Schweizer Aktivistin:Flavia Kleiner - knallhart bis kratzbürstig

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Flavia Kleiner von der Initiative "Operation Libero" trifft am Donnerstag den deutschen Bundespräsidenten Steinmeier. (Foto: Operation Libero)

Mit schrillem Pink und knackigen Videos kämpft die 27-Jährige für eine weltoffene, diverse Schweiz. "Politico" sieht in ihr gar eine der einflussreichsten Persönlichkeiten Europas.

Von Charlotte Theile, Zürich

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier weilt in diesen Tagen zum offiziellen Staatsbesuch in der Schweiz. Neben Fototerminen, Sonderzugfahrten und militärischen Ehren trifft er am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion in der Universität Freiburg die wichtigsten Vertreter des Landes. Neben dem schweizerischen Staatsoberhaupt Alain Berset ist dem Land vor allem eine Frau bekannt: Flavia Kleiner.

Die 27-Jährige studiert in Freiburg Zeitgeschichte - und ist seit einigen Jahren aus keinem Abstimmungskampf mehr wegzudenken. Mit ihrer Organisation Operation Libero setzt sich Kleiner für eine weltoffene, diverse Schweiz ein. Gegründet wurde Operation Libero im Frühjahr 2014 als Anti-These zur rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP), innerhalb kürzester Zeit ist sie von einer Jugendbewegung zur Angstgegnerin der Rechten geworden. Der Erfolg, den Operation Libero in den vergangenen Jahren bei Volksabstimmungen hatte, ließ Kleiner berühmt werde: Die Wochenzeitung Politico kürte Kleiner vor einigen Wochen zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten Europas.

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Kleiner bemüht sich, den Wirbel um ihre Person rational zu betrachten. Sie sei "das Gesicht des Aufstands der Zivilgesellschaft". Man könnte auch sagen: Kleiner ist das Gesicht einer Marketing-Bewegung. Operation Libero überlässt bei ihren Kampagnen nichts dem Zufall. Vom schrillen Pink bis zu extrem fotogenen Gesichtern und knackigen Videos, die auf Social Media tausendfach geteilt werden, ist alles durchgeplant.

Doch die Liberas und Liberos, wie sie sich gegenseitig nennen, sind mehr als Marketing-Profis. Immer wieder geben Kleiner und Co in ganz Europa Ratschläge. Diese heißen dann ganz unbescheiden "How to fight populism". Was sie empfehlen, klingt simpel - und unterscheidet sich doch von dem, was in Deutschland, Österreich oder den USA gelebt wird.

Offener Konflikt statt Verweigerung

Statt die Debatte zu verweigern oder sich gegenseitig der Lüge zu bezichtigen, plädiert Operation Libero für den offen ausgetragenen Konflikt mit dem politischen Gegner. Immer wieder sitzen die Aktivisten auf Podien, die die Rechtspopulisten ausgerichtet haben - SVP-Patriarch Christoph Blocher traf Kleiner zum Doppelinterview.

Freundschaften entstehen aus diesen Treffen aber eher nicht. Kleiner und Co scheuen sich nicht, den Rechten Rassismus, Verrat an den schweizerischen Werten oder gezielte Falschinformation vorzuwerfen. In der harmoniebewussten Schweiz gelten sie damit als knallhart bis kratzbürstig. Und sie gehen nicht nur der SVP auf die Nerven: Auch die altehrwürdige Neue Zürcher Zeitung ärgert sich über die jungen Leute, die das Wort "liberal" für sich reklamieren.

Den Respekt der Gegner hat sich Libero Anfang 2016 erworben. Eine Abstimmung über die Abschiebung "krimineller Ausländer" machten die Aktivisten zu einer Abstimmung über Gewaltentrennung, "Framing" heißt das in der Sprache der Kampagnenprofis. Fast 60 Prozent der Schweizer stimmten gegen die Verschärfung der Abschiebegesetze. Und obwohl viele Schweizer gegen die Gesetze gekämpft hatten, gelang es Operation Libero den Sieg für sich zu beanspruchen. Der pinkfarbene Mantel, den Kleiner am Abstimmungssonntag trug, wurde zum Symbol dieses unerwarteten Erfolgs, Schweizer Zeitungen widmeten dem "Freiheitsmantel" ganze Seiten.

Bundespräsident Steinmeier hat Demokratie zum Thema seiner Amtszeit gemacht, bei der Diskussion am Donnerstag soll es um Demokratie im 21. Jahrhundert gehen. Kleiner sagt: "Es ist gefährlich, wenn in Deutschland Volksabstimmungen fast ausschließlich von der AfD gefordert werden. Für mich geht es darum, den Wert demokratischer Institutionen zu vermitteln, sie greifbarer und farbiger zu machen." Ihren pinkfarbenen Mantel will sie allerdings zuhause lassen. "Er ist heute fast ein Museumsstück."

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