht erlernt hat.

Die Strategie-Blaupause des gleichnamigen Trump-Werks aus den Achtzigern ist recht einfach gezeichnet: Häufig werden selbst unantastbar geglaubte Grundlagen vom Tisch genommen, um dann die Verhandlungen bei null zu beginnen und bessere Bedingungen zu erzielen. Oder man steigt unverschämt niedrig ein, um als Kompromiss bei einem gutem Ergebnis zu landen. Immer gilt: Wenn das Gegenüber den Bluff erkennt, gibt es immer die Möglichkeit, aufzustehen und zu gehen.

Politische Grenzen des "Art of the Deal"

Die politischen Grenzen dieses Ansatzes sind leicht zu erkennen: Wenn Trump einen New Yorker Bauunternehmer stehen lässt, sitzt das nächste Mal ein anderer Bauunternehmer vor ihm. Wenn er Chinas Präsidenten Xi Jinping düpiert, sitzt Xi nicht nur das nächste Mal wieder vor ihm, sondern hat auch einige diplomatische Gegenmaßnahmen zur Hand.

Die Rückzieher des 45. US-Präsidenten gegenüber China, der Meinungsumschwung bezüglich der Nato oder auch die geplatzte Gesundheitsreform, als erzkonservative Abgeordnete das Ultimatum des Trump-Teams kühl ignorierten, symbolisieren die realpolitische Flachheit des "Art of the Deal"; hätte der amtierende US-Präsident Forderungen und Verhandlungsfähigkeiten allerdings rhetorisch nicht derart aufgeblasen, die Niederlagen wären ihm wohl wie vielen seiner Vorgänger mit etwas Wohlwollen als Lehrstunden für einen Novizen im Amt ausgelegt worden.

Es wäre einfacher, mögliche Lerneffekte daraus zu erkennen und ihre Auswirkungen zu bewerten, wenn eine klare Hierarchie im Weißen Haus und auf der präsidialen Werteskala zu erkennen wäre. Wenn der 70-Jährige über Themen spricht, wirkt er oft desinteressiert und wie ein apolitischer Politik-Verkäufer, dem der Inhalt des Deals egal ist - er will nur seinen Namen darunter schreiben und dafür Lob erhalten.

Die Vor- und Nachteile fehlender Prinzipien

Wer politisch interessiert ist, erschaudert nicht nur vor den mannigfaltigen Interessenskonflikten von Trumps Familie und vielen seiner Minister, sondern vor allem vor einer solchen ideellen Entkernung eines US-Präsidenten. Jedoch bedeutet das völlige Fehlen von Prinzipien auch, dass Trump seine Prinzipien weder verraten kann, noch durch den Verweis auf sie manipulierbar ist.

Wenn der 70-Jährige seiner erlernten Rolle als Chef seiner Immobilien- und Lizenzgeber-Firma treu bleibt, wird er es anderen überlassen, eine Haltung für ihn zu entwickeln. Ehemalige Mitarbeiter berichten, dass er Abteilungsleitern viel Raum ließ und letztlich oft spontan, in letzter Minute und nach Laune inklusiver persönlicher Sympathie entschied. Streit stört ihn nicht: Auf dem Weg zu seinem abschließenden Urteil ließ er die Akteure um die beste Einflüster-Position kämpfen, inklusive zügiger Abservierung.

Unter großer medialer Aufmerksamkeit und gespeist von Indiskretionen findet dies nun quasi-öffentlich statt. Das ist zwar dem Vernehmen nach nicht im Sinne Trumps, aber im Geiste des Reality-TV, das er schon als Kandidat zum aktuellen Betriebssystem der amerikanischen Politik machte.

"In den oberen Rängen sind alle so misstrauisch, dass es im Organigramm nach unten durchschlägt und alle paranoid und argwöhnisch geworden sind", analysierte im März ein Republikaner aus dem Umfeld des Weißen Hauses. Von einem "königlichen Hof" sprechen einige böse Zungen bereits, byzantinische Palast-Intrigen eingeschlossen.

Der Chef delegiert

Neben seinem Team spricht Trump auch abends am Telefon mit Unternehmerfreunden oder lässt sich von den Spins des TV-Senders Fox News leiten. Besonderes Gewicht hat das Wort von Tochter Ivanka Trump und, mit Abstrichen, das ihres Ehemannes Jared Kushner. President Trump Inc. bedeutet Familienunternehmen statt Großkonzern. Buddenbrooks statt Business School.

Wie sich die Politik in diesem Koordinatensystem orientiert, wird gerade ausgemessen: Das Pentagon erhielt beispielsweise größere Freiheiten für Militäraktionen, was angesichts der fragilen Lage von Syrien bis Afghanistan weitreichende aber unklare Folgen hat. Behörden bekamen Führungskräfte, die ihnen nicht wohl gesonnen sind, was zu einer Schwächung von Regulierungsfunktionen führt - am drastischsten ist dies bei der für Umweltschutz zuständigen EPA.

Anerkennung für die präsidiale Marke

Ein unerfahrener Akteur wie Jared Kushner erhielt erstaunliche außenpolitische Aufgaben. Die ersten Schritte für eine Stärkung von Großfirmen und Kapitalbesitzern - letztlich Trumps eigene Klasse - im Gemenge gesellschaftlichter Interessen sind eingeleitet.

All diese Entwicklungen werden sich absehbar bei schnell wechselndem Personal fortsetzen; in den meisten Fragen wird Donald Trump allerdings unberechenbar bleiben außer in dem Wunsch, als präsidiale Marke Anerkennung zu erhalten und geliebt zu werden - vor allem von seiner Basis und trotz seiner "FakeNews"-Beleidigungen auch von den Medien . Auch dies kann, von Beratern, Politikern und anderen Einflüsterern genutzt, zu einer Form von Kontinuität beitragen.

In einer nach politischen Vorlieben zersplitterten amerikanischen Realität kann die Öffentlichkeit hier Realpolitik, radikalen Pragmatismus, Ideologie und politischen Nihilismus nur schwer unterscheiden.

Und wahrscheinlich gilt für den CEO-Präsidenten Trump das gleiche wie für ein börsennotiertes Unternehmen: Das Resultat wird kurzfristig gemessen, während sich wenig sichtbare Versäumnisse, Strukturschäden und mögliche Folgen für die Umwelt langfristig stets als folgenreicher entpuppen. Und um die Bewältigung dieser Probleme muss sich dann jemand anders kümmern.

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