Regierungsbildung:Jetzt oder nie

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An diesem Freitag haben - mehr als vier Monate nach der Bundestagswahl - endlich die Koalitionsverhandlungen begonnen. (Foto: dpa)
  • Vier Monate nach der Bundestagswahl eröffnen Merkel, Seehofer und Schulz die Koalitionsverhandlungen.
  • Bis zum 4. Februar wollen die drei Parteichefs es geschafft haben - und spätestens am 8. Februar müssen sie durch sein.

Von Christoph Hickmann und Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel neigt bei ihren Auftritten nicht zu Übertreibungen. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, dann hat ihn die Kanzlerin jetzt erbracht. Am Freitag haben - mehr als vier Monate nach der Bundestagswahl - endlich die Koalitionsverhandlungen begonnen. Und was sagt Merkel zum Auftakt? "Die Menschen erwarten nunmehr wirklich, dass wir in die Richtung einer Regierungsbildung kommen." Dabei zeigen doch alle Umfragen, dass die Bürger schon seit vielen Wochen mehr als gerne eine neue Regierung hätten - und nicht nur eine "Richtung".

Die Koalitionsverhandlungen begannen dann am Morgen mit einem Gespräch zwischen Merkel und den Parteichefs von CSU und SPD, Horst Seehofer und Martin Schulz. Anschließend kam zum ersten Mal die sogenannte 15er-Runde zusammen. Sie soll das zentrale Gremium bei den Koalitionsverhandlungen werden. Ihr gehören für die CDU neben Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer an. Die SPD ist durch Schulz, Fraktionschefin Andrea Nahles, Generalsekretär Lars Klingbeil, die Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) und Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) sowie durch Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz vertreten. Für die CSU verhandeln in der Runde Seehofer, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Andreas Scheuer und dessen Stellvertreter Markus Blume.

In der 15er-Runde verständigten sich die drei Parteien am Freitag auf Zuschnitt und Besetzung der Facharbeitsgruppen sowie auf einen Zeitplan für die Gespräche. Grosse-Brömer sagte anschließend, auf einer Klausurtagung am kommenden Wochenende sollten "abschließende Beratungen" stattfinden. Falls danach immer noch Verhandlungsbedarf bestehe, stünden als Reserve zwei zusätzliche Tage zur Verfügung. Ziel sei es aber, die Gespräche am 4. Februar zu beenden. "Die nächsten Tage werden entsprechend anstrengend", sagte er. Union und SPD seien sich aber einig, "dass wir zügig, aber auch sorgfältig arbeiten wollen, damit Deutschland dann auch eine Regierung bekommt".

Zuvor hatte die SPD signalisiert, dass sie sich nicht unter Druck setzen lasse und Sorgfalt vor Schnelligkeit gehe. Letztlich aber ist auch den Sozialdemokraten klar, dass es den Bürgern nicht mehr vermittelbar wäre, wenn sich an den Verhandlungen beteiligte Politiker in den Karnevalstagen vom 8. Februar an beim Feiern zeigen würden.

Es muss nun zum Ende kommen. Bis zu der Klausurtagung am kommenden Wochenende sollen Fachpolitiker der Parteien in insgesamt 18 Arbeitsgruppen ein mögliches Ergebnis vorbereiten. In der zweiten Januarwoche hatten die Parteien bei Sondierungsgesprächen bereits weitreichende Vereinbarungen getroffen. Vor einer Woche hatte ein SPD-Sonderparteitag auf dieser Grundlage den Weg zu Koalitionsverhandlungen frei gemacht. Allerdings hatten die Delegierten zugleich inhaltliche Punkte festgelegt, an denen die SPD Entgegenkommen erwartet.

Was die SPD noch durchbringen will

Es geht, erstens, um die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen. Hier wollen die Genossen eine deutliche Beschränkung erreichen. Zweitens will die SPD "das Ende der Zwei-Klassen-Medizin" einleiten und dafür unter anderem "eine gerechtere Honorarordnung" für Ärzte schaffen. Drittens soll es nach dem Willen der Sozialdemokraten eine weitreichende Härtefallregelung für den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus geben. Die SPD dürfte in der nächsten Woche immer wieder darauf pochen, dass Fortschritte an diesen Punkten die Chancen erhöhten, das nötige Votum ihrer Mitglieder über den Koalitionsvertrag zu überstehen.

Bisher ist es der SPD noch nicht gelungen, sich als erfolgreicher Verhandler darzustellen. Im neuesten Deutschlandtrend von Infratest dimap für die ARD sagten 72 Prozent der Befragten, sie würden gar keine oder nur geringe Veränderungen zugunsten der SPD in der Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Flüchtlingspolitik im Vergleich zum Sondierungskompromiss erwarten. In der Sonntagsfrage fällt die SPD auf 19 Prozent. Dass damit die psychologisch wichtige Marke von 20 Prozent unterschritten wird, ist mit Blick auf das Mitgliedervotum nicht unerheblich. Die Union kommt unverändert auf 33 Prozent. Die AfD fällt einen Punkt auf zwölf Prozent. Die Grünen bleiben stabil bei elf Prozent. Linkspartei und FDP legen jeweils einen Punkt zu auf zehn Prozent.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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