Prozess gegen Schreiber:Der Mann, der nicht schweigen kann

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Am Montag beginnt der Prozess gegen Karlheinz Schreiber - seine Anwälte hoffen, dass sich der Angeklagte zurückhält - schließlich ist Reden seine größte Stärke.

H. Holzhaider

Wenn man bedenkt, wie viel in dieser Geschichte und über diese Geschichte schon geredet worden ist, dann herrscht im Augenblick eine wahrhaft verblüffende Stille. Am Montag beginnt vor dem Landgericht in Augsburg der Prozess gegen Karlheinz Schreiber, 75, und alle, die mit dem Prozess zu tun haben, hüllen sich in Schweigen. Der Vorsitzende Richter der 9. Strafkammer, Rudolf Weigell, 52, spricht überhaupt nicht mit Journalisten, und die drei Anwälte, die Karlheinz Schreiber verteidigen, bilden geradezu ein Schweigekartell.

Am 3. August 2009 wurde Karlheinz Schreiber in die Augsburger Haftanstalt gebracht. Nun beginnt der Prozess gegen ihn. (Foto: Foto: dpa)

Nur Karlheinz Schreiber selbst plappert vor sich hin wie in alten Zeiten, aber davon bekommt die Öffentlichkeit nichts mit. In der Justizvollzugsanstalt Augsburg, so hört man, erfreut er seine Mitgefangenen mit allerlei launigen Anekdoten aus seinem bewegten Leben, und die Justizbeamten, heißt es, behandeln ihren prominenten Untersuchungshäftling mit größter Zuvorkommenheit.

Reden - das war es, was Karlheinz Schreiber schon immer am besten konnte. "Er hat eine unglaubliche Beredsamkeit, ein Talent, die Dinge mitreißend darzustellen", sagte Franz Georg Strauß, der jüngere Sohn des einstigen bayerischen Ministerpräsidenten, als er dem Gericht im Prozess gegen seinen Bruder Max schilderte, wie Schreiber einst rund fünf Millionen Mark aus dem Strauß'schen Familienvermögen in kanadischen Grundstücksgeschäften versemmelte. Und Ludwig-Holger Pfahls, der mit einer Gefängnisstrafe von 27 Monaten dafür büßen musste, dass er sich als Bonner Staatssekretär von Schreiber 3,8Millionen Mark hatte zuschieben lassen, charakterisierte Schreiber so: "Es gelingt ihm immer irgendwie, einen breitzuquatschen."

Ob ihm dieses Talent jetzt weiterhilft, wenn er, zehn Jahre nachdem er vor der deutschen Justiz nach Kanada flüchtete, selbst vor Gericht steht, ist eher zweifelhaft. Seine Verteidiger Stefan von Moers, Jens Bosbach und Jan Olaf Leisner werden vermutlich einige Energie darauf verwenden, seinen Rededrang zu bremsen. Sie werden, wie das in fast allen großen Wirtschaftsprozessen in den vergangenen Jahren üblich geworden ist, darauf dringen, dass der Angeklagte sich zu keinerlei spontanen Aussagen hinreißen lässt.

Ob sich das bei einem so entschieden extrovertierten Angeklagten wie Karlheinz Schreiber über Monate hinweg durchhalten lässt, wird sich zeigen. Am ersten Prozesstag wird Karlheinz Schreiber seinen Mund voraussichtlich nur öffnen, um seine Personalien zu bestätigen. Dann werden die Verteidiger im Namen ihres Mandanten eine umfängliche Erklärung verlesen.

Alles deutet darauf hin, dass Schreiber sich in allen Punkten der Anklage - Steuerhinterziehung, Beihilfe zum Betrug und zur Untreue, Bestechung eines Amtsträgers - für nicht schuldig erklären wird. Schon bei einem Haftprüfungstermin hatten Schreibers Anwälte alle Vorwürfe bestritten. Raum für einen Deal - eine Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten - gibt es zumindest derzeit nicht. Voraussetzung dafür wäre, sagt der Augsburger Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz, "ein reumütiges, selbst vorgetragenes Geständnis". So etwas ist für einen Egozentriker wie Karlheinz Schreiber eher persönlichkeitsfremd.

Hubschrauber, Flugzeuge, Panzer

Andererseits könnte Schreiber von einem umfassenden Geständnis erheblich profitieren: Die Beweise für die Steuerhinterziehung sind niet- und nagelfest, und bei der Höhe der hinterzogenen Beträge könnte leicht ein Strafmaß um die sechs Jahre herauskommen - für einen 75-Jährigen wäre das schon eine Überlegung wert.

Jedenfalls hat sich das Gericht auf eine umfassende Beweisaufnahme eingerichtet. Termine bis in den Mai hinein sind festgesetzt, es könnte leicht Weihnachten werden bis zum Urteil. Inhaltlich rechnet niemand mit Überraschungen - alles, was Schreiber zur Last gelegt wird, ist in eben diesem Gerichtsaal schon mehrmals wiedergekäut worden, in den Verfahren gegen die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert, gegen Strauß-Sohn Max und gegen den Ex-Staatssekretär Ludwig-Holger Pfahls.

Kurz gesagt geht es um Folgendes: In den Jahren 1988 bis 1993 soll Schreiber für die Vermittlung von Flugzeug- und Rüstungsgeschäften Provisionen in Höhe von 65 Millionen Mark (32,5 Millionen Euro) bezogen und nicht versteuert haben. Dem Fiskus soll er dadurch Einkommensteuer in Höhe von 20,2 Millionen Mark (etwa zehn Millionen Euro) vorenthalten haben. Im Einzelnen ging es um Verkäufe von Hubschraubern an die kanadische Küstenwache, von Airbus-Flugzeugen an thailändische und kanadische Fluggesellschaften und um die Lieferung von 36 Fuchs-Panzern aus Altbeständen der Bundeswehr an das Königreich Saudi-Arabien.

Aus dem Umfeld des Deals zwischen Thyssen und dem Staat Saudi-Arabien stammen auch die übrigen Anklagevorwürfe. Im Vertrag mit den Saudis waren Provisionszahlungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Dass Thyssen aus dem von Saudi-Arabien geleisteten Kaufpreis 24,4 Millionen Mark als Provision an Schreiber zahlte, wertet die Staatsanwaltschaft als Betrug zum Nachteil des Königreichs Saudi-Arabien. Weil eine sehr viel höhere Summe aber als Provision mutmaßlich an saudische Empfänger bezahlt wurde, kann man durchaus Zweifel daran haben, ob die dortige Regierung tatsächlich guten Glaubens war.

Die atomare Abwehrbereitschaft gefährdet

Der politisch brisanteste Teil der Anklage ist zweifellos der Vorwurf der Bestechung des Rüstungsstaatssekretärs Pfahls durch Schreiber. Pfahls entschied damals, dass die Bundeswehr 36 gebrauchte Fuchs-Spürpanzer zur Lieferung nach Saudi-Arabien herausgeben musste, obwohl die Führung des Heeres ihn darauf hingewiesen hatte, dass dadurch die atomare Abwehrbereitschaft der Bundeswehr gefährdet sei. Dafür deponierte Schreiber 3,8 Millionen Mark für Pfahls auf einem Schweizer Konto. 873000 Mark bekam Pfahls in drei Tranchen bar auf die Hand, der Rest blieb bei Schreiber. Dass Pfahls als Gegenleistung etwas Ungesetzliches tat, konnte ihm das Gericht nicht nachweisen - er wurde schließlich nicht wegen Bestechlichkeit, sondern nur wegen Vorteilsannahme verurteilt.

Ob Schreiber nun seinerseits wegen Bestechung verurteilt werden kann, wird wohl erst der Bundesgerichtshof entscheiden. Das Augsburger Gericht unter dem Vorsitz von Rudolf Weigell hält die Bestechung nämlich für verjährt, sehr zum Ärger der Augsburger Staatsanwaltschaft. Dass Weigell ein Richter mit sehr eigenständigen Rechtsauffassungen ist, haben die Augsburger Ermittler schon früher zu spüren bekommen: Weigell ließ eine Anklage wegen Sozialversicherungsbetrugs gegen die Betreiber eines Augsburger Bordells nicht zu, weil er die dort tätigen Prostituierten als Selbständige, nicht als Angestellte einstufte.

Am ersten Prozesstag am Montag wird das Augsburger Landgericht, wieder einmal, einen wahren Medientaifun erleben. Wenn es den drei Verteidigern gelingt, den Mitteilungsdrang und die Großmannssucht ihres Mandanten zu disziplinieren, dann wird das öffentliche Interesse sehr schnell nachlassen - die Materie ist allzu dröge.

© SZ vom 16./17. 1. 2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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