Reaktionen auf Gabriels Brandbrief:Beifall und Widerspruch

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Während viele Genossen Sigmar Gabriels Fundamentalkritik am Zustand der SPD teilen, widersprachen einige dem designierten SPD-Chef heftig.

Susanne Höll, Berlin

Der designierte SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hat für seine harte Lageanalyse der SPD aus den eigenen Reihen Zustimmung, aber auch Widerspruch erhalten. In den Führungsspitzen von Partei und Fraktion zeigten sich manche überrascht über die Wortwahl Gabriels.

Dieser hatte der SPD einen "katastrophalen Zustand" attestiert, Kritik am Führungsstil seiner Vorgänger geübt und sich irritiert gezeigt, dass Ex-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bereits am Wahlabend zum Kandidaten für das Amt des Fraktionschefs ausgerufen worden war.

Steinmeier äußerte sich am Rande der Fraktionssitzung am Donnerstag betont zurückhaltend, sichtlich bemüht, eine neue Führungsdebatte zu verhindern. Gabriels Schreiben sei nicht "so spektakulär, wie Sie unterstellen", sagte Steinmeier.

Gabriel strebe beim Parteitag Mitte November eine stärkere Beteiligung der Mitglieder an der Willensbildung an. Aus Steinmeiers Umgebung verlautete, es gebe keinen Grund zur Aufregung. Gabriel habe sich in den SPD-Gremien und in Gesprächen ähnlich geäußert wie in seinem Schreiben. Auch lege er Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit Steinmeier.

Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Elke Ferner und Joachim Poß machten aber klar, dass sie Gabriels Fundamentalkritik nicht teilen. Es gebe sehr wohl Teile in der SPD, die gut aufgestellt seien und gut arbeiteten, sagten beide. In SPD-Führungskreisen hieß es, Gabriel stoße viele SPD-Mitglieder vor den Kopf. Auch sei Gabriel als Minister und Parteipolitiker mit verantwortlich für das Bild der SPD.

Gabriel hatte in diesem und ähnlichen Schreiben auf Zuschriften von etwa 200 SPD-Mitgliedern und Ortsvereinsvorsitzenden reagiert. Von ihnen hatte er nach Angaben aus seiner Umgebung viel Zustimmung erhalten. Unterstützung bekam er auch von Landesverbänden und Bundespolitikern.

Weitere Personalentscheidungen

Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der Süddeutschen Zeitung: "Seine Analyse ist inhaltlich und politisch richtig. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Lage der SPD eine Katastrophe." Gabriel will von kommender Woche an mit der designierten Generalsekretärin Andrea Nahles in SPD-Landesverbände reisen, um über die Gründe für das Wahldesaster und den künftigen Kurs der SPD zu diskutieren.

Die SPD traf derweil weitere Personalentscheidungen für ihre Zeit in der Opposition. Demnach soll der Abgeordnete Wolfgang Thierse stellvertretender Bundestags-Präsident bleiben. In einer Kampfabstimmung in der Fraktion setzte sich der 65-Jährige mit 84 Stimmen klar gegen seine Kollegin Susanne Kastner durch, die bislang ebenfalls Vize-Präsidentin war. Nach dem schlechten Bundestagswahlergebnis von nur 23 Prozent darf die SPD nur noch einen Vize in das Präsidium entsenden.

Die Abgeordneten billigten zudem die Vorschläge Steinmeiers für die neun Vizefraktionschefs. Erstmals wurde in diese Funktion der scheidende Arbeitsminister Olaf Scholz (Innen und Recht) gewählt. Scholz erhielt mit 119 von 127 abgegebenen Stimmen das beste Ergebnis.

Neu sind auch der bisherige Generalsekretär Hubertus Heil (Wirtschaft und Arbeit, 92 Stimmen), der bayerische SPD-Landeschef Florian Pronold (Verkehr, 104), Dagmar Ziegler (Familie, Bildung und Jugend, 94) sowie Gernot Erler (Außen und Sicherheit, 98). Ihre bisherigen Aufgaben behalten Elke Ferner (Gesundheit, 112), Ulrich Kelber (Umwelt,95), Joachim Poß (Finanzen,98) sowie Angelica Schwall-Düren (Europa, 104). Die scheidende Justizministerin Brigitte Zypries wurde mit 107 Stimmen zur neuen Justiziarin gewählt.

© SZ vom 23.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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