Regierungsbildung:Warum die Koko Kokolores ist

Die Debatte über eine Kooperationskoalition zeigt erneut, dass die SPD derzeit nicht regierungsfähig ist. Solch ein Bündnis mit Fremdgeh-Klausel kann nicht lange halten.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel gehört nicht zu denen, die sich gerne festlegen. Wer im Ungefähren bleibt, beraubt sich keiner Optionen. Umso erstaunlicher war Anfang Oktober der Auftritt der Kanzlerin beim Deutschlandtag der Jungen Union. "Es ist offenkundig, dass die SPD auf Bundesebene auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig ist", sagte die Kanzlerin. Die Union sollte "deshalb keine weiteren Gedanken darauf verschwenden".

Jetzt kommt doch alles anders. An diesem Mittwoch beginnen die Gespräche zwischen Union und SPD über eine mögliche Regierung. Und Merkel dürfte sich über kaum etwas mehr Gedanken machen als darüber, wie sie die SPD zu einer großen Koalition bewegen kann.

Das Problem ist dabei weniger ihre Kehrtwende - Anfang Oktober galt ja noch die Ansage des SPD-Chefs vom Wahlabend, die Sozialdemokraten würden in jedem Fall in die Opposition gehen. Niemand konnte davon ausgehen, dass die sich das noch einmal anders überlegen. Merkels eigentliches Problem ist, dass die SPD derzeit tatsächlich nicht regierungsfähig ist.

Die Sozialdemokraten sind paralysiert, auch wegen der vielen Fehler der Parteispitze. Vor lauter Selbstfindung und Wundenlecken sind sie nicht in der Lage, die nötigen Entscheidungen zu treffen. Das hat bereits der SPD-Parteitag gezeigt. Und das beweist die Debatte um eine "Kooperationskoalition".

In der SPD wird allen Ernstes auch über eine "KoKo" gesprochen, bei der nur bestimmte Kernprojekte im Koalitionsvertrag verankert werden, die Partner ansonsten aber frei bleiben. Eine Koko wäre also eine große Koalition mit Fremdgeh-Klausel.

Deutschland ist kein Politikseminar

Demokratietheoretisch mag der Zwang begrüßenswert sein, sich im Parlament ständig neue Mehrheiten organisieren zu müssen. Und zweifelsohne würde eine Koko die Bedeutung des Bundestags stärken. Aber Deutschland ist kein Politikseminar. Um handlungsfähig zu sein, braucht eine Regierung stabile Mehrheiten.

Deutschland ist Mitglied der EU, bereits jetzt enthält sich Berlin in Brüssel regelmäßig, weil sich die Bundesregierung nicht auf eine gemeinsame Haltung verständigen kann. Die ständigen Enthaltungen werden längst als german vote verspottet. Wie soll das erst bei einer Koko werden? Das wichtigste Land der EU würde sich noch öfter seines Einflusses berauben.

Außerdem müsste sich eine Koko auch im Bundesrat Mehrheiten organisieren; das war schon für die bisherige große Koalition nicht einfach. Und selbst im Bundestag stünde eine Koko vor einer Herkulesaufgabe. Im Parlament stehen jeden Monat Dutzende Gesetzentwürfe auf der Tagesordnung, für jeden einzelnen davon wäre künftig ein gewaltiger Abstimmungsbedarf nötig.

Die Koko ist also Kokolores, sie funktioniert bestenfalls für eine Übergangszeit. Das gilt übrigens auch für die Minderheitsregierung, die sich in der CDU einige vorstellen können. Am Ende wird es deshalb - so ehrlich sollten SPD und Union sein - nur um eine Alternative gehen: große Koalition oder Neuwahl.

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