Hinten sitzen die Schleiereulen. Tief verschleierte Frauen, die sogar noch Handschuhe tragen, damit ja kein Fitzelchen Haut zu sehen ist. Und bärtige Männer mit Hosen, die über den Knöcheln enden, wie sie Salafisten gern tragen. Vor allem aber dieser große Mann im grünen Parka, auf den er allerlei religiöse Zeichen genäht hat, ein bekanntes Gesicht inzwischen bei den vielen Salafisten-Prozessen im Land.
Es ist Bernhard Falk, früher linksradikal, Mitglied der "Antiimperialistischen Zellen", wegen Bombenanschlägen zu 13 Jahren Haft verurteilt, heute Islamist. Ein Mann, der quer durch die Republik zu Prozessen wie diesem reist, am Dienstag auch zum Auftakt der Verhandlung gegen einen der bekanntesten Islamisten Deutschlands, den Hassprediger Sven Lau vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
Der Mann im Parka, der von einer radikalen Weltanschauung zur anderen konvertierte, sorgt dafür, dass die Männer, die der deutsche Staat anklagt, nicht von der Fahne gehen. So wie Rechtsradikale jahrzehntelang in den Gefängnissen von der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und ihre Angehörigen" (HNG) betreut wurden, bis sie 2011 vom Bundesinnenminister verboten wurde, so gehen heute auch Islamisten in die Gefängnisse und in die Gerichte, um ihre Leute zu bestärken. Oder um ihnen deutlich zu verstehen zu geben, dass sie aus der Gemeinschaft ausgestoßen werden, wenn sie reden. So wie es Harun Pashtun erging, der sich als Kronzeuge in Prozessen gegen Syrien-Rückkehrer zur Verfügung stellte. Er wurde in Berlin im Gefängnis erkannt und als Verräter beschimpft.
Am Dienstag sitzt der bärtige Sven Lau neben einem ebenso bärtigen Justizbeamten im Hochsicherheitsgebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die Bundesanwaltschaft wirft ihm die Unterstützung einer ausländischen Terrororganisation vor, der Jamwar, deren radikaler Flügel später in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aufging. Ob er zu den Vorwürfen etwas sagen wolle? Nein, der Angeklagte werde sich "schweigend verteidigen", sagt sein Anwalt. Es ist ein guter Tag für Bernhard Falk. Weil der Angeklagte stumm bleibt.
Wenn einer sein Schweigen bricht wie der Syrien-Rückkehrer Harun Pashtun, dann muss es nicht unbedingt um strafrechtlich Relevantes gehen. Im Ausbildungslager sollte er sein Handy abgeben, so erzählte er im vergangenen Jahr den Münchner Richtern. Dauernd musste er Waffe putzen, beten, Arabisch lernen, beten, wieder beten. Die Anführer waren Tschetschenen, "arrogante Arschlöscher", wie er sagte, die die Neuen aus Deutschland spüren ließen, dass sie nichts wert waren. Und rauchen sollte er auch nicht.
Kronzeugen sollen helfen, die Unterstützerszene zu desillusionieren
Die Juristen im Saal ließen ihn reden, gern sogar, denn auch das ist ein Ziel dieser Prozesse: am Lack der Hochglanz-Dschihad-Propaganda zu kratzen, wie sie die Islamisten im Netz verbreiten. Die Märchenerzählungen vom "Kalifat" zu entzaubern. Zu zeigen, dass das paradiesische Leben, das der IS jungen Leuten in Europa verspricht, so paradiesisch nicht ist. Auch in Sven Laus Prozess will die Bundesanwaltschaft zwei Kronzeugen präsentieren. Ob auch sie sich einlassen werden wie Harun Pashtun? Der erklärte in München am Ende: "Ich möchte vor diesem Abschaum warnen, vor dieser Sekte, die Gehirnwäsche betreibt." Die Szene ist besorgt.
Inzwischen laufen viele Salafisten-Prozesse in Deutschland. Jener gegen Sven Lau ist bereits der 22. im Zusammenhang mit "Syrien/Irak" seit 2014, so die Bundesanwaltschaft. Weitere 710 Ermittlungsverfahren gibt es bundesweit. So überlastet ist die oberste Anklagebehörde, dass sie 50 Verfahren an die Länder abgegeben hat, wie Generalbundesanwalt Peter Frank in der Welt sagte. Nur noch die wichtigen Verfahren führt sie selbst.