Prozess:Sven Lau - kein harmloser Prediger

  • Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf verurteilte den Salafistenprediger Sven Lau zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis.
  • Er sei, so das Gericht, kein harmloser Prediger, sondern habe den Dschihad in Syrien unterstützt.
  • Sein Verteidiger spricht von einem schwarzen Tag für den Rechtsstaat.

Von Matthias Drobinski, Düsseldorf

Fünfeinhalb Jahre Entzug der Freiheit. Frank Schreiber, der Vorsitzende Richter am Düsseldorfer Oberlandesgericht, verkündet das Strafmaß mit der Stimme eines Schauspielers, der weiß, dass die Leute besonders zuhören, wenn er leise redet. In vier Fällen, sagt er, habe Sven Lau, der Salafistenprediger, eine Terrororganisation im Ausland unterstützt. Fünfeinhalb Jahre Haft - das ist nahe an den sechseinhalb Jahren, welche die Bundesanwaltschaft gefordert hat, und weit weg von dem Freispruch, für den Laus Verteidiger Mutlu Günal plädierte. Der bärtige Mann hinter dem schusssicheren Glas ist nicht harmlos fromm, so das Gericht.

Er hat den Dschihad in Syrien unterstützt. Sven Lau steht da im dunklen Hemd, die Fingerspitzen auf den Tisch gedrückt, und zeigt keine Regung. Seit dem 15. Dezember 2015 sitzt er in Untersuchungshaft, das hat ihm zugesetzt; der 36-Jährige ist graugesichtig geworden. Vorige Woche brach er in Tränen aus, als er nach den Plädoyers seines Verteidigers und der Bundesanwaltschaft sein Schlusswort sagen sollte. Seit 19 Monaten könne er Frau und Kinder nicht umarmen, klagte er. Am Tag des Urteils hat er sich im Griff.

In Syrien posierte Lau für Fotos mal auf einem Panzer, mal mit Kalaschnikow

Sein Verteidiger spricht von einem schwarzen Tag für den Rechtsstaat, einem Fehlurteil.

Gleich am Donnerstag will er Revision einlegen. So also endet nach 53 Verhandlungstagen der Prozess gegen Sven Lau, der vom Brandmeisteranwärter zum Salafistenprediger wurde und zum Initiator der Wuppertaler "Scharia-Polizei", die 2014 ein bundesweiter Aufreger war. 2015 waren die Ermittler endgültig zu der Auffassung gekommen, dass Lau nicht der friedliche Propagandist seiner religiösen Auffassung war, als der er sich darstellte. Konkret hat Lau nach Auffassung des Gerichts über eine angeblich humanitäre Initiative zwei Gesinnungsgenossen für den Kampf der Terrororganisation Dschaisch al-Muhadschirin wal-Ansar (Jamwa) gegen Syriens Diktator Assad rekrutiert; einer der Kommandanten war Konrad S., ein Bekannter aus Mönchengladbacher Tagen.

Dreimal war Lau demnach in Syrien; dem einen rekrutierten Kämpfer übergab er 250 Euro. Später organisierte er den Kauf und den Transport dreier Nachtsichtgeräte für insgesamt 1440 Euro. Die Ermittler stützten sich dabei auf abgehörte Telefongespräche und gehackte Chats sowie auf drei Dutzend Zeugen; sie präsentierten Fotos, die Lau in Syrien auf einem Panzer oder mit der Kalaschnikow zeigen. Die Taten seien "Teil eines umfassenden Unterstützernetzwerks, das der Angeklagte beherrscht und aufgebaut hat", sagt Staatsanwalt Malte Merz.

Ausführlich referiert Richter Schreiber noch einmal Laus Werdegang; er zeigt, wie fließend die Grenzen zwischen jenen Salafisten sind, die mit Häkelkäppi und Fusselbart leben wollen wie der Prophet Mohammed - und denen, die der Welt mit Kampf und Terror ihre Vorstellungen aufzwingen wollen. Seven Lau wurde vom kleinen Konvertiten zum erfolgreichen Prediger, pilgerte nach Mekka, zog nach Ägypten; wieder in Deutschland rief er auf, jenen zu folgen, die im Kampf den Tod gefunden hatten. Seine Koranverteilungsaktion "Lies" ist mittlerweile verboten, weil die Verfassungsschützer sie für eine Anwerbe-Aktion für den Kampf im Irak und in Syrien halten. Vor Gericht trat Pierre Vogel auf, Sven Laus Predigtbruder, und nannte Lau einen guten Mann. Anfangs verfolgten viele Anhänger Laus den Prozess und lärmten, wenn sie es für angebracht hielten - später blieben sie ruhig, wohl auch, um den Eindruck zu vermeiden, dass die Militanz integraler Teil der Szene ist. Nun, am letzten Tag, sieht man ein gutes Dutzend Rauschebärte an den Zuschauergesichtern.

Dem Verurteilten wurde auch ein ins Gefängnis geschmuggeltes Handy zum Verhängnis

Mehrmals allerdings erwies sich im Verfahren als dünn, was die Bundesanwaltschaft an Belegen vorbrachte. Und Laus Anwalt Mutlu Günal, der seit bald zehn Jahren hartnäckig die Terrorverdächtigen der islamistischen Szene verteidigt, stach in die schwachen Stellen. Vor allem Ismail I., den Lau nach Syrien gelotst hatte, verwickelte sich in Widersprüche, als er berichtete, wie Lau ihn bedrängt habe, in den Kampf zu ziehen. I. ist selber zu vier Jahren Haft verurteilt; als er zu seiner letzten Aussage erschien, war er auf Bewährung frei. Ein Deal? Mutlu nannte I. einen "notorischen Lügner" und schimpfte, der Generalbundesanwalt führe einen "Rachefeldzug gegen Herrn Lau".

Das Gericht folgt dem am Ende nicht. Man könne sich die Zeugen nicht aussuchen, sagte Richter Schreiber - entscheidend seien ohnehin die ausgewerteten Telefonate und Chats gewesen, die Kaufbelege, die Reisedaten. Es spiele keine Rolle, wie sehr die Nachtsichtgeräte und die 250 Euro der Jamwa im Kampf tatsächlich genützt hätten; sie seien "objektiv nützlich, auch ohne messbaren Nutzen". Und die Vermittlung der Kämpfer sei auch strafbar, wenn sie "nicht im Sinne eines Komplettpakets wie bei einer Pauschalreise erfolgte".

Keine mildernden Umstände, keine Haftverschonung. Richter Schreiber wendet sich direkt an Lau: "Es sind die Dämonen, die Sie selbst gerufen haben," sagt er, und: "Sie haben die rote Linie mehrfach überschritten. Es ist eindeutig, dass Sie geliefert haben." Man könnte vielleicht die Familienbindung Laus berücksichtigen, sagt er. Aber da habe man dieses ins Gefängnis geschmuggelte Handy sichergestellt, samt des "flirtiven" Chats mit einer 19-jährigen Anhängerin, in dem Lau vom Leben im Kalifat träume. Bald gehen die ersten seiner Anhänger, sie winken. Sven Lau bemerkt es nicht.

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