Steinbrücks Rückzug:Schluss mit Spitzenpolitik

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Der Kandidat zieht sich zurück: Peer Steinbrück will in Partei und Fraktion bei der SPD keine wichtigen Ämter mehr übernehmen. (Foto: dpa)

Kein Führungsamt mehr in Partei oder Fraktion: Peer Steinbrück wird künftig sein, was er vor seiner Spitzenkandidatur war - ein Hinterbänkler. Die Parteifreunde nehmen seinen Rückzug mit Hochachtung auf, die Ursachenforschung über das schwache Wahlergebnis der SPD ist allerdings erst einmal vertagt.

Von Susanne Höll, Berlin

Ein warmer, manche Sozialdemokraten sagen zutiefst herzlicher, Applaus empfing Peer Steinbrück am Freitag im Willy-Brand-Haus in Berlin. Schon als er den Raum betrat, in dem sich die 200 Delegierten des kleinen Parteitages versammelt hatten, standen die Leute von den Stühlen auf und zollten ihrem Spitzenkandidaten Respekt. Ex-Spitzenkandidat, besser gesagt. Eine knappe Woche nach der Bundestagswahl kündigte er an, dass für ihn Schluss sei mit der Spitzenpolitik.

Kein Führungsamt mehr in Partei oder in der Fraktion. Er wird künftig das sein, was er bis zu seiner Nominierung vor einem Jahr war - ein Hinterbänkler. Allerdings der prominenteste des ganzen Parlaments.

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Seine Vertrauten hatten schon am Wahlabend angekündigt, dass Steinbrück nicht mehr ganz oben mitmischen wolle, sich wieder mehr Zeit für sich und seine Familie und seine Interessen wünsche. Dennoch war spekuliert worden, er könne vielleicht Minister in einer großen Koalition werden, falls die zustande kommen sollte. Oder möglicherweise Chef der SPD-Bundestagsfraktion.

Tief gerührt sei der 66-Jährige gewesen, berichten Delegierte des Treffens. Und dann erwies Steinbrück seiner Partei einen Dienst. Er schrieb sich das für so viele Sozialdemokraten enttäuschende Resultat von 25,7 Prozent persönlich zu. "Ich bin für das Ergebnis verantwortlich", zitierten ihn Teilnehmer.

Die Partei söhnt sich mit ihrem Kandidaten aus

Dass Steinbrück allein die Schuld trägt, dürfte zwar niemand im Saal geglaubt haben. Mitverantwortung vielleicht. Aber da gab es die Querelen in der Spitze, die von ihm selbst publik gemachten Auseinandersetzungen mit dem Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Die strukturellen Probleme der SPD in Bayern, Baden-Württemberg und im Süden Ostdeutschlands. Und der Defätismus der Genossen Anfang August, als viele die Hoffnung auf einen Wahlerfolg längst aufgegeben hatten.

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"Die SPD, die mich aufstellt, muss erst noch erfunden werden": Damit lag Peer Steinbrück falsch. Der große Absturz fand nicht statt, die Sozialdemokraten legten unter seiner Führung sogar ein bisschen zu. Ein unkomplizierter Spitzenmann ist er für seine Partei trotzdem nicht gewesen.

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Dann aber lief Steinbrück zu Topform auf, machte engagiert Wahlkampf. Die Genossen, die von Anfang an wenig Vertrauen in Steinbrück gehabt hatten oder es im ersten, verkorksten Teil der Kampagne verloren hatten, söhnten sich mit ihm aus. Jetzt herrscht Friede zwischen dem Ex-Kandidaten und der Partei.

Mit seinem Eingeständnis entschärfte Steinbrück allerdings die angespannte allgemeine Stimmung in der SPD. Nicht viele, aber einige würden gern darüber diskutieren, warum die Wahl so mies ausging. Inmitten des Zwistes um die große Koalition hätte eine solche Debatte zu Verwerfungen führen können. Die Ursachenforschung, so sagt jemand aus der Führung, sei nun erst einmal vertagt.

Sang- und klanglos wird Steinbrück allerdings nicht auf seine Hinterbank ziehen. Er wird, so die Partei es denn erlaubt, einer der Unterhändler sein, die mit Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer über eine Neuauflage von Schwarz-Rot reden. Er, der Mann ohne Lust auf Ämter und Positionen, kann viel fordern von den Unionisten, zum Wohl der Partei, nicht seiner selbst. Das macht ihn in den Augen misstrauischer Parteikollegen unverdächtig und glaubhaft. Möglich, dass der Ex-Spitzenkandidat, der persönlich nie wieder in eine große Koalition mit Merkel gehen wollte, seiner SPD eben diesen Schritt in einigen Wochen nahe legt.

© SZ vom 28.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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