Vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der bayerischen Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth verschärft die CSU erneut den Ton in der Flüchtlingspolitik. Es falle "extrem schwer", Geduld zu bewahren, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Dienstag. "Wir brauchen wieder eine Herrschaft des Rechts", forderte er mit Blick auf den Umgang mit Flüchtlingen an deutschen Grenzen. Die CSU werde bis dahin nicht ruhen.
Seehofer erlitt einen Schwächeanfall, als er vor der Fraktion redete. Der 66-Jährige musste gestützt werden, sprach aber im Sitzen weiter, von Beifall unterbrochen. Ein Notarzt wurde wieder zurückgeschickt, Seehofer setzte seine Teilnahme an der Klausur fort.
Schon vor seiner Rede unterstützte der CSU-Chef Edmund Stoibers Ultimatum an die Kanzlerin. Der CSU-Ehrenvorsitzende hat Merkel "maximal bis Ende März" Zeit gegeben, die Flüchtlingszahl zu verringern. "Ich glaube, das ist eine vernünftige Zeitachse", erklärte Seehofer. Zur Frage, ob er dann befürworte, den Streit zu verschärfen, sagte er: "Davon können Sie ausgehen." Hinter verschlossenen Türen forderte Seehofer Abgeordneten zufolge, 2016 müsse die Wende in der Flüchtlingspolitik kommen. Sonst sei das Lebenswerk mehrerer politischer Generationen in Bayern in Gefahr.
Die Kanzlerin hat sich für den Mittwochnachmittag in der Fraktion angekündigt. Anfang Januar war sie Gast der CSU-Landesgruppe. Der Besuch nun gilt als heikler, der Unmut bei den bayerischen Abgeordneten ist groß. Die Kanzlerin werde "nicht geschont", heißt es einhellig. Demonstrativ stellte sich die CSU-Spitze am Dienstag hinter Merkels Kritiker in der CDU. Knapp 50 CDU-Abgeordnete der Union sollen einen Brief an Merkel unterschrieben haben, in dem sie auf Kurskorrektur dringen. Hinzu kommen 56 Bundestagsabgeordnete der CSU-Landesgruppe, die bereits auf ihrer Klausurtagung Anfang Januar Ähnliches gefordert hatten. Als erstes Mitglied ihres Kabinetts rief Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Kanzlerin auf, einen Kurswechsel zu vollziehen. Insgesamt hat sich also ein Drittel der Fraktion gegen Merkels Flüchtlingspolitik positioniert.
Flüchtlingsdebatte:Dobrindt fordert Merkel zu Kurswechsel in der Asylpolitik auf
Nun kommt die Kritik auch aus dem Kabinett: Der Verkehrsminister warnt, man werde "um Grenzschließungen nicht mehr herumkommen".
Die CSU will zwölf Forderungen stellen
Vize-CDU-Chefin Julia Klöckner rügte Kritiker am Montag, sie sollten "mal die Klappe halten", die Debatte sei in den laufenden Landtagswahlkämpfen nicht hilfreich. Seehofer sagte in Kreuth, er kenne diesen Umgang mit abweichenden Meinungen: "Das ist nicht mein Stil." Bayerns Finanzminister Markus Söder wurde deutlicher: "Das Motto muss sein: Augen auf statt Klappe zu." Die CSU werde sich in Kreuth "nicht den Mund verbieten lassen".
Die CSU will Merkel einen Katalog mit zwölf Forderungen zur Flüchtlingspolitik übergeben. 32 Landtagsabgeordnete haben zudem einen offenen Brief an Merkel verfasst. In dem Schreiben ist von Ängsten, Sorgen und Wut der Menschen die Rede und vom "großen Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der Politik".
Gleichwohl wird Merkel ihre Position nicht ändern. Forderungen nach einem Plan B für den Fall des Scheiterns einer Begrenzung der Flüchtlingszahlen wird Merkel in Kreuth eine Absage erteilen.