Steuersenkungen:Murren in der CDU

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Nicht die Opposition - ihre eigenen Leute machen Angela Merkel das Leben schwer. Die Kanzlerin muss Ministerpräsidenten wie Peter Harry Carstensen im Steuerstreit entgegenkommen - wenn sie keine Niederlage im Bundesrat riskieren will.

Stefan Braun

Angela Merkel hat mit Verve begonnen. Mit Schärfe und mit Entschlossenheit in der Stimme. Gegen alle Widerstände werde sie das Regierungsprogramm umsetzen. Keinen Kampf werde sie scheuen und auch dann voranschreiten, wenn die Angriffe noch so scharf werden sollten. Ihre Worte sollten dem Duell mit der Opposition gelten. Kein Sozialdemokrat, kein Grüner und keiner von den Linken sollte auch nur den Hauch eines Zweifels haben, dass es der Kanzlerin ernst ist mit ihren Zielen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hat Merkels Steuersenkungsplänen nie zugestimmt. (Foto: Foto: ddp)

Nicht einmal vier Wochen sind seither vergangen. Trotzdem wirkt Merkels Regierungserklärung vom 10. November, als sei sie aus der Zeit gefallen. Nicht die Opposition - ihre eigenen Leute machen ihr seither das Leben schwer. Erika Steinbach heißt die eine, Franz Josef Jung hieß der Zweite - und nun sind es auch noch die vielen Unions-Ministerpräsidenten.

Sie sperrren sich, Merkels Kernprojekt - Steuersenkungen - einfach so umzusetzen. Mancher wie der Saarländer Peter Müller oder die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht werden dabei gehört, spielen aber keine zentrale Rolle. Die beiden werden genauso wie Sachsen-Anhalts Landeschef Wolfgang Böhmer im Bundesrat wegen ihrer Koalitionspartner (SPD oder Grüne) ohnehin Nein sagen.

Wirklich schmerzhaft ist das Gemurmel bis hin zur Rebellion bei denen, die Merkel im Bundesrat unbedingt braucht, wenn ihre Pläne Wirklichkeit werden sollen. Gemeint sind alle sieben Regierungschefs, die wie Merkel im Bund eine schwarz-gelbe Koalition führen. Die sieben bringen in der Länderkammer 37 von 69 Stimmen. Fällt nur ein Land weg, ist die Mehrheit verloren.

Einer ruft am lautesten Nein

Bislang hat sich Merkel öffentlich streng gegeben, reibt sich intern zugleich aber verdutzt die Augen. Und das ist in gewisser Weise sogar berechtigt. Die meisten der Länderchefs, die jetzt murren und sich sperren, haben den Plänen während oder nach den Koalitionsverhandlungen ihr Ja-Wort gegeben. Roland Koch, Jürgen Rüttgers und Christian Wulff, die zurzeit mächtigsten CDU-Regierungschefs, haben in der letzten Nacht der Koalitionsverhandlungen den Senkungsplänen zugestimmt (wie Rüttgers) oder danach in den Parteigremien die Hand gehoben (wie Koch und Wulff).

Das erklärt freilich auch, dass sie vorläufig mitmurren werden, aber beim Treffen mit der Kanzlerin am vergangenen Donnerstagabend zugleich erklärten, dass sie trotz der auch den Ländern aufgehalsten Kosten noch "dieses eine Mal" (Wulff) zustimmen werden. Ähnlich werden sich am Ende der Sachse Stanislaw Tillich und der Baden-Württemberger Günter Oettinger verhalten. Nimmt man die bayrischen Stimmen im Bundesrat dazu, ist die Mehrheit nahe - aber noch lange nicht sicher.

Denn da ist einer, der nicht nur am lautesten Nein ruft. Ausgerechnet Peter Harry Carstensen aus Kiel darf das auch, ohne sich verbiegen zu müssen. Denn Carstensen ist weit und breit der Einzige, der in keinem CDU-Gremium den Merkelschen Steuersenkungsplänen je zugestimmt hätte. Carstensen war nicht an den Berliner Koalitionsverhandlungen beteiligt, er fehlte in Präsidium und Vorstand, als der Koalitionsvertrag bestätigt wurde. Und er war auch nicht dabei, als der CDU-Bundesausschuss am 26. Oktober den Vertrag bei einer Stimmenthaltung absegnete.

Carstensen muss sich bei seinem Nein nichts vorwerfen lassen, er hat nie etwas anderes versprochen. Da mögen die Leute um Merkel noch so laut erklären, es hätten doch alle zugestimmt, deshalb müssten sie ihr Ja in der Länderkammer wiederholen. Bleibt Carstensen seiner Linie treu, fehlen Merkels Koalition die entscheidenden Stimmen.

Das ist der Grund dafür, dass Merkel entgegen ihren Stellungnahmen womöglich doch noch die Hand weich wird. Schon ist aus Koalitionskreisen zu hören, dass es für die finanziell gebeutelten Länder keine direkten Ausgleichszahlungen geben werde, wohl aber gebe es "enge andere Pfade", die man wählen könnte, um ihnen entgegenzukommen. So könnten Länder, die aus den Konjunkturpaketen Mittel erhalten, aber noch nicht abgerufen haben, von der Rückzahlung befreit werden. Darauf hofft zum Beispiel Sachsen. Merkel muss allerdings aufpassen, dass sie am Ende nicht doch genau das tut, was sie noch am Wochenende vehement ablehnte ("Wir kaufen keinen raus!") "Will sie ihre Glaubwürdigkeit behalten, muss sie davon die Finger lassen", sagt deshalb einer aus der CDU-Fraktionsspitze.

© SZ vom 01.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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