Skandal um Kölner U-Bahn-Bau:Eine Spur führt nach Bayern

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Neue Entwicklungen im Skandal um die Kölner U-Bahn: Die Staatsanwaltschaft hat ein Büro beteiligter Firmen durchsucht - offenbar nehmen die Ermittler nun auch die Baustelle an der ICE-Strecke München-Nürnberg ins Visier.

Der Skandal um Pfusch beim Bau der Kölner U-Bahn weitet sich aus: Am Freitagabend kündigte der in Köln federführende Baukonzern Bilfinger Berger an, nun auch seine Baustelle an der ICE-Trasse München-Nürnberg überprüfen zu wollen.

U-Bahn-Baustelle in Köln: Der Skandal um Pfusch und Klüngel in der Domstadt weitet sich immer mehr aus. (Foto: Foto: dpa)

Es habe Hinweise der Staatsanwaltschaft auf gefälschte Ankerprotokolle bei den Bauarbeiten an der Hochgeschwindigkeitstrasse gegeben, bestätigte ein Bilfinger-Berger-Firmensprecher. Die Hinweise stammen nach einen Bericht des Kölner Express aus der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung eines ehemaligen Bauleiters des Unternehmens.

Die Staatsanwaltschaft habe auch die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) auf die neuen Verdachtsmomente hingewiesen, sagte ein KVB-Sprecher und bestätigte damit den Bericht. Nach dem Zeitungsbericht könnte es an der Station Heumarkt möglicherweise unsicher verankerte Schlitzwandlamellen geben.

Der KVB-Sprecher betonte dazu, dass ein aktuelles TÜV-Gutachten von diesem Freitag definitiv Entwarnung für die Standsicherheit des Heumarktes gebe. Dies gelte selbst für den theoretisch angenommenen Fall, dass tatsächlich Stützanker fehlen und Ankerprotokolle gefälscht worden seien.

Am Freitagnachmittag hatte die Kölner Staatsanwaltschaft nach der Vernehmung eines Zeugen Räume der Arbeitsgemeinschaft durchsucht, in der die am U-Bahn-Bau beteiligten Firmen zusammengeschlossen sind. Dabei seien umfangreiche Unterlagen sichergestellt worden. Es gebe den Verdacht, "dass Anker nicht oder falsch eingebaut worden sind", sagte Oberstaatsanwalt Günther Feld.

Zudem wurde am Freitag bekannt, dass weitere Bauprotokolle für zwei unterirdische Baustellen manipuliert worden sein sollen. Das teilten die Staatsanwaltschaft und die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), Bauherrin des Milliarden-Projekts, mit. Damit betreffen die Vorwürfe der Schlamperei und krimineller Machenschaften nun schon fünf der insgesamt acht neu entstehenden Bahnhöfe der Nord-Süd-Stadtbahn.

Drohendes Hochwasser

Theoretisch sicherheitsrelevant seien die Mängel aber allein bei der Station Heumarkt, betonte der KVB-Sprecher. Bei allen anderen Stationen sei der Innenausbau bereits so weit fortgeschritten, dass die Schlitzwände auch ohne die nur während der Bauphase nötige Verankerung ausreichend Stabilität hätten. Die Station Waidmarkt, in deren Nähe das Stadtarchiv eingestürzt war, sei weitgehend geflutet und damit stabilisiert worden.

An der größten U-Bahn-Baustelle am Heumarkt werden als Folge der Mängel derzeit umfangreiche Sicherungsmaßnahmen getroffen, um die Baugrube vor drohendem Hochwasser zu schützen. Die Sorge der Anwohner wächst. Ab dem Wochenende soll der Pegel steigen.

Oberstaatsanwalt Feld sagte, auch wenn die Ermittlungen nun ausgeweitet worden seien, werde man "in Sachen Eisenbügel und Messdaten-Manipulation" relativ schnell zu einer Aufklärung kommen. Die zweifelhaften Protokolle sollen sich untereinander verdächtig ähneln oder nahezu identisch sein. Stabilisierende Eisenbügel in den Baugruben sollen in großem Umfang nicht eingebaut, sondern stattdessen zum illegalen Verkauf abgezweigt worden sein.

Ermittelt wird gegen etwa ein Dutzend Verdächtigte, auch Beschäftigte von Bilfinger Berger. Erst am Donnerstag hatte der Konzern offensive Aufklärung versprochen, nun sucht er laut Financial Times Deutschland bereits einen Nachfolger für seinen Chef Herbert Bodner. Ein Konzern-Sprecher sagte dazu auf Anfrage lediglich: "Wir werden uns an diesen Spekulationen sicherlich nicht beteiligen." Bodners Vertrag läuft dem Bericht zufolge allerdings erst Mitte 2011 aus.

Angesichts der wachsenden Vorwürfe engagierte der Konzern den Frankfurter Juristen Hanns Feigen als Rechtsvertreter, wie ein Konzernsprecher bestätigte. Feigen hatte bereits den einstigen Infineon-Chef Ulrich Schumacher und Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel vertreten und ist auch Anwalt des früheren Porsche-Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking.

An einem der U-Bahn-Schächte war das Stadtarchiv am 3. März 2009 eingestürzt. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt, da zwei Menschen ums Leben kamen. Am kommenden Montag sollen nach Verzögerungen die Böschungen an der Einsturzstelle mit Spritzbeton befestigt und gesichert werden, um an die letzten fünf bis zehn Prozent der noch nicht geborgenen Archivalien heranzukommen.

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