Profil:Der Mann, der den Russen die Wärme ausreden soll

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Russischer Tourismuschef mit einer undankbaren Aufgabe. (Foto: imago)

Russland hat Pauschalreisen nach Ägypten und in die Türkei verboten. Der Leiter der Tourismusbehörde steht damit vor einer undankbaren Aufgabe.

Von Frank Nienhuysen

Es war ein ziemlich törichter Satz, der Oleg Safonow da einfiel über die Sehnsüchte der Russen nach Strand und nach Meer. Gönnt er ihnen die Sonne nicht?

In Russland ist es im Oktober schon kalt, und im März und April auch noch, und dazwischen sowieso. Safonow aber sagte, es sei ein "erzwungener Wunsch, jedes Jahr im Ausland ans Meer zu reisen", ja "ein Stereotyp". Auch "unsere Vorfahren" seien schließlich nicht in Massen ans Meer gereist, "meine waren einfache Bauern und pflügten".

Safonow muss den Russen ihren Auslandsurlaub ausreden

Safonow, 46, ist Leiter der staatlichen russischen Tourismusbehörde Rosturism, und er hat von Präsident Wladimir Putin eine undankbare Aufgabe erhalten, die er mit Leidenschaft angeht: Er muss den Russen schmackhaft machen, dass sie ihren Urlaub besser im eigenen Land verbringen als in Antalya oder Scharm el-Scheich.

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Der Zeitpunkt ist ungünstig, denn gerade in der langen Neujahrszeit schätzen die Russen etwas Wärme, die den frostigen Winter durchbricht. Aber Russland hat jetzt nun mal Pauschalreisen in die Türkei und nach Ägypten verboten, also redet Safonow ihnen den Meeresblick im Ausland aus. Der Spott kam prompt und heftig - von einer jungen Juristin namens Ljubow Sobol.

Sobol, Mitarbeiterin einer russischen Antikorruptionsstiftung, warf einen Blick in Safonows offizielle Steuererklärung für 2014 und wurde fündig: Eingetragen auf seinen Namen sind zwei propere Wohnhäuser auf den Seychellen, einem tropischen Inselstaat im Indischen Ozean, mit viel Meer und viel weißem Strand.

Sehr lang ist ihr Facebook-Eintrag mit der Überschrift "Heuchelei" nicht; ein paar Sätze nur, ein kurzer Auszug aus der Steuererklärung und der lakonische Schlusssatz: "Und uns halten sie für Dummköpfe."

Safonow wirbt für Urlaub auf der Krim

Safonow reagierte sofort, gab zu, was sich nicht abstreiten ließ, machte aber klar, dass er die Häuser auf den Seychellen zu Beginn dieses Jahres bereits verkauft habe. Weil ein neues Gesetz hochrangigen russischen Beamten Immobilienbesitz im Ausland verbiete, und weil er als Leiter der föderalen Tourismusbehörde ohnehin keine Zeit mehr habe.

Safonow, Finanzexperte, einst Börsenpräsident, seit Januar Rosturism-Chef, ist jedenfalls logistisch nun etwas in Bedrängnis geraten. Denn so radikal und spontan, wie Reisen nach Ägypten und in die Türkei verboten wurden, kann er den Touristenstrom gar nicht zu Mütterchen Russland umlenken.

Er trommelt, wo er kann, preist das schöne Altai-Gebirge, das Schwarzmeergebiet um Sotschi und wirbt selbstredend für Urlaub auf der annektierten Krim, wo es zwar auch Meer und Strand gibt, allerdings noch wenig "all inclusive".

Das will Safonow ändern. Er kennt Russlands Nachholbedarf an Infrastruktur, gutem, freundlichem Service - und das für wenig Geld. Alles, was die Türkei und Ägypten eben so bieten. Bis dahin bleibt vielen Russen die Datscha, für die Safonow auch schon geworben hat. Warm ist da im Winter nur der Ofen.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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