Steuerstreit in der schwarz-gelben Koalition:"Kein Modell ist vom Tisch"

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Wirtschaftsminister Rösler kämpft weiter für Steuerentlastungen. Trotz des Koalitionskrachs bekommt er Schützenhilfe von der Kanzlerin: Merkel hält die Steuerpläne keineswegs für gescheitert. CSU-Chef Seehofer fordert dagegen ein völlig anderes Modell. Noch größer ist die Uneinigkeit nur in der Frage, wie das jüngste schwarz-gelbe Krisentreffen überhaupt verlaufen ist. Die Opposition tobt.

Was ist am Freitagabend beim Krisentreffen der schwarz-gelben Koalitionäre zum Steuerstreit passiert? Nicht nur die Sachfragen sind ungeklärt, auch über den Verlauf der Begegnung gibt es unterschiedliche Versionen.

Es habe keine Panne bei der Verkündung der schwarz-gelben Steuersenkungen gegeben, heißt es aus Koalitionskreisen. Dass Finanzminister Schäuble, CDU, und Wirtschaftsminister Rösler, FDP, am Donnerstagabend vor die Presse traten und Steuersenkungen verkündeten, ohne dies vorher mit CSU-Chef Seehofer abgesprochen zu haben, sei kein bewusster Affront gegen die Spitze der Christsozialen gewesen. Lediglich "ein Türöffner für eine breite Diskussion über die gewünschte steuerliche Entlastung der Bürger".

FDP-Chef Rösler sagte über das eilig anberaumte fünfstündige Spitzentreffen der Koalitionäre am Freitagabend sogar: "Die Stimmung war gut, wie man so sagt, freundschaftlich". Die Kanzlerin habe lediglich klargestellt, "dass das eine oder andere an Kommunikationsschwäche auf Seiten der Union zu finden ist", so Rösler.

Was der Wirtschaftsminister als "Kommunikationsschwäche" abtut, werten Beobachter als weiteres Kapitel im Endlosstreit der schwarz-gelben Koalition. Da verkünden zwei Minister eine ohnehin schon wenig ambitionierte Steuersenkung mit einer Entlastung von lediglich sieben Milliarden Euro, und am nächsten Tag tagt ein Koalitionsausschuss, der eben diese Steuersenkung wieder kassiert.

Tatsächlich soll CSU-Chef Seehofer heftig erbost gewesen sein über den Alleingang seiner beiden Koalitionspartner. Er habe offen für einen anderen Weg der Entlastung plädiert, nämlich eine Senkung des Solidaitätszuschlages. Auch verlautete von Teilnehmern der Koalitionsgipfels, Merkel habe sich bei Seehofer für den nicht abgesprochenen Steuervorstoß entschuldigt und die Verantwortung für das Missverständnis übernommen. Aus Regierungskreisen kommt hingegen der Konter, es habe keine Entschuldigung Merkels gegenüber Seehofer gegeben.

Klar ist: Die Koalition will nun bis Anfang November verschiedene Modelle zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen prüfen und dann nach Absprache mit den Unions-Ministerpräsidenten entscheiden.

Die Kanzlerin hat mittlerweile der Darstellung widersprochen, der Vorschlag von Schäuble und Rösler sei nach den jüngsten Querelen bereits gescheitert: "Kein Modell ist vom Tisch", sagte die CDU-Chefin auf der Bundesdelegiertentagung der Frauen-Union in Wiesbaden. Das Ziel sei weiter, kleinere und mittlere Einkommen, "wo immer möglich, zu entlasten", so Merkel. Die Idee, dies über eine Änderung bei der sogenannten kalten Progression zu tun, sei "ein richtiger und guter Vorschlag".

Auch Rösler bekräftigte beim Bundeskongress der Jungen Liberalen noch einmal seine Forderungen nach Steuersenkungen: "Wir wollen vor allem, dass eine Entlastung in das Bundesgesetzblatt kommt, deswegen die Gespräche mit den Bundesländern". Steuersenkungen müssten, damit sie wirklich in Kraft treten können, schließlich auch die Zustimmung des Bundesrats finden. "Die Menschen wollen nicht nur hören, wie das Schnitzel bestellt wird, sie wollen auch sehen, dass es geliefert wird."

SPD und Grüne kritisierten unterdessen den Ausgang des Koalitionstreffens scharf: Die schwarz-gelbe Koalition habe ihren Vorrat an politischen Gemeinsamkeiten aufgebraucht, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann: "Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis einer der Partner dies endlich ausspricht und die Koalition beendet." Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poss, sagte, obwohl manche Themen in der Koalition seit Monaten erörtert und diskutiert worden seien, würden jetzt wieder Arbeitsgruppen eingesetzt: "Hilfloser kann man nicht agieren", kritisierte Poss.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einem Trauerspiel. "Schwarz-Gelb wurschtelt weiter vor sich hin, ohne Richtung, ohne Ziel, ohne Ergebnis", sagte Künast.

© sueddeutsche.de/Reuters/dpa/dapd/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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